Senftenberg: Eine Urlaubsregion entsteht.

Auf dem Weg vom Spreewald nach Dresden, von wo aus wir ins Elbsandsteingebirge fahren wollen, machen wir einen Zwischenstopp in Senftenberg. Senftenberg liegt im Lausitzer Seenland. Dieses Seenland ist, bzw. wird das größte künstlich geschaffene Seengebiet Europas. Was uns hier erwartet? Keine Ahnung!

Als ahnungsloser Wessi hat man vom Braunkohletagebau gehört. Und dass dieser aus Umweltschutzgründen so schnell wie möglich stillgelegt werden soll, das weiß man auch. Wenn man nicht aus einer Tagebergbauregion kommt, hat man nur eine sehr diffuse Vorstellung, was das für eine Region und ihre Menschen bedeutet. Einen ersten Vorgeschmack auf das, was nach dem Bergbau kommt, haben wir schon in Lübbenau bei einer Radtour in Augenschein nehmen können. Wie eine Renaturierung irgendwann mal aussehen könnte, kann ich mir in Lübbenau aber noch nicht wirklich vorstellen.

Bei einer Radtour rund um den Senftenberger See, können wir uns ein Bild von einer solchen Entwicklung machen. Hier ist man schon einen großen Schritt weiter.

Der geflutete Tagebergbau mit größeren Wasserflächen bietet sich als Freizeitzentrum für Wassersportler an. Denkt man eine Nummer größer, dann lässt sich ein ganz neuer Wirtschaftszweig im Bereich des Tourismus entwickeln. Genau das scheint man hier vor zu haben.

Am Stadtrand ist eine Art Steilufer entstanden, die in Teilen schon fast wie natürlich gewachsen aussieht. Auch der neue Stadthafen ist für Bootssportler attraktiv. Wassersport und Badeangebote haben sich rund um die Liege- und Freizeitwiesen etabliert. Auch zwei Wohnmobilstellplätze sind hier zu finden, die voll belegt sind. Wir sind überrascht wie viel touristisches Treiben hier stattfindet. Immerhin ist keine Schulferienzeit.

Einmal um den Senftenberger See

Wir übernachten auf einem Wohnmobilstellplatz etwas außerhalb. Von dort aus umrunden wir den Senftenberger See mit den Fahrrädern. Hier ist schon ein sehr gutes Radwegenetz entstanden. Das können wir an der guten Ausschilderung erkennen. Abzweigungen sind immer klar erkennbar. Wenn es überall so ist, dann reichen Übersichtskarten vollkommen aus, um sich sicher zu orientieren.

Zunächst führt uns unser Weg in die Stadt. Da wir wieder Proviant auffüllen müssen, freuen wir uns, dass Markttag ist.
Wie schon so häufig im Osten finden wir hier eine Marktstruktur vor, die wir bei uns nicht mehr kennen. In Süddeutschland findet sich eher der „Bauernmarkt“, angereichert mit Ständen weiterer Lebensmittel – von Brot über Honig bis zu Fleisch und Wurstwaren. Bekleidung, Schuhe oder Haushaltswaren sucht man bei uns meist vergeblich. Nicht so hier im Osten. Das erinnert uns sehr an die Wochenmärkte in Italien, wo man wirklich alles bekommen kann, bis auf lizensierte Produkte, wie Tabakwaren oder pharmazeutische Produkte.

Die Markttage bringen Leben in die Stadt. Für uns sind diese immer besonders interessant, denn wir können den Menschen, ohne neugierig zu wirken „aufs Maul“ schauen und den ungezwungenen, typischen Umgang miteinander beobachten. Und bevor wir uns umschauen, sind wir in ein Gespräch mit den Einheimischen verwickelt. WoMoline ist dafür Spezialistin. Sie hat auf diese Weise schon so manchen Insidertipp bekommen. 😊😘💖

Senftenberg hat sich schon zu einem Erholungsort entwickelt. Vieles ist instandgesetzt, aufgehübscht, und neu entstanden – wie zum Beispiel der Stadthafen. Um Senftenberg herum entsteht mit dem Lausitzer Seenland zwischen Berlin und Dresden eine neue Wasserlandschaft. Seit einigen Jahren erhält die ehemalige Tagebaulandschaft ein neues Gesicht mit tiefblauen Farbtupfern. Es entsteht die größte zusammenhängende Seenlandschaft Europas mit insgesamt 23 größeren Seen.

Wir verlassen Senftenberg. Die verschiedenen Seen, die hier entstehen werden mit Kanälen verbunden, sodass ein Wasserstraßennetz entsteht. Wo erforderlich, gibt’s dann auch schon mal einen Bootstunnel.

Etwas weiter ist ein Ferienresort mit Clubcharakter entstanden, das sich wohl stark an der Zielgruppe Familie mit Kindern ausrichtet. Das riesige Areal, im Wald gelegen, bietet sowohl Camping, Mobilheime bzw. Ferienhäuser als auch ein Hotel an. Am Seeufer erinnert der Sandstrand an Klassiker wie Bibione oder Rimini. Es ist alles vorhanden was für einen Familienurlaub nötig ist. Wie für Cluburlaub typisch gilt: Einmal angekommen, braucht man das umzäunte Gebiet nicht mehr zu verlassen.

Es ist ein Touristik Konzept, dessen Vorbild aus Spanien, Italien, Türkei und Anderswo stammt. Nur die Anreise ist kürzer und der südländische Flair fehlt. Und der kilometerlange Strandspaziergang wird durch einen Zaun und ein Verbotsschild nach wenigen 100 Metern unterbunden.

Die Wege führen zum Teil sehr weit entfernt vom Ufer durch den Wald. Geschätzt, weit mehr als die Hälfte des Seeufers darf nicht betreten werden. Zum einen wurden Schutzzonen für Biotope ausgewiesen und zum anderen sind weite Bereiche der Uferzonen wegen instabilen Geländeformationen im Uferbereich abgesperrt. Wirklich attraktiv und abwechslungsreich ist, so weit entfernt vom Wasser, die Fahrt durch den Wald nicht.

