Der Spreewald: eine von Menschenhand geschaffene Kulturlandschaft

Das den inneren Spreewald umgebende Grasland wird heute von großen Traktoren mit gigantischen Mähbalken bearbeitet. In früherer Zeit dürfte das durch Ochsen, Pferde und durch Muskelkraft bewerkstelligt worden sein, oder aber durch direkte Beweidung wie es auch heute noch gemacht wird. Die Rinderherden, die wir beobachten konnten, die durch das Grasland streifen, verleihen der Landschaft einen Hauch von Wild-West-Romantik. Einen Cowboy oder Gaucho haben wir aber nicht gesehen.😉 An einer Stelle werden wir durch Schautafeln darauf hingewiesen, dass dieses Gebiet schon seit mindestens 3000 Jahren von Menschen bewirtschaftet wird. Das belegen archäologische Befunde. Somit ist der Spreewald ein sehr altes von Menschen gestaltetes Kulturland.

An verschiedenen Stellen, fällt uns auf, dass man die Natur sich selbst überlässt. Ein Einheimischer, mit dem wir ins Gespräch kommen, vertritt zu dieser „grünen Haltung“, eine sehr kritische Position. Er argumentiert, dass die Spreelandschaft nur deshalb heute so ist, wie sie ist, weil der Mensch sie über viele Jahrhunderte gestaltet hat. Dass Sich-Selbst-Überlassen hat zur Folge dass sich diese alte Kulturlandschaft zusehends verändert, weil durch die fehlende Kulturpflege sich der Waldbestand nicht mehr verjüngen kann. Er lastet diese Veränderung der dogmatischen Haltung von grünen Politikern an und empfindet deren kompromisslose Haltung als eine Art Heimatverlust. Das ist eine Sichtweise, die sich einem Touristen, der mal für zwei, drei Tage einfliegt bei aller Aufmerksamkeit nicht sofort erschließt. Er empfindet, das was er sieht als schön, Natur pur, als schon immer so gewesen. Es strahlt Idylle und Friedlichkeit aus. Die schleichenden Veränderungen kann der Kurzzeittourist nicht erkennen.

Mir wird wieder einmal deutlich, wie schwierig es in unserer komplexen Welt geworden ist, einen fairen Interessenausgleich zwischen unterschiedlichen Standpunkten und Interessen zu erarbeiten. Und so stellen sich mir beklemmende Fragen, wie z.B.:

Wem gehört eigentlich eine alte Kulturlandschaft?

Wer darf für diese Kulturlandschaft sprechen (und wer nicht)?

Gibt es so etwas wie Heimatrecht? Oder sogar ein Recht auf Heimat? Ist das vielleicht sogar ein Grundrecht?

Gibt es so etwas wie ein Selbstbestimmungsrecht der in einer „Heimat“ lebenden Menschen und der durch sie getragenen Organisationen?

Wo liegt die Grenze zwischen „Mit der Natur leben“ und „Natur ausbeuten“?

Diese Fragen machen uns sehr nachdenklich, zumal uns ähnliche Fragen in touristischen Hotspots wie z.B. in Pisa, Kloster Melk, Dürnstein an der Donau, in der Tourimeile am Tittisee oder in Venedig in ähnlicher Weise begegnet sind. In den genannten Beispielen war Auslöser der überdimensionale und nicht mehr verkraftbare Ansturm der Touristen, der Heimat zerstört.

Hier lernen wir, dass auch politische Dogmen, Heimat zerstören können!

Paul, der hilfsbereite Spreewald-Gondoliere

Die Radwege im Spreewald sind überwiegend gut und fest verdichtete Schotterwege. Auf den Hauptrouten und innerhalb von Siedelungen sind sie meist asphaltiert. Gerade diese Schotterwege, mit darin enthaltenen spitzen Steinen, können tückisch sein. Wer mit den heute üblichen modernen Reifen unterwegs ist, sollte bei optimalem Reifendruck eher selten ein Problem bekommen. Ganz auszuschließen ist das aber nicht. Als wir auf unserer Rundtour von Lübbenau nach Lübben und in einem großen Bogen über Alt Zauche wieder zurück nach Lübbenau fahren, ist uns genau dieses passiert. Ungefähr 10 km vor Lübbenau fängt das Hinterrad von Womolix’s Fahrrad an zu holpern.

Ein Blick zum Hinterrad reicht – Plattfuß.

