Vom Tegernsee zum Ammersee #2

Schon als wir uns auf den Weg zu unserem Nachtlager gemacht haben, zeigte etwas Donnergrollen an, dass in der Nacht noch etwas Regen auf uns fallen wird. Am nächsten Morgen war es nicht nur sehr feucht um uns herum, es war bewölkt und deutlich kühler. Wir entscheiden uns für etwas „Sight-Seeing“. Wir stellen unser Navi auf Benediktbeuren ein und rollen gemütlich aus dem Tegernseer Tal hinaus Richtung Bad Tölz.
Richtung Isartal1Richtung Isartal2

Je mehr wir uns dem Isartal nähern, sehen wir deutliche Veränderungen im Baustil zwischen dem Tegernseer Tal und dem Isartal. Beides hübsch anzusehen. Ohne diesen direkten Vergleich, würde man beides als typisch oberbayerisch identifizieren. So werden wir förmlich darauf gestoßen, dass jedes Tal im Laufe der Zeit seine baustilistischen Eigenheiten entwickelt hat. Ich bin mir sicher, dass das Gleiche auch für die gesprochenen oberbayrischen Dialekte oder auch für kulturelle Gepflogenheiten gilt.
Wir lassen Bad Tölz rechts liegen und steuern Benediktbeuren an.
Gleich am Ortseingang werden wir durch ein Schild auf den Großraumparkplatz des Klosters hingewiesen. In die entgegengesetzte Richtung weist ein Schild mit einem Wohnmobil. Was nun? Wir interpretieren die Schilderkombination, dass Wohnmobilen ein separater Parkplatz angewiesen wird. Dies stellt sich im Weiteren als Fehlinterpretation heraus. Wir entdecken hinter einer Bahnschranke einen freien Platz, der sich zum Abstellen unseres WOMO’s hervorragend geeignet hätte.
Doch ich sollte gleich oberbayerische Garstigkeit kennenlernen. Ich stieg aus und sah aus dem Nichts ein stattliches bayrisches Mannsbild und eine wild gestikulierende Frau, die mich irgendwie an eine Kräuterhexe erinnerte, auf mich mit strammen Schritten zukommen. Beide machten mir unmissverständlich deutlich, dass mein Parken hier nicht erwünscht ist. Ich war mir ziemlich sicher, dass die Beschilderung ein Parken zuließ. Angesichts des ungestümen Ansturms auf mich, trete ich wortlos und etwas eingeschüchtert den Rückzug an.
Mir ist dieser Wesenszug aufgrund 20-jähriger München-Erfahrung nicht gänzlich unbekannt, aber er überrascht mich doch immer wieder.

Kloster Benediktbeuren1Wir tauchen ein in die lange Geschichte des Klosters und der Benediktiner. Gleich zu Beginn treffen wir auf eine organisierte Führung. Sie ist von dem Stil: Jahreszahlen, Namen, Fakten. So interessant das auch immer vom Führer vorgetragen sein mag, es verstellt mir immer den Blick für die großen historischen Zusammenhänge, an denen ich interessiert bin. So lassen wir das mit der Führung und erkunden, soweit möglich, das Kloster auf eigene Faust.
Kloster Benediktbeuren3

Kloster Benediktbeuren2Alles macht einen gepflegten Eindruck. Dennoch wirken auf uns die Klostermauern, die heute eine universitäre Einrichtung beherbergt, irgendwie statisch, obwohl uns immer wieder Studenten begegnen, die für uns Dynamik, Veränderung und Zukunft symbolisieren. Es fühlt sich an, als ob sich in den letzten X-Hundert Jahren nichts verändert hat. Wir durchstreifen den Klostergarten, der sich besonders, wie im Mittelalter in Klöstern üblich, der Kultivierung von Heilkräutern und Heilpflanzen widmet. Wir kommen an der Klosterbrauereigaststätte vorbei und zu unserer Überraschung lachen uns angenehme Preise von der Speisekarte an. Zudem ist der Biergarten sehr einladend. Aber es ist noch zu früh für bayrisch-deftige Schmankerl und ein Benediktiner-Klostergebräu. Dafür gab’s im Kräuter-Erlebnis-Laden Kaffee und Kuchen, dem wir nicht widerstehen konnten.
Kloster Benediktbeuren4Letztlich bleiben wir nochmals an den Kräutergärten hängen und lassen uns von dem Duft der verschiedenen Kräuter und Heilpflanzen betören.
Ganz zum Schluss stoßen wir auf eine Tafel, die Informationen zur Mystik von Labyrinthen im Mittelalter gibt und das Kräutergartenlabyrinth in Benedikbeuren mit dem berühmten Labyrinth von Chartres in Beziehung setzt.

gefunden im KlostershopAuch ein altehrwürdiges Kloster hat heutzutage einen „Klostershop“. Dort fiel uns eine Postkarte in die Hände, die uns in unserer spirituellen Stimmung als Kontrast die Tränen in die Augen trieb. 🙂

Vom Tegernsee zum Ammersee #1

Unsere Fahrt zum Tegernsee verlief problemlos. Wir hatten als ersten Stellplatz Bad Wiessee ausgemacht. Er liegt vor einem kommerziellen Strandbad und Segelbootverleih unweit des ortsansässigen Yachtclubs. Jetzt ist noch Vorsaison und wir können davon ausgehen, dass noch nicht viel los sein wird. Diese Vermutung bestätigt sich, denn wir sind alleine. Alleine mit dem kräftigen Rauschen des vorbei fließenden Baches. Sehr schön!

