Zu Besuch in Weimar – der Wiege der deutschen Demokratie

Selbstbewusst schreibt die Stadt Weimar auf ihrer Webseite:

„Weimars Vielfalt überrascht Besucher immer wieder auf’s Neue. In keiner anderen deutschen Stadt vergleichbarer Größe hat sich so viel deutsche und europäische Kulturgeschichte abgespielt.“

Goethe und Schiller Denkmal

Diese Selbstbeschreibung ist keine marketinggetriebene Übertreibung. Immerhin kann Weimar für sich in Anspruch nehmen, der ersten deutschen demokratisch legitimierten Republik seinen Namen zur Verfügung gestellt zu haben.

Weimar war auch im Bereich von Kunst und Kultur ein Anziehungspunkt für bedeutende Kunstschaffende.

Bach und Liszt wählten Weimar zu ihrem Schaffens- und Lebensmittelpunkt. Der Komponist Johann Nepomuk Hummel, einer der berühmtesten Klaviervirtuosen seiner Zeit, arbeitete zwanzig Jahre in Weimar. Richard Strauß erschuf „Don Juan“, „Macbeth“ und „Tod und Verklärung“ in Weimar, wo diese bedeutenden Stücke der Musikgeschichte auch uraufgeführt wurden. Die Oper „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck erlebte 1893 mit der damaligen Hofkapelle ebenfalls ihre Uraufführung in Weimar.

Auch Schiller und Goethe waren für längere Zeit in Weimar heimisch. Ihre Wohnhäuser sind heute noch zu besichtigen. Es ist schon fast selbstverständlich, dass diese beiden großen Deutschen mit einem Denkmal vor dem Deutschen Nationaltheater auf dem Theaterplatz geehrt werden.

Haus der Weimarer Republik

Gegenüber dem Deutschen Nationaltheater und dem Denkmal für Goethe und Schiller befindet sich heute das Haus der Weimarer Republik. Dieses Museum und Begegnungstätte zog rund 100 Jahre nach der Weimarer Republik in dieses schöne Gebäude ein, nachdem das Bauhausmuseum, das bis dahin dort residierte, in seine neu geschaffenen Räumlichkeiten umgezogen war.
 
Nach seiner Gründung sollte das Staatliche Bauhaus in Weimar das Design und die Architektur weltweit revolutionieren. Mit der Gestaltungsschule verbinden sich Form- und Farbexperimente, Architektur-Ikonen und Alltagsdesign, rauschende Feste und minimalistische Entwürfe. Der Gründerkopf, Walter Gropius holte 1919 die europäische Künstleravantgarde in die Stadt und schuf damit den Nukleus und den Rahmen der modernen Architektur und funktionalen Designs.

Bei soviel Wichtigem und Berühmtem verwundert es nicht, das Weimar gleich zwei Mal mit dem Titel UNESCO Welterbe aufwarten kann. Zum einen als ‚Klassisches Weimar‘ und zum anderen als Teil des ‚Bauhaus und seinen Stätten in Weimar, Dessau und Bernau‘.

Wir erleben Weimar als eine sympathische, fast verträumte Kleinstadt mit historischem Ortskern, die sich uns sehr gepflegt und großteils restauriert präsentiert. Und wo das noch nicht passiert ist, da werden notfalls nur noch die Fassaden erhalten und das Innenleben des Gebäudes komplett neu gebaut.

Wer Großstadthektik sucht, der wird sich in Weimar langweilen. Es gibt keine übertriebene Eile, kein sich wichtig tun oder sich darstellen müssen. Manch einer mag das als bieder empfinden, auf mich wirkt es wohltuend entschleunigend. Eine sehr angenehme Atmosphäre. Die Schillerstraße mit den schönen schattenspendenden Bäumen, die die Straße säumen, sind das Abbild dieser angenehmen Atmosphäre.
Natürlich verfolgen einen die deutschen „Wortkünstler“ Goethe und Schiller auf Schritt und Tritt. Da ein Museum, dort eine Apotheke, hier die Schillerstraße und dort der Goetheplatz und ein Stückchen weiter ein Schokolädchen, das Goethe im Namen trägt.

Wir sind in Weimar zu einem Zeitpunkt unterwegs, an dem der Tourismus nach dem Lockdown 2020 noch nicht wieder vollständig angelaufen ist. Es mag sein, dass wir zu einem anderen Zeitpunkt die Atmosphäre in Weimar anders wahrgenommen hätten. Es gibt dennoch eine ganze Reihe von Indizien, die unsere Wahrnehmung bestätigen.