An diesem Teil der Strecke sind kaum Menschen unterwegs. Flickzeug und das kleine Notbehelfswerkzeug haben wir dabei. Doch ohne Luftpumpe, wird uns das nichts nützen. Mit Erschrecken stellen wir fest, dass ich beim Fahrfertigmachen der Fahrräder die Luftpumpen in der Wohnmobilgarage vergessen habe. Da kann sich der WoMolix aber was von ärgern. WoMoline verzichtet dankenswerterweise auf Vorwürfe.

Ein Blick auf die Radl App zeigt, wir haben noch ca. 10 km bis zum Wohnmobil vor uns. Es ist schon später Nachmittag und 10 km Fahrrad schieben macht keinen Spaß. Wir haben Glück, so glauben wir als uns zwei Damen auf ihren Fahrrädern einholen. Wir fragen, ob sie eine Luftpumpe dabei haben. Aber wie sollte es anders sein, sie haben keine dabei. Stattdessen gibt es einen guten Rat. Wenn wir ungefähr 2 km zurücklaufen und dann nach rechts abbiegen, finden wir eine Anlegestelle für Spreewaldkähne und eine Art Schnellimbiss beziehungsweise Biergarten. Da könnte uns vielleicht geholfen werden. Mit der Aussicht auf Hilfe und Unterstützung folgen wir dankend diesem Rat.

WoMoline ist schon mal vorgefahren und versucht in dem Biergarten Unterstützung zu finden. Als ich ankomme, eröffnet mir WoMoline, dass von den etwa 10 anwesenden Radlergruppen überhaupt nur zwei eine Luftpumpe dabei haben. Von diesen zwei Luftpumpen ist eine für unsere Ventile geeignet. Ich denke mir: „Glück gehabt“.

Sofort mache ich mich daran das Hinterrad auszubauen und den Fahrradmantel von der Felge zu ziehen. Als ich gerade vom Bierausschank eine Schüssel mit Wasser organisiert habe, um das Loch im Schlauch zu identifizieren, ruft das drei Radler auf den Plan, die schon ordentlich „RadlerWasser mit Hopfenaroma“ getankt haben.

Ihre Hilfsbereitschaft ist sicher gut gemeint, aber es entwickelt sich jetzt das, was man mit dem Sprichwort „Viele Köche verderben den Brei“ beschreibt. Es kommt zu einem regelrechten Wettbewerb der heißt: „Wer weiß am besten, wie ein Fahrradschlauch geflickt wird.“

So versucht jeder der Herren dem jeweils gerade Agierenden, entweder Reifenschlauch, Flickzeug oder Werkzeug aus der Hand zu nehmen, um zu zeigen was er kann. Einfach grotesk und fast schon kabarettreif. Aber wer den Schaden hat, sollte nicht auch noch für den Spott sorgen.

Das Ergebnis ist genau so, wie es das Sprichwort beschreibt. Ich baue das Hinterrad wieder ein und als ich das Rad wieder auf seine Reifen stelle, um die Reparatur zu testen, da entweicht die Luft abermals aus dem Hinterrad. Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht. 😎🤔

Mich hat’s trotzdem für die Herren eine Runde Bier gekostet.

WoMoline traut dem Reparaturschauspiel wohl auch nicht. Deshalb macht sie sich noch vor Beendigung der Reparaturarbeiten auf dem Weg zu dem nahegelegenen Spreewaldhafen. Dort trifft sie auf Paul, einen Spreewaldgondoliere der gerade seine Fahrt beendet hat. Paul erliegt dem charmanten Bitten von WoMoline und ist bereit, uns mit Rat und Tat zu unterstützen.

Als ich gerade dabei bin, das soeben reparierte Hinterrad wieder auszubauen, erscheint WoMoline mit Paul. Paul schaut sich mit fachmännischem Blick den geflickten Schlauch an und prüft mit nachdenklichen Blick die Reparaturstelle. Er zeigt mit dem Zeigefinger auf unserer Reparaturset und sagt: „Damit wird das hier nichts mehr. Ich nehme das Rad mit und repariere das in meiner Werkstatt.“ Wir erfahren von Paul, dass er nicht nur Spreewaldgondoliere ist, sondern auch ein passionierter Radfahrer. Und ehe wir uns versehen, hat Paul mein Hinterrad im Kofferraum seines Autos verstaut und lässt uns mit dem Hinweis, das könne schon eine dreiviertel Stunde oder eine Stunde dauern, zurück.