Aber dann treffen wir auf ein kleines Areal, das ein Meer oder See-Feeling aufkommen lässt. Die Infrastruktur ist hier ein Toilettenhäuschen mit angeschlossener Imbissbude und so weit wir das beurteilen können drum herum wilde Parkerei an Straßenrand. Das hat schon etwas Nostalgisches und erinnert mich an meine Kindheit. Mit dem Käfer über den Großglockner nach Kärnten an einen See. Imbissbude war schon Luxus. Mehr brauchten wir nicht.

Es wird noch eine lange Zeit brauchen, bis aus diesem Gebiet eine wirkliche Ferienregion wird. Man kann alles Mögliche hinbauen, was für eine solche Ferienregion notwendig ist. Die Menschen aber in dieser Region sind geprägt vom Bergbau und der Energieerzeugung. Es wird sicher ein, zwei Generationen dauern bis die Produktionsmentalität sich in eine Dienstleistungs- bzw. Tourismusmentalität verändert hat. Der Unterschied zu einem traditionellen Tourismusgebiet, wie dem Spreewald, ist auf Schritt und Tritt spürbar. Solche Veränderungen gehen eben nicht von heute auf morgen.

Vielleicht ist es ja auch langfristig von Vorteil, sich nicht an Ballermann und Ischgl zu orientieren.

Kurz vor Beendigung unserer Rundfahrt begegnet uns an einem Campingplatz dieses Wohnwagengespann.

Nachdem wir hier, wie zuvor schon im Spreewald, die Erfahrung machen, dass nach dem langen Lockdown die Menschen einfach heiß auf Tapetenwechsel sind, geben wir das Ziel ins Elbsandsteingebirge zu fahren auf. Stattdessen machen wir uns am nächsten Tag auf, in Richtung Weimar und Erfurt.

Unser Kalkül: da, wo die Menschen, die jetzt in den Urlaubsgebieten sind, herkommen (die aus den Städten), dort müsste es doch angenehm ruhig sein. 😊

2020 – Ein „ausgefallenes“ Reisejahr

2020 war und wird in unserer Erinnerung im doppeldeutigen Sinne ein „ausgefallenesReisejahr sein und bleiben.

Egal von wo man mit dem Lesen beginnt – es ergibt immer einen Sinn

Zum einen waren so manche Touren einfach nicht möglich, und zum anderen wurden Reiseziele angesteuert, die wir vielleicht nie auf dem Plan gehabt hätten. Unschwer zu erraten: auch das Reisen hatte Corona in 2020 fest im Griff. 

Es fängt schon damit an, dass wir zum ersten Mal das Wohnmobil im Winter abgemeldet haben. Es ist noch Anfang Dezember 2019 als Europa noch glaubt, das Virus ist ganz weit weg und bedroht uns kaum. Der Grund für die Abmeldung ist auch nicht Corona, sondern, weil unsere Planungen und einige familiäre Verpflichtungen uns aufzeigen, dass es durchaus Mai oder Juni werden kann bis wir wieder Zeit haben, mit dem Wohnmobil wegzufahren.

Das hat uns zwar ein paar Euro Steuer und Versicherung gespart, doch als wir hätten wieder fahren können, bekommen wir keinen Termin zur Wiederzulassung unseres Wohnmobils. Alle Termine sind von Autohäusern und Zulassungsdienstleistern blockiert. Die aufgestauten Zulassungsaktivitäten aus der Lockdownzeit müssen erst einmal abgearbeitet werden. „Nicht so schlimm“ sagen wir uns, denn das Wetter spiel zunächst ohnehin nicht mit. 

Gewöhnen an Pandemiebedingungen

Dann ist es endlich soweit. Nummernschilder wieder gestempelt, die üblichen Wartungs- und Reinigungsarbeiten durchgeführt und das Wohnmobil eingeräumt. Es kann losgehen. Doch bei dem Blick auf unsere Wetter-App gibt’s nur lange Gesichter. Alle Zielregionen (und das sind eh nicht viele), die wir uns ausgedacht haben, locken nicht mit positiven Wetterprognosen. So wird die Wetter-App zum Reiseleiter. Der Reiseleiter sagt uns: „ab in den Osten“. Und in der Tat, er soll Recht behalten. Durch die Medien sind wir vorgewarnt, das die Gastronomen an der Ostsee einen Ansturm erwarten. Also entscheiden wir uns für ein, aus unserer Sicht, nicht so stark favorisiertes Ziel. Die Wahl fällt auf dem Spreewald, denn WoMoline will gerne in diese Ecke fahren. 

Dort angekommen, müssen wir feststellen, alle Wohnmobilstellplätze belegt. Auch auf den Campingplätzen in Lübbenau und Umgebung und in Burg ist nichts mehr zu machen. Leicht frustriert, aber immer noch frohen Mutes, fahren wir wenigstens einmal durch Lübbenau, um einen Eindruck von dem Ort zu bekommen. Ganz am Ende, da, wo es wieder zur Autobahn geht, sehen wir einen großen Platz auf dem viele Wohnmobile stehen. Keine der Apps die wir befragt haben, haben diesen Platz im Angebot. Kurzentschlossen gesellen wir uns zu den anderen Wohnmobilen. Es stelle sich heraus, dass das gar kein Wohnmobilstellplatz ist, sondern der Tagesparkplatz für Omnibusse. Doch jetzt, kurz nachdem Lockdown, haben die Reisebusunternehmer ihre Touren noch nicht verkauft. So sucht man vergebens nach einem Omnibus. Die Gemeinde freut sich, dass die Wohnmobilbesitzer nun die 12 € Tagespauschale bezahlen und man lässt die Wohnmobile, respektive ihre Besitzer gewähren. Der Stadtkämmerer freut sich.

Ungläubig schaue ich in die Runde. Sehr viele Wohnmobile sind vom neuesten Produktionsdatum. Nachdem wir mit einigen gesprochen haben wird uns deutlich, viele WoMos sind Wohnmobile, die seit dem letzten Herbst ausgeliefert wurden. 

Die Besitzer sind, seitdem es nun möglich ist, unterwegs auf ihrer allerersten Ausfahrt. Also ein Platz mit vielen Neulingen. Wir treffen auch zwei alte Hasen. Sie berichten, dass sie Rügen angesteuert haben, doch nach fünf Stunden Stau haben sie entnervt umgedreht. Wenigstens mit der Idee Ostsee haben wir alles richtig gemacht.