So sind z.B. die Einkaufsmöglichkeiten nicht primär auf Touristen ausgerichtet, sondern auf die Alltagsbedürfnisse der in Weimar und Umgebung lebenden Menschen. Merkmale wie z.B. in Tauberbischofsheim, Rüdesheim oder … (ich glaube, jeder der gern auf Reisen ist, kennt solche Orte), die auf eine „Entheimatung“ der ortsansässigen Bevölkerung durch den Tourismus hinweisen, haben wir in Weimar nicht entdeckt. Auch die unmittelbare Nähe zu der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt scheint dem städtischen Leben in Weimar nicht zu schaden bzw. das „Wasser abzugraben“. Ganz im Gegenteil. Erst wie wir später erkennen werden, nach dem wir Erfurt besucht haben, hat Weimar einen ganz eigenständigen Charakter. Das mag das Geheimnis sein, weswegen Weimar in unmittelbarer Nähe zur Landeshauptstadt bestehen kann.

In so manch anderen großen Stadt haben wir beobachtet, dass die kleineren Städtchen im Umland schwer zu kämpfen haben. Am offensichtlichsten zeigt sich das dann am Leerstand von Verkaufsflächen im Innenstadtbereich und am Verlust traditioneller Treffpunkte, wie z.B. alt eingesessener Brauereien, Gaststätten, Cafès usw. Auch das vermehrte Auftreten verwahrloster Immobilien mit Grafitty-Schmuck ist so ein Hinweis. In Weimar haben wir nichts der Gleichen entdecken können. Tradition und Anpassung an die Bedingungen und Notwendigkeiten der heutigen Zeit halten sich die Waage. Stattdessen finden sich Hinweisschilder und Informationen zur Stadt, seinen berühmten Einwohnern und zu seiner Geschichte dezent an den Straßen und Plätzen. Da wird auch schon einmal ein renovierter Giebel für einen klugen Spruch genutzt.

So mag es zu normalen Nicht-Corona-Zeiten vielleicht etwas touristischer in Weimar zu gehen, nach unserer Einschätzung bewegt sich das aber noch in einem angenehmen oder zumindest akzeptablen Rahmen. Hier noch ein paar Impressionen von Weimar, wie wir es gesehen haben:

Für Kultur- und Architekturinteressierte ist Weimar auf jeden Fall eine Reise wert. So lohnen sich Besuche im:

  • Bauhausmuseum,
  • Goethes Wohnhaus und seinem Gartenhaus am ‚Park an der Ilm‘,
  • Schillers Wohnhaus,
  • Rokkokosaal der Herzogin Anna Amalia Bibliothek,
  • Haus der Weimarer Republik,
  • der Fürstengruft in der die Särge von Goethe und Schiller stehen,
  • das Stadtschloss – das darin residierende Stadtschlossmuseum ist aber noch bis voraussichtlich 2023 wegen der Generalsanierung vollständig geschlossen und
  • viele weitere Museen und Gedenkstätten bis hin zur Gedenkstätte Buchenwald, das einen düsteren Fleck in unserer jüngeren Geschichte beleuchtet.
  • etliche Kirchen, wie in fast jeder geschichtsträchtigen Stadt
  • und etwas außerhalb der Stadt Schloss und Schlosspark Belvedere, Schloss und Park Tiefurt und Schloss (heute: Tagungshotel) und Schlosspark Ettersburg,

Es lohnt sich durchaus aus dem Stadtkern etwas hinauszugehen. Auch hier finden sich interessante Motive und Architektur. Wer mit dem Rad unterwegs ist, der kann auf dem Ilmtal-Radweg die in der Nähe liegenden Orte Bad Berka (ca. 10 km einfach) und über Apolda Bad Sulza – Thüringens Weinstadt – (ca. 30 km einfach) erradeln.