Wir können vorerst mal nichts tun. Und so bleibt uns nur, mit den angeheiterten und hilfsbereiten Radlern ein weiteres „Radler“ zu trinken.

Auch nach anderthalb Stunden ist Paul noch nicht zurück. Uns wird es langsam mulmig, denn die Sonne bereitet sich schon auf den Untergang vor und wir haben ja noch 10 km vor uns. Müssen wir womöglich im Spreewald unterm Himmelszelt übernachten?

Die hilfsbereiten Radler haben sich mittlerweile auf ihren Heimweg begeben. Und wir sitzen in dem sich langsam leerenden Biergarten. Da taucht auch Paul wieder auf. Er meint, unser Schlauch sei nicht mehr zu reparieren, aber er hat noch einen alten, schon einmal geflickten Schlauch gleicher Größe mit passendem Ventil in seiner Werkstatt gefunden.

Schnell ist das Hinterrad wieder eingebaut. Natürlich gehen wir zunächst einmal mit Paul ein Feierabendbier trinken.

Ich möchte mich für Pauls Hilfe großzügig erkenntlich zeigen, denn eine Fahrt mit dem Taxi zurück zu unserem Stellplatz hätte uns aufgrund des großen Umweges auch eine Stange Geld gekostet. Doch Paul lehnt dies kategorisch ab. Dass wir das Feierabendbier bezahlen, das ist okay.

Wir lernen einen bescheidenen aber selbstbewussten Spreewaldgondoliere kennen, der ganz fest verwurzelt mit seiner Heimat ist, diese liebt, schätzt und pflegt. Wir vernehmen das Leuchten in seinen Augen, wenn er über seine Arbeit als „Fremdenführer“ spricht. Es ist ihm wichtig, den Gästen seine Heimat nahezubringen und gleichzeitig aber auch diese Heimat zu schützen. Denn, so sagt Paul,: „Unwissenheit zerstört.“ Da erleben wir auf einmal einen sehr tiefgründigen und nachdenklichen Paul, der sich sowohl um die Erhaltung des Naturreservats Spreewald als auch um den Erhalt der Lebensweise der Menschen und ihrer sozialen Verbundenheit Sorgen macht.

So ganz nebenbei erfahren wir, dass Paul, immer wenn er in Lübbenau ist, im Restaurant & Eiscafé Hanschick, gegenüber vom Busparkplatz einkehrt und dort gut bekannt ist. Wir waren auch schon da und die Sülze mit Bratkartoffeln ist uns in guter Erinnerung geblieben. Ich bin sicher, das liegt an den Spreewälder Gurken 😉 und an den Fähigkeiten des Kochs, denn die Gurkenremoulade war hervorragend. Wir haben erfahren, dass Paul ganz gern einmal einen guten Wein trinkt. So beschließen wir am nächsten Tag dort noch einmal einzukehren und für Paul die beste Flasche Wein, die wir an Bord haben als Dankeschön bei der Wirtin zu hinterlegen.

Lieber Paul, falls du das lesen solltest, nochmals unseren Herzlichsten Dank.

Mit dem Rad den Spreewald entdecken

Unsere Radtouren im Spreewald

Das obere Spreewaldgebiet (Lübbenau, Lübben und Burg) haben wir intensiv abgeradelt und unsere Touren haben wir dieses Mal mit GPS aufgezeichnet. Das E-bike oder Pedelec ist schon zu schnell. Wir, mit unseren Touren-Drahteseln, stellen fest, dass die weitläufige Landschaft zum „schnellradeln“ verleitet. Auf manchmal endlos langen Geraden hat man einen Fixpunkt am „Horizont“ im Auge und die unmittelbar an einem vorbeifliegende Landschaft, mit allen Einzelheiten, nimmt man nicht mehr war. Es ist eine Form der Achtsamkeit auch das unmittelbar Umgebende wahrzunehmen und die eigene Geschwindigkeit dafür zu reduzieren.

Es passiert uns nicht nur einmal, dass E-biker anhalten, weil wir angehalten haben. Wir haben Tiere oder interessante Fotomotive entdeckt die uns bei der langsamen Genussradlerei aufgefallen sind. Die E-biker bestätigen uns, wenn wir nicht angehalten hätten, dann wären sie achtlos vorbei- und weitergefahren. Hier im Spreewald ist langsamer manchmal mehr – so unsere Erfahrung. Wer also in den Spreewald fährt sollte sich etwas Zeit mitbringen.