Uns wird klar, dass alle Wohnmobile, die normalerweise zu dieser Jahreszeit in Italien, Kroatien, Frankreich oder sonst wo sind, nicht zu Hause stehen, sondern sie sind in Deutschland unterwegs. Dadurch wird es auf den Wohnmobilstellplätzen und Campingplätzen eng. Die Stimmung unter den Reisenden ist aber durchweg positiv. Alle sind froh, dass sie nun endlich on tour sein können. Im Osten sind die Corona-Regeln zu dieser Zeit ohnehin etwas moderater. Die wirklich kritischen Gebiete liegen im Süden und Westen der Republik.

Nur eines ist anders: es gibt ein ganz neues Gesprächsthema und das beherrscht alles. 

Und das heißt: Corona. 

Egal wo und mit wem, es dauert nicht lange bis dieses Thema gestreift wird. Bei manchen ist es vielleicht nur eine sarkastische Bemerkung, bei vielen anderen ist es aber ein Bedürfnis, sich mit den Anderen darüber ausgiebig auszutauschen. 

Dem Thema entkommt keiner. Das wird sich auch im Laufe des restlichen Reisejahres nicht mehr ändern und ich fürchte es wird im Jahr 2021 auch nicht anders sein.

Azyklisch Reisen ist gar nicht so einfach

Nach ausgiebigen Radtouren im Spreewaldgebiet beschließen wir, uns Richtung Elbsandsteingebirge zu orientieren. 

Unsere Erfahrungen aus vergangenen Jahren helfen nicht wirklich weiter, denn alle verhalten sich nun anders als gewohnt. Dies erkennen wir bei einem Zwischenstopp in Senftenberg. Senftenberg liegt im ehemaligen Tagebergbaugebiet auf dem Weg nach Dresden. Hier wird die ganze Region zu einem Feriengebiet umgestaltet. Vorbild scheinen klassische Touristikzentren z.B. in Oberitalien und an der Adria zu sein. Und genauso geht es dort auch zu.

Wir beschließen, das von uns ins Auge gefasste Elbsandsteingebirge auf später zu verschieben, denn wir vermuten, dass es uns dort ähnlich ergehen wird wie im Spreewald und auch hier in Senftenberg.

Corona: das allgegenwärtige Phantom

Stattdessen wollen wir etwas für unsere Bildung tun und besuchen Weimar, Erfurt und Coburg. Zumindest in Weimar und Erfurt begegnet uns, ähnlich wie im Spreewald, ein etwas lockerer Umgang mit den Einschränkungen der Coronakrise. Die einzigen sichtbaren Merkmale sind Masken im Straßenbild und bei Bedienungen in Restaurants und hie und da Plexiglasschreiben in den Geschäften im Kassenbereich. Unser Eindruck ist: man hält sich einigermaßen an die von oben verordneten Vorgaben, aber wirklich überzeugt davon ist kaum einer. Mehrfach erleben wir folgenden Dialog:

„Haben Sie Corona?“
„Nein“ antworten wir,
„Kennen Sie jemanden, der Corona hat?“
„Nein“
„Sehen Sie, ich auch nicht.“ 

Corona wird fast zu so etwas wie einem Phantom. Man hört es nicht, man sieht es nicht. Auch beim Riechen und Schmecken – Fehlanzeige. Und doch ist Corona allgegenwärtig. Immer und überall.

In Coburg, wir sind schon in Bayern, wo die Infiziertenzahlen zu diesem Zeitpunkt deutlich höher sind. Dort werden die verordneten Maßnahmen deutlich ernster genommen. So zumindest unser Eindruck. Vielleicht liegt es an der Tatsache, dass die Medienberichterstattung in Bayern doch deutlich dramatischer gewesen ist als im Osten und sich das auf die Stimmung und Haltung der Bevölkerung auswirkt. Vielleicht hat die bayrische Staatsregierung auch deutlichere und schärfere Regeln vorgegeben, oder deren Einhaltung stärker überwacht. Ich weiß es nicht. Wir sehen auf jeden Fall deutlich häufiger ausgeschilderte Laufzonen mit Abstandsmarkierungen, Einbahnwegeregelungen nicht nur beim Freibad, strikte Befolgung von Besucherhöchstgrenzen usw.. Und wenn sich beim Anstehen für ein Eis to go doch Mal eine Nachlässigkeit einschleicht, dann wird der Regelbrecher mal höflich, öfter sehr bestimmt und manchmal auch richtig barsch auf seinen Regelverstoß hingewiesen.

Die scheinbar große Entspannung

Fünf Wochen später in der Ortenau. Temperaturen weit über 30 Grad, sinkende Coronafallzahlen, immer weniger Masken im öffentlichen Straßenbild. Wenn ich zum Einkaufen gehe, dann passiert es immer häufiger, dass ich aus dem Auto ohne Maske aussteige und dann noch mal umkehren darf. Toller Wein, wunderschöne Wanderungen an den Hängen des Schwarzwaldes und des Kinzigtals, Gaumenfreuden in der Restauration toller Hotels und bei Sterneköchen. Leben wie Gott in Deutschland, manchmal ganz kurz unterbrochen durch Maskenpflicht – z.B. beim Gang zu einem gewissen Örtchen. 

Das Ganze fühlt sich an wie das letzte Aufbäumen der Pandemie. Die hohen Temperaturen heizen dem Virus kräftig ein und erste Meldungen der Presse über Erfolge bei der Impfstoffentwicklung nähren die Hoffnung, dass es zum Ende des Jahres einen zugelassenen Impfstoff gibt. Keiner kann sich des Eindrucks erwehren, dass das die ultimative Allzweckwaffe im Kampf gegen die Pandemie ist und dem Virus den Rest gibt. Heute wissen wir, es wird anders kommen.

Warten auf normales Reisen

Wir hangeln uns am Rhein entlang immer weiter südlich Richtung Basel. Diesmal lassen wir den Kaiserstuhl rechts liegen, denn unser Weinlager im Wohnmobil ist übervoll. Irgendwann biegen wir nach links in den Hochschwarzwald ab. Wir fahren durch den Hochschwarzwald bis nach Bad Säckingen durch eine wunderschöne Landschaft. Menschen sehen wir nur Menschen, dort wo Gasthäuser links und rechts der Straße sind. Ansonsten sind wir, wenn wir stehen bleiben und beim Wandern weitestgehend allein. 