Wir haben uns vorgenommen wiederzukommen, um das Umland von Weimar und Erfurt zu erkunden. So wollen wir den Ilmtal-Radweg von Allzunah bis zur Saalemündung nördlich von Bad Sulza bei Großheringen abradeln und dabei Weimar einen weiteren und ausgiebigen Besuch abstatten. Immerhin wurde der Ilmtalradweg als erste Radroute in Thüringen vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club als ADFC-Qualitätsradroute mit vier Sternen ausgezeichnet. Angeblich soll dieser der beliebteste Radweg in Thüringen sein. Daher werden wir unser Wiederkommen so planen, dass wir nicht am Wochenende die Region besuchen, denn dann ist aufgrund der Auszeichnung mit viel Verkehr auf dem Radweg zu rechen.

Zum Schluss begegnete uns noch dieser etwas aus dem Rahmen gefallene Herr mit seinem „SolardachFahrrad“.

Auch solche Kuriositäten begegnen einem in Weimar. 😉

Senftenberg: Eine Urlaubsregion entsteht.

Auf dem Weg vom Spreewald nach Dresden, von wo aus wir ins Elbsandsteingebirge fahren wollen, machen wir einen Zwischenstopp in Senftenberg. Senftenberg liegt im Lausitzer Seenland. Dieses Seenland ist, bzw. wird das größte künstlich geschaffene Seengebiet Europas. Was uns hier erwartet? Keine Ahnung!

Als ahnungsloser Wessi hat man vom Braunkohletagebau gehört. Und dass dieser aus Umweltschutzgründen so schnell wie möglich stillgelegt werden soll, das weiß man auch. Wenn man nicht aus einer Tagebergbauregion kommt, hat man nur eine sehr diffuse Vorstellung, was das für eine Region und ihre Menschen bedeutet. Einen ersten Vorgeschmack auf das, was nach dem Bergbau kommt, haben wir schon in Lübbenau bei einer Radtour in Augenschein nehmen können. Wie eine Renaturierung irgendwann mal aussehen könnte, kann ich mir in Lübbenau aber noch nicht wirklich vorstellen.

Bei einer Radtour rund um den Senftenberger See, können wir uns ein Bild von einer solchen Entwicklung machen. Hier ist man schon einen großen Schritt weiter.

Der geflutete Tagebergbau mit größeren Wasserflächen bietet sich als Freizeitzentrum für Wassersportler an. Denkt man eine Nummer größer, dann lässt sich ein ganz neuer Wirtschaftszweig im Bereich des Tourismus entwickeln. Genau das scheint man hier vor zu haben.

Am Stadtrand ist eine Art Steilufer entstanden, die in Teilen schon fast wie natürlich gewachsen aussieht. Auch der neue Stadthafen ist für Bootssportler attraktiv. Wassersport und Badeangebote haben sich rund um die Liege- und Freizeitwiesen etabliert. Auch zwei Wohnmobilstellplätze sind hier zu finden, die voll belegt sind. Wir sind überrascht wie viel touristisches Treiben hier stattfindet. Immerhin ist keine Schulferienzeit.

Einmal um den Senftenberger See

Wir übernachten auf einem Wohnmobilstellplatz etwas außerhalb. Von dort aus umrunden wir den Senftenberger See mit den Fahrrädern. Hier ist schon ein sehr gutes Radwegenetz entstanden. Das können wir an der guten Ausschilderung erkennen. Abzweigungen sind immer klar erkennbar. Wenn es überall so ist, dann reichen Übersichtskarten vollkommen aus, um sich sicher zu orientieren.

Zunächst führt uns unser Weg in die Stadt. Da wir wieder Proviant auffüllen müssen, freuen wir uns, dass Markttag ist.
Wie schon so häufig im Osten finden wir hier eine Marktstruktur vor, die wir bei uns nicht mehr kennen. In Süddeutschland findet sich eher der „Bauernmarkt“, angereichert mit Ständen weiterer Lebensmittel – von Brot über Honig bis zu Fleisch und Wurstwaren. Bekleidung, Schuhe oder Haushaltswaren sucht man bei uns meist vergeblich. Nicht so hier im Osten. Das erinnert uns sehr an die Wochenmärkte in Italien, wo man wirklich alles bekommen kann, bis auf lizensierte Produkte, wie Tabakwaren oder pharmazeutische Produkte.