Natürlich ist nichts gegen den sportlichen Aspekt einzuwenden, bei dem es um Messbares und Vergleichbares, um Kondition und Wettbewerb unter Gleichgesinnten geht. Wer aber das Naturerlebnis auskosten möchte, der ist langsam besser unterwegs.

Radrundtour 1: Lübbenau – Berg

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Aufgezeichet mit Locus Map

Es war geplant von Lübbenau über Lehde und Leipe durch das Herz des Oberen Spreewalds nach Burg zu fahren. Wegen Bauarbeiten an einer Brücke  kurz vor Leipe, müssen wir jedoch umkehren und über Boblitz und Raddusch nach Burg fahren. Von Burg fahren wir dann über Leipe und Boblitz wieder zurück zu unserem Ausgangspunkt in Lübbenau. Mit 48 km (ohne e-) für die erste Tour nicht schlecht. Die letzten 4 oder 5 km tun uns noch nicht Eingeradelten ganz schön in den Oberschenkeln weh. Wir haben den strammen Gegenwind doch ordentlich unterschätzt, der uns auf dem Rückweg entgegenbläst.

Wie abwechslungsreich diese Tour ist, lässt die nachfolgende Galerie nur erahnen. Wir treffen auf eine alte Bäckerei, wo es für uns Cappuccino und ein süßes Teilchen gibt. Uns begegnen Störche, denen wir bei der Brutpflege etwas zuschauen, große Rinderherden, die über das Grasland ziehen (es hat fast das Flair der Serengeti) und ganz unverhofft stehen uns am helllichten Tage zwei Rehe gegenüber.

Natürlich treffen wir auch immer wieder auf die Spree oder Spreekanäle. Und das Grasland verändert sich immer wieder von einem auf den anderen Kilometer.

Zu guter Letzt treffen wir noch auf eine eine Gießkännchensammlung, die im Garten eines Hauses aufgebaut ist. Von da an müssen wir gegen den strammen Wind ankämpfen, der uns dann gar heftig entgegenbläst. Die Aussicht, dass wir uns in die Campingstühle lümmeln können, wenn wir das letzte Stück nach Lübbenau überstanden haben, lässt uns noch mal kräftig in die Pedale steigen.

Radrundtour 2: Lübbenau – Lübben – Alt Zauche und zurück.

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Wir fahren von Lübbenau nach Lübben. Lübben trennt das Obere Spreewaldgebiet vom unteren Spreewald. Am Spreewaldhafen fallen uns erstmalig Kähne mit Außenbordmotor auf. In Lübbenau und Burg haben wir das noch nicht gesehen. Dort gibt es die Fortbewegung auf dem Wasser offenbar nur mit Muskelkraft.

Auf der 46 km langen Tour durchfahren wir eine sehr abwechslungsreiche Landschaft in der eine Menge Naturerlebnisse und -beobachtungen möglich sind. Voraussetzung ist langsames radeln und viel Aufmerksamkeit. Je nach Jahreszeit ist auch eine Menge für Hobby-Ornithologen und Tierfotografen dabei. Der Spreewald ist eine beliebte Sammlungs- und Zwischenstoppregion für Zugvögel. Der Spreewald scheint dafür ideal zu sein. Offenes Grasland, Feuchtwiesen, keine oder nur wenige Hochspannungsleitungen, viel Ungestörtheit und Weitläufigkeit und ein Nahrungsangebot dass den Scharen von Zugvögeln zur Verfügung steht. Neben dem zotteligen Griesgram begegnet uns nur noch ein einsamer Storch und eine Menge an „Kleingetier“

Die Geschichte Lübbens reicht bis in das 12. Jahrhundert zurück. Doch viele historische Zeugnisse aus der langen Geschichte fielen im 2. Weltkrieg den Kämpfen zum Opfer. Lübben würde zu ca. 85% zerstört. Es sind nur wenige historische Baudenkmäler erhalten geblieben. So ist eine eher modern anmutende Kreisstadt mit einzelnen historischen Gebäuden im Stadtbild entstanden. Der Marktplatz mit dem Rathaus (mit moderner Architektur) wirkt auf uns noch am ansprechendsten.

Die Landschaft und das Naturerlebnis hat für uns den größeren Reiz als die Stadt und so machen wir uns recht schnell wieder auf den Rückweg.

