Mittagszeit: Venedig erkunden macht extrem hungrig. Die kleine Wegzehrung die wir mitgenommen haben, ist schon längst vertilgt. Auf einem kleinen Platz irgendwo im Labyrinth von Venedig lädt uns die Außenbestuhlung zum Essen ein.
Wie nicht anders zu erwarten, finden wir uns in einem Sprachengewirr aus Italienisch, Englisch, Französisch, Spanisch?, Polnisch, Russisch, Deutsch und noch ein paar weiteren Sprachen oder Dialekten, die wir nicht identifizieren können, wieder. Wir erwarten hier und jetzt zur Mittagszeit keine Venezianer zu finden. Doch weit gefehlt. Etwas erschöpft beobachten wir die vorbeiziehenden Passanten. Immer wieder fallen uns sehr gut und geschmackvoll gekleidete Personen, meist Männer, auf, die mit gemütlichem, nein, erhabenen Schritt des Weges ziehen. Die, die im Gespräch mit einer weiteren gut gekleideten Person unterwegs sind, identifizieren wir sofort als Venezianer anhand ihrer typischen gestikulierenden Sprachunterstützung.
Ein älterer Herr mit schütteren grau melierten Haaren fällt mir besonders auf. Er ist für mich der Prototyp des Venezianers schlecht hin. Helle Hose, mittelblaues Jackett mit Goldknöpfen, mittelbraunen Maßschuhen und statt Krawatte, Halstuch aus feinster Seide mit passendem Einstecktuch in der Brusttasche des Jacketts. In der rechten Hand eine aus feinstem Leder gefertigte leichte Aktenmappe, gerade groß genug, damit ein Exposee eines Immobilienmaklers und der Füllfederhalter, natürlich aus purem Gold, zum Unterschreiben in die Mappe passt. Fünf Meter vor uns bleibt er mit seinem Begleiter stehen, während er in gediegenem Italienisch seinem Begleiter seine Argumente mit eindrucksvollen Gesten verständlich macht.
Sein Gegenüber ist ein nicht weniger beeindruckender Venezianer, etwa halb so alt, aber eher der Commissario Brunetti Typ, gekleidet in feinen dunkelgrauen Zwirn, weißes Hemd, dieses aber ohne Krawatte, lässig den Kragen cool geöffnet. Die fehlende Krawatte wird durch die schwarze Ray Ban Brille mit Mafia-Feeling kompensiert.
Dann ein kurzes Wortdurcheinander der beiden, das etwas in der Lautstärke zunimmt. Für uns Nordeuropäer ein sicheres Indiz für einen beginnenden Streit. Doch dann ein herzliches Lachen mit verbrüdernden Gesten und die Beiden verschwinden einträchtig auf einen Espresso in der schräg gegenüber liegenden Bar.
Szenen wie diese haben wir etliche beobachtet. Ist das auch Klischee oder echte venezianische, oder doch zumindest italienische Lebensfreude? Nein, das ist nicht gespielt. Das ist Italien, das ist Venedig.
Wir genießen unser Mittagsmahl mit musikalischer Untermalung. Natürlich, wie sollte man es anders erwarten, kommen nach einer gewissen Zeit die „Straßenmusiker“ (ich bin mir sicher sie sind vom Gastwirt engagiert) auf die Gäste des Restaurants zu und fordern dezent aber bestimmt eine milde Gabe ein, die wir auch gerne gewähren, Die Drei waren auch wirklich gut. Das touristische Venedig hat uns wieder einmal eingeholt 😉
Nördlich und östlich vom Markusplatz finden sich unzählige dieser Restaurants deren Zielgruppe vor allem Touristen sind. Viele versuchen sich als „McSchubeck“ zu positionieren mit gehobenem Ambiente, Stoffserviette und Bedienung in schwarzer Weste aber mit einer Sitzplatzbreite nur wenige Millimeter über der 50cm-Marke.
Hier wird das Touristenklischee perfekt bedient. Nur die handgeschriebene Tafel, die den Fußgängern den Weg versperrt, mit dem Frutti die Mare Angebot des Tages entlarvt den Touristentempel. Dazwischen verbergen sich aber auch immer wieder Restaurants, in die die Venezianer einkehren. Ich kann nicht genau sagen woran ich den Unterschied festmache, für mich, besser gesagt für mein Gefühl ist der Unterschied doch sehr klar und eindeutig erkennbar.
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