Erst auf unserer weiteren Strecke von Bad Säckingen den Rhein entlang bis kurz vor Schaffhausen holt uns das Thema Corona wieder ein.

Das bange Warten, ob Überwinterung im Süden möglich ist

Auf den Wohnmobilstellplätzen entlang des Rheins sehen wir auffallend viele Wohnmobile mit Schweizer Kennzeichen. Deutsche Kennzeichen sind schon fast Exoten. Wie sich herausstellt, sind das überwiegend Schweizer, die darauf warten, dass sie in Richtung Südspanien, Portugal oder sogar Marokko aufbrechen können. Sie warten auf sichere Indizien, dass, wenn sie einmal im Süden sind, nicht wieder wie im Frühjahr, mit Polizeigewalt und mit sehr engen Zeitvorgaben zur Heimfahrt gezwungen werden. Sie versammeln sich auf der deutschen Seite des Rheins, weil für Sie das Leben in Deutschland und die Wohnmobilstellplätze wesentlich günstiger sind als in der Schweiz. Tja von den reichen Schweizern kann man das Sparen lernen. 😉

Auf der ganzen Strecke von Bad Säckingen, Waldshut-Tiengen bis kurz vor Schaffhausen geht das Leben seinen gewohnt gemächlichen Gang. Dennoch bemerken wir zunehmend eine gewisse Skepsis der Menschen. Es kommt uns vor wie: „Es geht uns gut, alles funktioniert, aber wir trauen dem Frieden nicht so ganz.“

Wir wollten eigentlich noch bis Konstanz oder vielleicht sogar bis Meersburg weiterfahren, aber der Wetterbericht verheißt auf längere Sicht nichts Gutes. So entschließen wir uns, uns über die Autobahn in Richtung Norden abzusetzen. Bei einem kurzen Boxenstopp in Rottweil überholt uns dann das angekündigte Schlechtwetter und wir werden klitschnass. Trotz Regen, das Städtchen ist sehenswert.

Die Stimmung kippt

Mitte September waren wir u.a. im Blühenden Barock in Ludwigsburg. Die Stimmung ist noch wie vor kurzem am Rhein. 2 1/2 Wochen später, wir schreiben jetzt Anfang Oktober, starten wir zu unserer letzten größeren Fahrt im Jahr 2020. Startpunkt ist dieses mal Idar-Oberstein. Diesen Ort wählen wir, weil in Frankfurt mittlerweile die Kontaktregeln im öffentlichen Bereich  deutlich verschärft sind. Nach dem Prinzip Vorsicht haben wir ein Wiedersehen mit einer Freundin, die mittlerweile in Frankfurt lebt, nach Idar-Oberstein verlegt. 

Über Königstein, Kelkheim und Idstein durchqueren wir dann den Taunus, bis wir bei Weilburg auf das Lahntal treffen. Von hier aus folgen wir der Lahn flussaufwärts. Über Wetzlar, Gießen und Marburg geht es weiter bis fast zu Ursprung der Lahn. 

Von Weilburg bis zum Lahn-Ursprung in der Nähe von Neften, wollten wir eigentlich überwiegend mit dem Fahrrad auf dem Lahntalradweg unterwegs sein. Das sehr durchwachsene Wetter lässt aber aus der geplanten Wohnmobil-Radtour ein Städte- und Wohnmobilstellplatz-Hopping werden. Über Siegen und Olpe geht’s ins Ruhrgebiet zum Familienbesuch. Der Heimweg führt uns dann über Kassel und Fulda zurück nach Franken.

Hätten wir die von uns wahrgenommene Stimmung in einer Fieberkurve aufgezeichnet, so wäre eine sich stetig beschleunigende Absturzkurve entstanden mit hartem Aufschlag am Ende unserer Reise.

Ab Wetzlar gibt es unter den Wohnmobilisten praktisch keine Kommunikation mehr. Jeder grüßt von Ferne und verkriecht sich so schnell wie möglich im Wohnmobil – und daran ist nicht nur das wechselhafte Wetter schuld. Das kleine Schwätzchen beim Ziehen des Parktickets, der Erfahrungsaustausch nach dem Stadtbummel, der Radtour, der Wanderung, der Smalltalk an der Entsorgungsstation, wird immer seltener und kürzer, je weiter wir gen Norden kommen. In gleichem Maße wird die Berichterstattung im Radio immer dramatisierender und hysterischer. 

Wir stellen auf Musikkonserven ohne Nachrichten um, um der Depressionswelle entgegenzuwirken, die so viele heimsucht. Den meisten der uns umgebenden Wohnmobilisten, als auch den Menschen, denen wir in den Städten und Ortschaften begegnen, ist diese Stimmung quasi unsichtbar auf die Stirn geschrieben. Die Stimmung schwankt zwischen Resignation und zunehmender Aggression.

Auch wenn wir alles tun, um uns diesem Stimmungsabsturz so gut es geht zu entziehen, ganz gelingt es auch uns nicht.

Als wir dann zu Hause ankommen, das Wohnmobil winterfertig machen und Ende November dann ins Winterlager fahren, da kommt uns ein Satz über die Lippen, den wir so in den vergangenen Jahren noch nie verspürt oder gar ausgesprochen haben: „So, nun is gut“

Wir brauchen Urlaub vom Reisen. Das hätten wir uns nie träumen lassen. Doch Corona macht’s möglich.

Gibt es ein Fazit?

Kurz und knapp. Nein, ein Fazit gibt es nicht.

Wollte ich eines ziehen, dann müsste ich eine Menge von Fakten und Ereignissen adressieren, die zwangsläufig viele öffentlich auftretenden Personen blamieren würden.

Das wird aber der Sache nicht gerecht. Ich habe große Achtung vor der Verantwortung, die viele dieser Personen tragen und versuchen, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Auch wenn immer wieder einzelne Personen versuchten, persönliche Interessen mit ihrem Auftrag zu verbinden, oder gar ihren Auftrag und ihre persönlichen Interessen verwechseln, so muss man allen zugestehen, dass der Panikmodus der nahezu alle Lebensbereiche infiltriert hat, auch diesen Verantwortungsträgern die Sicht und Urteilsfähigkeit vernebelt. Auch sie sind nur Menschen.