Unkommentiert möge die folgende Foto-Galerie unsere Eindrücke illustrieren:

Zurück geht es über Alt Zauche einem kleinem Ort am Rande des inneren Spreewalds. Von dort aus war geplant, über Wotschofska und Lehde nach Lübbenau zurückzufahren. Eine Reifenpanne verhinderte jedoch diesen Weg. Bei einer Wanderung haben wir Wotschofska dann doch noch besucht. Dieses Spreewald-Gebäudeensemble Ist heute ein Ausflugslokal und Biergarten, das sowohl von den Kähnen, als auch von den Kajak- und Kanufahrern gerne angesteuert wird. Den Krimifreunden wird diese Kulisse vielleicht bekannt vorkommen, denn einige Szenen wurden und werden hier für den Spreewaldkrimi gedreht. Ich kann das nicht beurteilen, denn ich bin kein (Fernseh)krimiserienfreund. Um ehrlich zu sein, ich wusste nicht einmal, dass es einen Spreewaldkrimi überhaupt gibt, bis ich das auf einer Hinweistafel gelesen habe.

Radtour 3: von Lübbenau ins ehemalige Bergbaugebiet.

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Wir wollen nun einmal weg aus dem Touristengebiet und sehen, wie es an einem inzwischen stillgelegten Tagebergbau aussieht. So fahren wir in südwestlicher Richtung entlang des Lichtenauer Sees. Das „große Loch“ ist schon geflutet, aber die Renaturierungsarbeiten (oder sollte ich besser „Landschaftsgestalltung“ sagen) sind wohl noch lange nicht abgeschlossen. Die kleinen Orte, durch die wir fahren, erinnern mich an Bilder aus dem ländlichen Polen oder auch an Orte in der Pusta in Ungarn. Auf dieser Tour sind wir fast vollständig allein. Außer zwei Radlerpaaren, die wir sofort als Touristen identifizieren können, begegnen uns keine weiteren Personen. Es wirkt fast wie ausgestorben. Dafür haben wir die Bekanntschaft mit einer Waschbär-Familie gemacht. Waschbären haben wir hier nicht erwartet. So schnell, wie sich die putzigen Tierchen bei unserem Anblick verkrümelt haben, habe ich die Kamera nicht startklar bekommen.

Sehr spannend sind diese 31 km nicht. Wir können uns aber vorstellen, wenn die Renaturierung abgeschlossen ist und sich eine Infrastruktur für Naherholung und Tourismus entwickelt hat, dass dieses Urteil sich verändert. Wer einfach nur eine einsame Strecke zum Radfahren oder Joggen im Grünen sucht, der ist heute schon gut bedient.

Und weil es gerade so schön warm ist genehmigen wir uns am Marktplatz in Lübbenau ein sehr wohlschmeckendes Eis aus einer regionalen Eismanufaktur.

Radrundtour 4: Durch den inneren Oberspreewald

Eine etwas kürzere Tour mit ca. 18 km führt uns durch den Inneren Spreewald und über Boblitz wieder zurück nach Lübbenau. Einfach etwas Genussradeln durch den „Grünen Urwald“ an der Spree. Die Eindrücke links und rechts des Weges wirken auf uns wie eine undurchdringliche „grüne Hölle“. So stelle ich mir es irgendwie im Amazonasgebiet vor. Scheinbar undurchdringlich, feucht und sumpfig, abenteuerlich und geheimnisvoll – nur eben kleiner als am Amazonas. Nur große wilde gefährliche Tiere oder gar Piranhas haben wir nicht gesehen, außer ein paar wilden E-Bikern, vor denen man sich tunlichst auf den schmalen Wegen in Acht nehmen sollte. 😜

Radrundtour 5: Um den Oberspreewald herum.

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Mit 50 km  ist diese Tour unsere Längste. Größere Teile sind wir schon gefahren. So findet diese Tour eher unter dem sportlichen Aspekt statt. Sie führt uns von Lübbenau über Alt und Neu Zauche nach Straupitz. Diese beiden Orte haben wir bis dato noch nicht gestreift. Von dort fahren wir über Raddusch und Boblitz, das wir schon kennen gelernt haben, wieder zurück. Auf dieser Tour sind wir fast ausschließlich am Grenzbereich zwischen dem eigentlichen Spreewald und dem, den Wald umgebenden Grasland unterwegs.