Die Markttage bringen Leben in die Stadt. Für uns sind diese immer besonders interessant, denn wir können den Menschen, ohne neugierig zu wirken „aufs Maul“ schauen und den ungezwungenen, typischen Umgang miteinander beobachten. Und bevor wir uns umschauen, sind wir in ein Gespräch mit den Einheimischen verwickelt. WoMoline ist dafür Spezialistin. Sie hat auf diese Weise schon so manchen Insidertipp bekommen. 😊😘💖

Senftenberg hat sich schon zu einem Erholungsort entwickelt. Vieles ist instandgesetzt, aufgehübscht, und neu entstanden – wie zum Beispiel der Stadthafen. Um Senftenberg herum entsteht mit dem Lausitzer Seenland zwischen Berlin und Dresden eine neue Wasserlandschaft. Seit einigen Jahren erhält die ehemalige Tagebaulandschaft ein neues Gesicht mit tiefblauen Farbtupfern. Es entsteht die größte zusammenhängende Seenlandschaft Europas mit insgesamt 23 größeren Seen.

Wir verlassen Senftenberg. Die verschiedenen Seen, die hier entstehen werden mit Kanälen verbunden, sodass ein Wasserstraßennetz entsteht. Wo erforderlich, gibt’s dann auch schon mal einen Bootstunnel.

Etwas weiter ist ein Ferienresort mit Clubcharakter entstanden, das sich wohl stark an der Zielgruppe Familie mit Kindern ausrichtet. Das riesige Areal, im Wald gelegen, bietet sowohl Camping, Mobilheime bzw. Ferienhäuser als auch ein Hotel an. Am Seeufer erinnert der Sandstrand an Klassiker wie Bibione oder Rimini. Es ist alles vorhanden was für einen Familienurlaub nötig ist. Wie für Cluburlaub typisch gilt: Einmal angekommen, braucht man das umzäunte Gebiet nicht mehr zu verlassen.

Es ist ein Touristik Konzept, dessen Vorbild aus Spanien, Italien, Türkei und Anderswo stammt. Nur die Anreise ist kürzer und der südländische Flair fehlt. Und der kilometerlange Strandspaziergang wird durch einen Zaun und ein Verbotsschild nach wenigen 100 Metern unterbunden.

Die Wege führen zum Teil sehr weit entfernt vom Ufer durch den Wald. Geschätzt, weit mehr als die Hälfte des Seeufers darf nicht betreten werden. Zum einen wurden Schutzzonen für Biotope ausgewiesen und zum anderen sind weite Bereiche der Uferzonen wegen instabilen Geländeformationen im Uferbereich abgesperrt. Wirklich attraktiv und abwechslungsreich ist, so weit entfernt vom Wasser, die Fahrt durch den Wald nicht.

Aber dann treffen wir auf ein kleines Areal, das ein Meer oder See-Feeling aufkommen lässt. Die Infrastruktur ist hier ein Toilettenhäuschen mit angeschlossener Imbissbude und so weit wir das beurteilen können drum herum wilde Parkerei an Straßenrand. Das hat schon etwas Nostalgisches und erinnert mich an meine Kindheit. Mit dem Käfer über den Großglockner nach Kärnten an einen See. Imbissbude war schon Luxus. Mehr brauchten wir nicht.

Es wird noch eine lange Zeit brauchen, bis aus diesem Gebiet eine wirkliche Ferienregion wird. Man kann alles Mögliche hinbauen, was für eine solche Ferienregion notwendig ist. Die Menschen aber in dieser Region sind geprägt vom Bergbau und der Energieerzeugung. Es wird sicher ein, zwei Generationen dauern bis die Produktionsmentalität sich in eine Dienstleistungs- bzw. Tourismusmentalität verändert hat. Der Unterschied zu einem traditionellen Tourismusgebiet, wie dem Spreewald, ist auf Schritt und Tritt spürbar. Solche Veränderungen gehen eben nicht von heute auf morgen.

Vielleicht ist es ja auch langfristig von Vorteil, sich nicht an Ballermann und Ischgl zu orientieren.

Kurz vor Beendigung unserer Rundfahrt begegnet uns an einem Campingplatz dieses Wohnwagengespann.

Nachdem wir hier, wie zuvor schon im Spreewald, die Erfahrung machen, dass nach dem langen Lockdown die Menschen einfach heiß auf Tapetenwechsel sind, geben wir das Ziel ins Elbsandsteingebirge zu fahren auf. Stattdessen machen wir uns am nächsten Tag auf, in Richtung Weimar und Erfurt.

Unser Kalkül: da, wo die Menschen, die jetzt in den Urlaubsgebieten sind, herkommen (die aus den Städten), dort müsste es doch angenehm ruhig sein. 😊