Tauschen möchte ich da mit keinem.

Eine Prognose wage ich aber doch:

Wer so wie wir, mit dem Wohnmobil reist, ist darauf angewiesen, dass die Menschen in den Zielregionen und die anderen Reisenden mit Fröhlichkeit, Zuversicht und Offenheit einem gegenübertreten, genauso wie wir dies gegenüber unseren Gastgebern und Mitreisenden tun und tun wollen. Nur so wird aus einer Reise ein unvergessliches Erlebnis. Leider wurde durch diese Coronapandemie viel von dieser Basis zerstört und es wird eine längere Zeit brauchen bis diese Kollateralschäden beseitigt sind. 

Aus dem Gesagten leitet sich vielleicht doch noch ein Fazit ab:

Es wird noch viel mentale Arbeit bei Reisenden und bei Gastgebern zu leisten sein, bis das Reisen (z.B. mit dem Wohnmobil) wieder eine solch freudvolle Angelegenheit sein wird, wie wir das in den letzten acht Jahren erlebt haben. Jeder ist aufgerufen seinen Beitrag zu leisten, indem jeder wieder mit Neugier und Empathie auf die Mitmenschen zugeht und die Angst vor Nähe (Ansteckung) überwindet.

Beschaulichkeit im Norden Brandenburgs

Werder an der Havel ist nicht weit weg von Schloss Sanssouci. Als wir das letzte Mal in Berlin waren, haben wir auf der Rückfahrt Potsdam und dieses Schloss besucht, aber die Zeit, die uns zur Verfügung stand, war viel zu kurz. So überlegen wir, ob das eine Gelegenheit wäre dies nachzuholen. Nach kurzer Überlegung befinden wir aber einstimmig: Uns steht jetzt der Sinn nicht nach Preußen und geschichtspolitischen Geistesergüssen.

Also fahren wir weiter nach Fürstenberg. Wiesen und Felder säumen unseren Weg. Und – immer wieder Alleen. Die Alleen scheinen ein Kennzeichen der Verbindungswege in dieser Region zu sein. Sie spenden Schatten, sorgen für einen Windschutz und geben in diesem flachen Land Orientierung.

Fürstenberg/Havel ist eine Stadt an der Oberhavel und liegt im Norden Brandenburgs. Wegen der Vielzahl an Seen, Flüssen und Bächen, die die Stadt prägen, führt Fürstenberg auch die Zusatzbezeichnung Wasserstadt. Es gibt gleich drei Stadtseen, die alle irgendwie mit einander verbunden sind. Fürstenberg ist landschaftlich idyllisch gelegen wie wir bei der Anfahrt feststellen können. Der Ort selbst wirkt eher beschaulich und schön renoviert. Sonst scheint es nicht allzu viel zu sehen zu geben. Der Bär tobt woanders. Den Schildern nach zu urteilen, ist dieses Gebiet ein gut erschlossenes Radwandergebiet. Ebenso dürfte Flusswandern mit Kanu oder Kajak, wie wir beobachten können, hier im Trend liegen. Abseits der großen Touristenströme kann man sicher gut seine Seele baumeln lassen. Wie das allerdings ist, wenn am Wochenende die Berliner „einfallen“, Berlin liegt schließlich nur einen Katzensprung entfernt, weiß ich nicht. Nichts lässt darauf schließen, dass es hier zugeht wie im Falle Münchens am Starnberger See, oder am Tegernsee.

Wir fahren nach einem Stück Kuchen und einem Cappuccino weiter nach Neustrelitz, denn wir sind ja noch nicht in McPom, sondern am nördlichen Ende Brandenburgs.

Wie die italienische Finanzpolizei unsere Reisepläne durchkreuzt

Wir haben nördlich von Roms Flughafen bis hinauf nach Santa Marinella eine ganze Reihe von Wohnmobilstellplätzen direkt am Meer ausfindig gemacht. Doch welchen wir auch immer ansteuern, alle Einfahrttore sind geschlossen, niemand da. Ja, die Feriensaison ist vorbei. Wir können uns aber nicht vorstellen, das jetzt schon um Rom herum, total tote Hose ist. Gut, es ist 12 Uhr vorbei und es könnte ja Siesta sein. Doch dort wo Badebetrieb herrscht, haben wir so etwas noch nicht erlebt.

Dann füllen wir eben erstmal im nächsten Conad Superstore in Ladispoli unsere Vorräte und unseren Kühlschrank wieder auf und hoffen darauf dass wir etwas später mehr Glück haben.

Wir Rumpeln wieder die Küstenstraße entlang, die mehr aus Schlaglöchern besteht als aus Fahrbahnbelag. Hier sollen sich gleich vier Wohnmobilstellplätze in Meeresnähe befinden. Hurra, gleich beim ersten ist das Tor geöffnet. Wir fahren hinein doch alles sieht leer aus. An den Dünen steht ein größeres Holzhaus und daneben liegen viele Sportboote auf dem Sand. Sonst ist nichts zu sehen, alles ist ruhig. Komisch!

Wir fahren weiter in das Areal hinein. Auf einmal kommt uns ein korpulenter Herr mittleren Alters entgegen, der uns wie ein Flugfeldlotse auf einem Flughafen mit sich überkreuzenden Armbewegungen signalisiert, dass wir anhalten sollen. Wir haben verstanden, drehen um und verlassen das Gelände wieder. Die Szenerie wiederholt sich fast identisch auch am nächsten Platz. Der übernächste Platz ist verrammelt wie schon zur Mittagszeit. Wir rumpeln weiter über die reparaturbedürftigen Küstenstraßen zum nächsten Platz. guardia_di_finanzaAuch hier wieder geöffnet, aber niemand da. An den vorangegangenen Plätzen war uns ein kleiner weißer Zettel an den Informationsschildern an den Zufahrtstoren aufgefallen, den wir aber bisher keine Beachtung geschenkt haben. WoMoline steigt aus um Informationen über das, was hier vorgeht, zu erhalten. Den Text versteht sie nicht, aber die Unterschrift ist eindeutig: Guardia di Finanza