Der Spreewald: Eine alte Kulturlandschaft entdecken

Wasser„straßen“ im Spreewald

Diese alte Kulturlandschaft hat für uns drei wesentliche Dimensionen – Das umgebende weitläufige Grasland, den bewaldeten inneren Spreewald mit den Wasserläufen der Spree und den kerzengerade verlaufenden Kanälen – die hier Fließ genannt werden, und die Orte und Behausungen die der Lebensmittelpunkt der Bewohner im Spreewald sind, nebst ihrer durch die Landschaft geprägte Lebensweise.

Lehde das Museumsdorf

Mitten im Spreewald liegt ein Ort, der lange Zeit nur mit dem Kahn erreichbar war. Lehde ist heute ein unter Denkmalschutz stehendes Gebäudeensemble, dass man durchaus als bewohntes Museumsdorf bezeichnen kann, das in seinem Kern ein Freilandmuseum beherbergt. Wer gerne in vergangene Zeiten eintaucht, der bekommt im Freilandmuseum eine Menge geboten.

Heute leben noch etwa 130 Menschen in diesem Ort, der zu einem nicht unbedeutenden Teil vom Tourismus lebt. Aber auch nebenerwerbliche Fischerei, was vor langer Zeit die Haupterwerbsquelle war, und Gemüseanbau sind heute noch Bestandteil des örtlichen Lebens und Wirtschaftens. Es soll sogar noch einen Kahnbauer geben. Nahezu jedes Grundstück hat Zugang zur Spree oder zu einem Spreekanal. Lehde ist also eine Art Süßwasservenedig und ist entweder zu Fuß oder mit dem Kahn erreichbar. Es ist auch möglich mit dem Fahrrad hin zu fahren, aber gerade die E-Biker sollten sich bewusst sein, dass die Brücken die über die Kanäle führen sehr steile Auf- und Abgänge haben, die das Schieben der Fahrräder nicht gerade einfach machen. Schon mit normalen Fahrrädern sind diese Brücken für manch ungeübten Zeitgenossen und für kleinere Kinder eine Herausforderung.

Kahnfahren: die Spreewälder Hauptattraktion

Überall, wo die Spree oder die kerzengerade verlaufenden Spree Kanäle, auf Besiedelung treffen, sind Häfen und bei größeren Ansiedlungen kleine ‚Hafengebiete‘ entstanden. Hafengebiet ist vielleicht etwas übertrieben. Es sind Anlegestellen für die Spreewaldkähne.

Das Kahnfahren mit Touristen, ist eine Erfindung des modernen Tourismus. Früher, so nehme ich einmal an, war der Kahn das wichtigste Transportmittel für Güter die hier produziert wurden. Heute wird eine ganze Busladung auf zwei oder drei Kähne verteilt, mit einem Spree-Gondoliere als Fremdenführer. Während der Fahrt vermittelt er allerhand Wissenswertes, während er seine Gäste von einem Hafen zum nächsten und in die dortige Gastronomie schippert.

Es scheint sogar so etwas wie einen öffentlichen Nahverkehr auf der Spree zu geben. Das Haltestellenschild des Spreewald-Express weist deutlich darauf hin.
Auf dem Bild des Haltestellenschilds sieht man im Übrigen die typische Tracht der Spreewälderinnen. Wir haben diese Tracht nur zwei mal in Natura gesehen. Da war aber die Kamera nicht mit dabei, bzw. nicht einsatzfähig. 😢

Die Alternative zum Kahnfahren

Wem das zu gruftihaft, kaffeefahrtenhaft oder schlicht zu langweilig ist, der kann auch mit einem Kanu oder Kajak die Welt der Spree und der Spreekanäle entdecken. Vor allem die jüngeren unter den Besuchern des Spreewalds wählen diese Variante. Auch bei Familien mit kleineren Kindern ist diese Variante der Fortbewegung recht beliebt. Ein Hauch von Abenteuer verspricht dabei ein Picknick an einem der Anlandungsplätze oder an den Schleusen der Kanäle.

Ab und an begegnet man auch echten Kanuwanderern, die mit kleinem Zelt und Gaskocher im Spreewald von Campingplatz zu Campingplatz oder Übernachtungswiese unterwegs sind.

Radfahren im Spreewald: nicht nur eine beliebte Freizeitbeschäftigung

Wie wir erfahren, nutzen auch die Spreewälder, zumindest im Kernbereich, sehr gerne das Fahrrad, da doch eine ganze Menge von Verbindungswegen für den allgemeinen Verkehr gesperrt sind. Und wer durch das innere Spreewaldgebiet auf die andere Seite der Spree möchte muss mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln recht große Umwege in Kauf nehmen.

