Den Venezianern auf’s Maul geschaut: Essen und Trinken in Venedig

Venedig 39 Venedig Essen und Trinken 3Mittagszeit: Venedig erkunden macht extrem hungrig. Die kleine Wegzehrung die wir mitgenommen haben, ist schon längst vertilgt. Auf einem kleinen Platz irgendwo im Labyrinth von Venedig lädt uns die Außenbestuhlung zum Essen ein. Venedig 39 Venedig Essen und TrinkenWie nicht anders zu erwarten, finden wir uns in einem Sprachengewirr aus Italienisch, Englisch, Französisch, Spanisch?, Polnisch, Russisch, Deutsch und noch ein paar weiteren Sprachen oder Dialekten, die wir nicht identifizieren können, wieder. Wir erwarten hier und jetzt zur Mittagszeit keine Venezianer zu finden. Doch weit gefehlt. Etwas erschöpft beobachten wir die vorbeiziehenden Passanten. Immer wieder fallen uns sehr gut und geschmackvoll gekleidete Personen, meist Männer, auf, die mit gemütlichem, nein, erhabenen Schritt des Weges ziehen. Die, die im Gespräch mit einer weiteren gut gekleideten Person unterwegs sind, identifizieren wir sofort als Venezianer anhand ihrer typischen gestikulierenden Sprachunterstützung.
Ein älterer Herr mit schütteren grau melierten Haaren fällt mir besonders auf. Er ist für mich der Prototyp des Venezianers schlecht hin. Helle Hose, mittelblaues Jackett mit Goldknöpfen, mittelbraunen Maßschuhen und statt Krawatte, Halstuch aus feinster Seide mit passendem Einstecktuch in der Brusttasche des Jacketts. In der rechten Hand eine aus feinstem Leder gefertigte leichte Aktenmappe, gerade groß genug, damit ein Exposee eines Immobilienmaklers und der Füllfederhalter, natürlich aus purem Gold, zum Unterschreiben in die Mappe passt. Fünf Meter vor uns bleibt er mit seinem Begleiter stehen, während er in gediegenem Italienisch seinem Begleiter seine Argumente mit eindrucksvollen Gesten verständlich macht.
Sein Gegenüber ist ein nicht weniger beeindruckender Venezianer, etwa halb so alt, aber eher der Commissario Brunetti Typ, gekleidet in feinen dunkelgrauen Zwirn, weißes Hemd, dieses aber ohne Krawatte, lässig den Kragen cool geöffnet. Die fehlende Krawatte wird durch die schwarze Ray Ban Brille mit Mafia-Feeling kompensiert.
Dann ein kurzes Wortdurcheinander der beiden, das etwas in der Lautstärke zunimmt. Für uns Nordeuropäer ein sicheres Indiz für einen beginnenden Streit. Doch dann ein herzliches Lachen mit verbrüdernden Gesten und die Beiden verschwinden einträchtig auf einen Espresso in der schräg gegenüber liegenden Bar.
Szenen wie diese haben wir etliche beobachtet. Ist das auch Klischee oder echte venezianische, oder doch zumindest italienische Lebensfreude? Nein, das ist nicht gespielt. Das ist Italien, das ist Venedig.

Venedig 39 Venedig Essen und Trinken 4Wir genießen unser Mittagsmahl mit musikalischer Untermalung. Natürlich, wie sollte man es anders erwarten, kommen nach einer gewissen Zeit die „Straßenmusiker“ (ich bin mir sicher sie sind vom Gastwirt engagiert) auf die Gäste des Restaurants zu und fordern dezent aber bestimmt eine milde Gabe ein, die wir auch gerne gewähren, Die Drei waren auch wirklich gut. Das touristische Venedig hat uns wieder einmal eingeholt 😉

Nördlich und östlich vom Markusplatz finden sich unzählige dieser Restaurants deren Zielgruppe vor allem Touristen sind. Viele versuchen sich als „McSchubeck“ zu positionieren mit gehobenem Ambiente, Stoffserviette und Bedienung in schwarzer Weste aber mit einer Sitzplatzbreite nur wenige Millimeter über der 50cm-Marke. Venedig 39 Venedig Essen und Trinken 2Hier wird das Touristenklischee perfekt bedient. Nur die handgeschriebene Tafel, die den Fußgängern den Weg versperrt, mit dem Frutti die Mare Angebot des Tages entlarvt den Touristentempel. Dazwischen verbergen sich aber auch immer wieder Restaurants, in die die Venezianer einkehren. Ich kann nicht genau sagen woran ich den Unterschied festmache, für mich, besser gesagt für mein Gefühl ist der Unterschied doch sehr klar und eindeutig erkennbar.

8 Gedanken zu “Den Venezianern auf’s Maul geschaut: Essen und Trinken in Venedig

  1. Kulinarisch gesehen ist Venedig wirklich ein Traum – vor allem die Cicchetti sind einmalig. Und wenn man über Nacht in der Lagunenstadt bleibt, zeigt sich in den späten Abendstunden das nicht-touristische Gesicht Venedigs 🙂

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    • Oh ja, das ist wahr.
      Wir hatten den Eindruck, dass man tagsüber (genauer sm Vormittag) noch am ehesten am Fischmarkt das nicht-touristische Gesicht Venedigs erleben kann. Aber auch an dem einen oder anderen abgelegenen Platz ist das tagsüber noch möglich, wenn die Touristenströme nach Venedig hineinschwappen, oder wieder hinausrollen. Von Mittag bis in den frühen Abend findet wie fast überall im nicht touristischen Italien eh kein öffentliches Leben statt, welches man beobachten könnte. 😉

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  2. Sehr kurzweilig zu lesen und auch wir sind der Meinung, dass Italiener etwas übrig haben für gute Kleidung. Wir haben Italienerinnen selten in Jeans und T-Shirt erlebt und das ist schon so seit ich 1967 das erste Mal nach Italien gefahren bin. Immer schon fiel mir auf, dass dort allgemein auf gutes Aussehen sehr viel Wert gelegt wird. Also ich finde es toll! Wenn man ein Lokal findt, in welches mittags die „Geschäftsleute“ aus den umliegenden Firmen essen gehen, dann sollte man sich sofort einen freien Platz suchen. Das haben wir sogar in Rom erlebt und waren glücklich, in so einer Atmospähre essen zu können.
    LG Sigrid

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  3. Ein sehr unterhaltsamer Bericht, die Atmosphäre ist gut beschrieben. Wir haben in Italien immer auf die Speisekarte geschaut, wenn das Angebot nur auf italienisch geschrieben stand war es häufig keine Touristenfalle. Oft waren die Eingänge etwas unauffälliger, das Ambiente weniger spektakulär, das Essen aber dafür ausgezeichnet und wirklich typisch italienisch..

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    • Ja, wie ich es beschrieben habe, man entwickelt schnell ein Gefühl für Turikaschemme und einem Etablissement das Einheimische aufsuchen.
      Danke für das Lob. Mein Herz hüpft 😉😉😉😉

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