Die italienische Finanzpolizei, Guardia di Finanza, ist zuständig für das Thema Steuerhinterziehung in Italien. Schon seit vielen Jahren versucht die italienische Finanzpolizei durch Zuordnung von Luxusgütern, wie z.B. sündhaft teuren Sportwagen, Sportbooten und Freizeityachten, wertvollem Schmuck der z.b. bei Casinobesuchen oder Kulturveranstaltungen getragen wird, nachzuweisen, dass diese Güter mit dem bei den Finanzbehörden angegebenen Einkommen nicht hätten bezahlt werden können. guardia-di-finanza-autoAuf diese Weise versucht die Finanzpolizei Steuerhinterzieher dingfest zu machen. Dazu werden immer wieder an geeigneten Orten entsprechende Razzien durchgeführt. Davon war schon immer mal wieder in den Medien zu lesen. Ganz offensichtlich sind wir in eine solche flächendeckende Razzia geraten, bei der alle Strandbäder eines Küstenabschnitts, die auch Sportboote in Verwahrung haben, gleichzeitig von den Finanzbehörden „besucht“ werden.

Wir entscheiden uns keine weiteren Experimente zu machen. Wir fahren zum Braccianosee und hoffen auf eine ähnlich schöne Zeit, wie wir sie in Bolsena hatten.

Braccianosee 1

 

Das antike Rom (1)

Wer sich mit Rom beschäftigt, dem kommt auch immer das alte, das antike Rom in den Sinn. Das Bild über das antike Rom in unserem Kopf ist geprägt durch den Geschichtsunterricht, den wir in der Schule alle genießen durften. Ebenso haben die, in den Medien verbreiteten Bilder der stummen Zeugen aus Stein der römischen Geschichte, wie z.B. das Colosseum, unsere visuelle Vorstellung vom alten Rom geprägt. Noch viel mehr prägend sind die Bilder in unserem Kopf von Geschichten über „Cäsaren“, römische Stadthalter und Feldherren, Senatoren, Prätorianern und Gladiatoren, wie sie uns immer wieder durch Hollywood mehr oder weniger realistisch präsentiert werden.

Wer kennt sie nicht die Blockbuster: „Quo Vadis?“ mit Peter Ustinov oder „Ben Hur“ mit Charlton Heston in den Hauptrollen? Wer kennt es nicht, das in der Filmgeschichte berühmt gewordene Wagenrennen in dem Monumentalfilm Ben Hur? Im antiken Rom wurden diese Rennen im Circus Maximus zur Volksunterhaltung veranstaltet. Die in Hollywood filmisch aufbereiteten Bilder lassen uns glauben, dass zu damaliger Zeit die Pferderennen ein wesentlich dramatischeres Spektakel waren, als es bei den heutigen Veranstaltungen in Baden-Baden Iffezheim, Berlin Hoppegarten oder in Ascot in zu beobachten ist.

Rom 10 Circus MaximusAuf einem unserer Streifzüge durch Rom sind wir auch an diesem Circus Maximus vorbeigekommen. Mein Bild von der Arena ist natürlich ganz klar von dem erwähnten Film „Ben Hur“ geprägt. Doch als wir das Gelände in Rom bei 35 Grad ablaufen, bekommen wir erst einen Eindruck, wie riesig dieses Veranstaltungsgelände für die damalige Zeit war. Diese Weitläufigkeit hätte ich nach dem filmischen Vorbild nicht erwartet. Auch das Forum Romanum, das sich vom Circus Maximus bis hin zum Colosseum erstreckt, hat riesige Ausmaße; auf jeden Fall größer als ich mir das vorgestellt habe.

Wir hatten schon zu Beginn unserer Reise entschieden, dass wir das antike Rom nur streifen wollen, um einen kulturhistorischen Bulimieanfall vorzubeugen. So belassen wir es bei einigen visuellen Eindrücken.

Zum Glück gibt es da ja Heinz und Christine. Die haben bei ihren Streifzügen einen Monat später das antike Rom genauer unter ihre Lupe genommen.

Unter der Überschrift: Über sieben Hügel musst du gehen beschreiben Heinz und Christine einen Teil des antiken Roms:

Das weiß wohl jeder: Das antike Rom erstreckte sich über sieben Hügel. Ihre Namen kennt sicher nicht jeder: Palatino, Capitolino, Aventino, Celio, Esquilino, Viminale, Quirinale. Die Fläche dieses antiken Stadtgebiets beträgt 143 Quadratkilometer, wogegen die Gesamtfläche Roms heute 1285 Quadratkilometer beträgt. Was auch jeder weiß: Rom wurde der Sage nach von Romulus und Remus gegründet. [weiterlesen]

In einem weiteren Beitrag beschäftigen sich Heinz und Christine mit dem Monte Paladino und dem Forum Romanum bishin zum Colosseum unter dem Titel:
Zum Nabel der Welt

wandern wir von der Keimzelle Roms auf den Palatin hinunter zum Forum Romanum. Dort erstreckt sich im 7. Jahrh. vor Christus zwischen dem Monte Palatino und dem Monte Capitolino eine sumpfige Ebene. Zunächst werden hier die Toten begraben. Doch 600 vor Christus beginnt der römische König Lucius Tarquinius Priscus mit dem Bau der Cloaca Maxima. [weiterlesen]

 

Rom – Kirchen, Kirchen, Kirchen

Wer nach Rom fährt der kommt an der Besichtigung einiger Kirchen nicht vorbei. Die berühmteste und größte ist unbestritten Sankt Peter im Vatikan, der im deutschsprachigen Raum meist Petersdom genannt wird oder auch Basilica Sancti Petri in Vaticano, Petersbasilika, vatikanische Basilika oder Templum Vaticanum genannt wird.  (Mehr dazu zu lesen gibt es z.B. bei Heinz und Christine von der Anima Mea [weiterlesen…]. Darüber hinaus gibt es so viele Kirchen in Rom, dass man schnell den Überblick verliert.