Der Spreewald bietet eine Vielzahl von möglichen Radtouren an, die auch in den meisten Fällen ordentlich ausgeschildert sind. Aus der Vielzahl von Möglichkeiten, und von den Fremdenverkehrsämtern vorgeschlagenen Touren, lassen sich für jeden Geschmack kurze bis sehr langen Touren zusammenstellen. Den Schwierigkeitsgrad würde ich eher auf leicht bis mittel einstufen, denn das ganze Spreewald Gebiet bietet nur wenig Höhenunterschiede. Gerade für nicht so geübte Radfahrer ein ideales Gebiet wieder etwas „Fahrradkondition“ aufzubauen. Auch für Familien mit Kindern ist das Spreewaldgebiet zum radeln recht gut geeignet.

Die von den Touristinformationen kostenlos zur Verfügung gestellten Radwandervorschläge sind, was die Karten anbetrifft, zu ungenau und stimmen mit der Beschilderung nicht immer überein.

Wir empfehlen entweder eine detailreiche professionelle, aber kostenpflichtige, Radwanderkarte, oder eine Radwander-App wie z.B. locus map oder komoot, mit denen wir gute Erfahrungen gemacht haben.

Sonst, so ist es uns passiert, kann es sein, das ein Schild die Entfernung z.B. nach Lübben mit 8 km angibt. Das nächste Schild, dass wir entdecken, weist dann aber eine Entfernung von 12 km aus. Entweder wir haben eine Abzweigung verpasst, oder?…

Den nicht so arrivierten Radlern sei noch der gute Rat mitgegeben, immer einen passenden Ersatzschlauch und eine geeignete Luftpumpe, plus Werkzeug dabeizuhaben. Es kann, sollte es doch einmal zu einem Platten kommen, ein recht weiter Weg sein bis zu einem Ort, an dem man professionelle Hilfe bekommen kann. Darauf zu hoffen das andere Radler Notfallreparaturset, Werkzeug und passende Luftpumpe dabei haben, ist so naiv, wie auf einen Lottogewinn zum Ausgleich des voll ausgeschöpften Disporahmens zu spekulieren. Wir haben es selbst erlebt.😎

Eine unerwartete Begegnung

Wir sind mit dem Rad an einem Spreewaldkanal unterwegs. Wir passieren gerade eine Spreewaldschleuse, als wir ein herzzerreißendes Schreien einer Frau unten vom Kanal vernehmen. Mir schießt sofort der Gedanke in den Kopf, da ist beim Schleusen ein Kind aus einem Boot gefallen und die erschrockene und besorgte Mutter reagiert mit hysterischem Gekreische.

Vollbremsung, runter vom Rad, Rad umdrehen und abstellen – Lage sondieren. Ich sehe eine junge Frau kreischend und wild gestikulierend in einem 2er-Kajak sitzen. Dahinter ein junger Mann, der langsam paddelnd das Kajak zurück zum Steg manövriert. Das freudige Gesicht der jungen Dame passt so überhaupt nicht zu meinem Bild im Kopf.

WoMoline hat mittlerweile die Situation gecheckt und ruft: „Hallo Kathi was machst du denn hier?“

Ich bin noch immer nicht im Bilde. Hää wer? Kathi – kenne keine Kathi – oder doch?

Ganz langsam geben mir meine Gehirnwindungen einen Tipp. Eine von WoMolines Nichten heißt so. Ja, und die überschwängliche Freude, die ich irrtümlich als Panikreaktion interpretiert habe, passt zu WoMolines Nichte, die wir nun schon seit drei oder vier Jahren nicht mehr gesehen haben, weil sie in der Welt unterwegs war.

Wir wussten nichts von ihrem Hier-Sein, und sie wusste nichts von unserem Aufenthalt im Spreewald. Und genau in den drei Sekunden, als wir an der Schleuse mit den Fahrrädern vorbeifahren, fährt WoMolines Nichte mit ihrem Freund aus der Schleuse heraus und sieht und erkennt uns. Unglaublich, unvorstellbar.

Die Welt ist doch oft viel kleiner als wir denken.

Natürlich feiern wir an einem der folgenden Abende dieses unerwartete Wiedersehen beim Grillen mit Spreewaldgurken und Rotwein verkosten.