Tegernsee1Bei einem abendlichen Spaziergang verschaffen wir uns noch einen ersten Eindruck von Bad Wiessee. Kurz gesagt: Noch nicht viel los zu dieser Jahreszeit. Das gerade stattfindende Blasmusikkonzert am See ist gut besucht, wir haben aber das Gefühl, dass dies die einzigen Gäste des Ortes sind. Uns sind mehrere Häuser/Hotels in bester Tourismuslage aufgefallen, die in der jetzt beginnenden Saison mit Sicherheit nicht mehr geöffnet werden. Zwischen Terrassenplatten wächst 20cm hoch Gras und Unkraut, keinerlei Aktivität im Haus, beschlagene Scheiben…. in diesen Häusern können keine Gäste wohnen.
In den letzten Jahren wurde die öffentliche Infrastruktur ordentlich aufgehübscht, die in die Jahre gekommene Spielbank durch einen Neubau vor den Toren des Ortes ersetzt, eine „Mini-Einkaufs-Fußgängerzone“ etabliert und die Attraktivität des Ortes durch eine Driving Range mitten im Ort erhöht, um die klassische Gästezielgruppe der Jod-Schwefel-Quellen-Besucher um eine zahlungskräftige Klientel zu erweitern.

Am nächsten Morgen machen wir uns auf, den Tegernsee mit dem Fahrrad zu umrunden.
Rottach-Egern, Tegernsee, St. Quirin, Gmund, Bad Wiessee,

Tegernsee4Unser Eindruck ist, die nördlichen Orte haben schon bessere Zeiten gesehen. Tegernsee und besonders Rottach-Egern liefern ihren Gästen eine nahezu perfekte und schön gestaltete Scheinwelt der Schönen und Reichen. Ich amüsiere mich prächtig über das Weiblein-Laufen der gelifteten und „entfalteten“ Möchtegern-Schönheiten reicher Shareholder, immer in der Hoffnung posierend, vom gemeinen Touristen bewundert zu werden.
Einen Lachkrampf, den ich fast nicht unterdrücken konnte, überkam mich, als mir ein älteres Paar entgegen kam.
Sie: geliftet, blondiert, knallroter Lippenstift, Goldklunker um den Hals, eingepackt in sündhaft teure Klamotten, die mindestens zwei Kleidergrößen zu klein sind und für eine mindestens 25 Jahre jüngere Frau angemessen gewesen wären.
Er: gestriegelt wie ein junger Lufthansa-Pilot in lässiger aber teurer Kleidung, anstatt Krawatte ein Seidentuch um den Hals, im Sakko natürlich Einstecktuch, Haare nachgefärbt, was aber nicht mehr das fehlende Volumen kaschieren kann.

Tegernsee3Sie eilt wild gestikulierend von einem Schaufenster zum nächsten, Er trabt einen 3/4-Schritt hinter ihr her mit je einer Papiertüte von Escada, Gucci, Armani und …
Oh, wenn die sich doch bloß mal selbst sehen könnten. Würden die im Boden versinken wollen? Oder würden sie konsequent leugnen, dass sie das sind? – Eine weitere Möglichkeit für eine Reaktion fällt mir nicht ein.
Dann hat Sie einen Platz auf der Bühne einer angesagten Lounge entdeckt und ihren Tüten-tragenden Begleiter zielsicher dort hin gelotst.

Tegernsee2Nach einigem Nachdenken wird mir bewusst, dass genau das zum Geschäftsmodell solcher Nobelmeilen gehört wenn diese erfolgreich sein wollen.
Die Kommunen schaffen eine perfekte Kulisse, die die Gaffer für die Reichen anzieht.
Die Hotels, Restaurants und Geschäfte liefern die Bühne auf der man zeigt, dass „man sich das locker leisten kann“ und „dazugehört“.
Das Ego der Reichen profitiert von den Gaffern, die zu der Klasse gehören: Wenn das monatliche Überlebensbudget ausbleibt, dann ist spätestens in einem Jahr Schicht im Schacht.
Und die Zuschauer dieses Marktplatzes der Eitelkeiten, wie profitieren sie? Ja, sie haben nun endlich einmal ein paar von diesen exaltierten Figuren live gesehen, deren Vorbilder sie sonst nur in der Regenbogenpresse bewundern können. Vielleicht erliegen sie ja auch für einen kurzen Moment der Illusion auch dazu gehört zu haben.

Das nennt man eine Win-Win-Situation.
Jeder bekommt was er glaubt zu brauchen und die Kasse klingelt bei denen, die den Mechanismus durchschauen und diese Win-Win-Situation kreieren.

Etwas feixend und amüsiert setzen wir unsere Tegernseeumrundung fort. Wir freuen uns an den immer wieder wechselnden Panoramen und Ausblicken. Allerdings machen uns einige sportlich ambitionierte Radfahrer in „Eddi Merxx – Kostüm“ das Leben bzw. das Radeln schwer. Einer versuchte sogar, sicher nicht mit Absicht, unsere Tour zu beenden. Akrobatische Ausweichmanöver haben dies jedoch verhindert.

Blick zum Wallberg an dem sich bei geeignetem Wetter die Gleitschirmflieger tummeln
Blick zum Wallberg an dem sich bei geeignetem Wetter die Gleitschirmflieger tummeln