Auf unseren Streifzügen durch Rom, haben wir in eine ganze Reihe von Kirchen hineingeschaut, eine „Must-See-Liste“ hatten wir aber nicht. Und zu jeder gäbe es etwas zu erzählen. So viel Prunk und Pracht in einer Stadt haben wir noch nie gesehen. Uns quellen die Augen über. Auch wenn ich mir immer wieder vor Augen halte, dass mit einer kurzen Unterbrechung Rom seit rund 1700 Jahren unbestritten das Zentrum christlich-geistlicher Macht ist und mit dieser Macht riesige Vermögen angehäuft wurden (die Kurie soll angeblich mit Abstand größter Immobilienbesitzer in Rom und Italien sein), so bin ich trotzdem erstaunt, wie die Menschen mit der damaligen Technik diese Masse an Kunstwerken bauen und so vollendet ausgestallten konnten.

Wir wollen uns hier nur auf ein paar wenige konzentrieren.

Santa Maria in Trastevere

Rom 6-1 - TravestereTravestere gilt als der volkstümlichste Stadtteil von Rom. Travestere erstreckt sich vom südlichen Tiberknie bis zum Hügel Gianicolo auf dem rechten, dem westlichen Ufer des Tibers. Sehr viele alte Wohngebäude und enge Gassen machen diesen alten Stadtteil, der den meisten Vierteln des historischen Stadtzentrums Roms auf der rechten Tiberseite gegenüberliegt, zum Magneten für Touristen.

In den alten Gemäuern in Trastevere haben sie viele Gastronomiebetriebe neben anderen kulturellen Angeboten angesiedelt. Auch viele Studenten sind in diesem Viertel anzutreffen, denn der Botanische Garten (Eintritt 8 €) der von der Universität betrieben wird und einige akademische Institute sind ganz in der Nähe. Diese einmalige Mischung aus ehemaligem Arbeiterviertel, Szenequartier und Altstadtflair unterscheidet die Atmosphäre zum gegenüberliegenden Tiberufer. Auf der anderen Seite des Tibers spürt man in verschiedenen Ausprägungen das Flair einer Metropole, eines Zentrums der Macht und die Erhabenheit der Selbstinszenierung der Reichen und Schönen.
Trastevere war eines der Arbeiterviertel im alten Rom und war das Viertel der Ausländer und Randgruppen. Ursprünglich lebten dort viele Juden, später siedelten hier auch die ersten Christen Roms. So finden sich in Travestere viele Spuren frühchristlicher Kirchen und Versammlungsorte. In der Folgezeit blieb Trastevere das internationale Viertel Roms. Einwanderer kamen in dieses Gebiet, da es billiger war als die anderen Stadtviertel. Manche nennen Trastevere auch das Dorf in der Stadt.
Und in der Tat, der Flair dieses Stadtteils hat etwas dörfliches, etwas sympatisch provinzielles.

Hier steht die älteste Marienkirche der Welt – Santa Maria in Trastevere. Der Legende nach öffnete sich genau an jener Stelle 38 v. Christus eine Ölquelle, die die hier ansässigen Juden als Zeichen für die nahe Erscheinung des Messias deuteten. Rom 7 - Santa Maria in Trastevere 1Die Kirche selbst wurde 221 unter Papst Calixtus I. begonnen und dürfte auch der erste Ort gewesen sein, an dem die Christen öffentlich ihren Gottesdienst feiern durften. Der heutige Bau stammt aus dem 12. Jahrhundert, als Papst Innozenz II. den Vorgängerbau erneuern ließ.

Sehenswert im Inneren der dreischiffigen Basilika sind die Marmoreinlegearbeiten, auch Kosmatenarbeiten genannt, des Fußbodens sowie die teils vergoldete Kassettendecke. Die Mosaiken in der Apsis stammen aus dem 12. Jahrhundert und gehören zu den schönsten mittelalterlichen Mosaiken Roms.

Santa Maria Maggiore

Rom 8 - Santa Maria Maggiore 1 aussen
Die von Papst Liberius im 4. Jh. errichtete Kirche Santa Maria Maggiore gehört zu den größten Kirchen in Rom. Die Kirche ist exterritorialer Besitz des Vatikans

Es soll in Rom rund 80 Kirchen geben, die der heiligen Mutter Maria geweiht sind. Die größte und bedeutendste von ihnen ist die Kirche Santa Maria Maggiore. Sie gehört zu den 4 Hauptkirchen (Patriarchalbasiliken) Roms. Im Vergleich zum Petersdom im Vatikan ist diese Kirche aber nur ein „Kirchlein“. Trotzdem fühlt man sich im Kirchenschiff recht klein, wenn man seinen Kopf Richtung Decke hebt.
Die Gründung der Kirche geht auf eine Legende zurück, wonach im Jahre 352 sowohl Papst Liberius als auch einem reichen Kaufmann die Mutter Maria in einer Vision erschien und ihnen befahl, an der Stelle, an der es am folgenden Tag schneien würde, ihr zu Ehren eine Kirche zu errichten. Am nächsten Tag schneite es tatsächlich an der Stelle auf dem Esquilin-Hügel, auf dem heute noch Santa Maria Maggiore steht. Das soll angeblich Mitte August gewesen sein!

Die Kirche ist die einzige in der Stadt, in der nachweislich von ihrer Einweihung bis heute ununterbrochen jeden Tag die Heilige Messe gefeiert wird. Die äußere Fassade der Kirche stammt aus der Zeit des Barock. Die großen Schätze der Kirche sind aber die Mosaiken in ihrem Inneren. Einige davon stammen noch aus der Gründungszeit.

Weitere Informationen und Bilder finden sich auf den Seiten des Vatikan:
http://www.vatican.va/various/basiliche/sm_maggiore/ge/storia/interno.htm

Die Lateranbasilika

Rom 9 - Lateranbasilika 1 aussenDie Lateranbasilika, genauer gesagt die Basilica di San Giovanni in Laterano, gehört wie Santa Maria Maggiore ebenfalls zu den 4 Patriarchalbasiliken Roms, in denen es dem Papst vorbehalten bleibt vom Hauptaltar aus die Messe zu zelebrieren. Einst war dort der Sitz einer angesehenen römischen Patrizierfamilie, der Laterani. Daher auch der Name. Das Anwesen gelangte in kaiserlichen Besitz und der erste christliche Kaiser, Konstantin der Große, schenkte es im Jahre 312 den Christen, damit sie dort eine Stätte zur Ausübung der Gottesdienste einrichten konnten. Der Gebäudekomplex wurde immer weiter ausgebaut. Daran konnte auch die Zerstörung durch ein Erdbeben an der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert nichts ändern. Bis zum Jahre 1309, als die Päpste vorübergehend nach Avignon in Frankreich gingen, war der Lateran der Sitz der Päpste. Also so eine Art Ur- oder Früh-Vatikan. Da er bei der Rückkehr des Papstsitzes nach Rom 1377 in schlechter baulicher Verfassung war, wurde an seiner Stelle der Vatikan als neuer Papstsitz gewählt.

Von den großen und bekannten Kirchen in Rom, die wir besucht haben, gefiel mir die Basilica di San Giovanni in Laterano am besten. Diese Basilika wirkte auf mich heller und freundlicher. Das nimmt etwas von dem Erdrückenden des Prunks. Aber so etwas ist ganz klar Geschmacksache. Sehenswert sind alle. Bei einem Rombesuch sollte man sich bewusst sein, dass man sehr schnell an einen Punkt kommt, den ich als „geistigen „Kultur- und Betrachtungs-Overkill“ oder kurz als Kulturbolemie bezeichnen würde. Dagegen hilft nur:
1. länger in der Stadt bleiben und sich „Verdauungszeit“ gönnen und
2. die Weisheit „Weniger ist mehr“ immer im Auge behalten.

Rom 9 - Lateranbasilika 2 heilige Pforte 1

In dieser Kirche nutzen wir die Chance durch die „Heilige Pforte“ zu schreiten, die nur aller 25 Jahre geöffnet wird oder wenn der Papst ein außerordentliches Heiliges Jahr ausruft, was 2016 schon nach 15 Jahren der Fall war. Rom 9 - Lateranbasilika 3 heilige Pforte 2Angeblich befreit das von allen Sünden. Ein kostenloser Ablass, sozusagen. Also habe ich mich gleich drei mal angestellt um die Heilige Pforte zu durchschreiten. Einmal für mich, einmal für meine Mutter und ein drittes mal, denn doppelt genäht hält besser!
So, nun sind wir sündenfrei!!!!

Können wir nun wieder die Sau rauslassen?

Vaticano International Airport (VIA) – Runway to Heaven

Für den Vatikan haben wir uns einen ganzen Tag auf unserer Reise reserviert. Es ist Mittwoch. Woran wir an diesem Tag nicht gedacht haben ist, dass Mittwochs immer die Generalaudienz auf dem Petersplatz stattfindet, sofern der Papst in Rom weilt. Dann ist eine Besichtigung des Petersdoms nicht vor 13 Uhr oder 14 Uhr möglich. Das hatten wir bei unserer spontanen Entscheidung am Morgen nicht auf dem Schirm. Schon in der Metro Menschenmassen ohne Ende. Nach dem Verlassen der U-Bahn werden wir in einem Strom von Besuchern förmlich in Richtung Vatikan geschoben. Mir ist das schon unangenehm. Es gibt keine Chance den Verkäufern von Besichtigungstouren zu entgehen. Zielsicher sprechen diese Verkäufer in der korrekten Muttersprache ihre „Opfer“ an, denen sie einen Exklusivzugang zum Petersdom nach 14 Uhr und zu den Vatikanischen Museen suggerieren – für 120 € versteht sich. Einer der Verkäufer versucht uns sogar weiszumachen, dass die Sicherheitsleute, die den Zugang zum Petersplatz abriegeln, hoffnungslos überlastet seien, aber er uns einen Weg daran vorbei ermöglichen kann.
Ob sich das Angebot lohnt oder nicht kann ich nicht sagen, denn ich hatte schon in meiner Recherche vor Reiseantritt von diesen „Besichtigungstouren“ gelesen. So war ich nicht überrascht und wusste, dass ich auch so nach 14 Uhr in den Petersdom gelangen würde. 120€ gespart! Es kommt aber ganz anders, dazu später mehr.

Die Shopping-Meile im Vaticano International Airport

Rom - Vatikan 2 PriestermodeladenNachdem uns der dritte Straßenverkäufer versucht einen solch exklusiven Privatführer unterzujubeln, entschließen wir uns nicht mehr mit dem großen Strom der Menschen mitzulaufen. Wir biegen in eine der Seitenstraßen ab und nehmen erstmal die neueste Priestermode in Augenschein. Hier gibt es alles was das Priesterherz begehrt. Aus den edelsten Stoffen Sultanen, Ausgehkleidung, feinste Hemden, Maßschuhe alles für den modebewussten Priester. Auch das exklusive Reisemessbesteck im edlen Koffer ist für einen erklecklichen Geldbetrag zu haben. Die Kurie war noch nie ein Armenhaus und so finden sich hier Dutzende von Läden die alles anbieten was die Geistlichkeit benötigt. Nur die Namen der Läden tragen nicht die uns sonst so bekannten Namen wie Gucci, Benetton, Armani, Louis Vuitton… sie haben aber die gleichen Preise.

 

Ziemlich in der Mitte zwischen Engelsburg und Petersdom treffen wir auf die Strasse, die die beiden Gebäudekomplexe verbindet, die Via della Conciliazione. Sicher hat jeder diese Perspektive schon einmal im Fernsehen gesehen. Das ist aber kein Vergleich zu dem realen 3D Eindruck.

 

Wie staunende kleine Kinder lassen wir dieses Panorama auf uns wirken.

 

Auch Vaticano Airport erfüllt alle gängigen Sicherheitsstandards im internationalen Flugverkehr

Rom - Vatikan 15 - Sicherheitskontrolle 4Wir erreichen die Piazza San Pietro – den Petersplatz. Die Kolonnaden werden mittlerweile als Sicherheitsschleuse für den „Vatikano International Airport“ genutzt. Hunderte von zivilen Sicherheitsleuten versuchen den Ansturm der Gläubigen so zu kanalisieren, dass ein geordneter Zugang zur Generalaudienz möglich bleibt. Sie sind darauf bedacht, dass es vor den Durchleuchtungstationen und Metalldedektoren und den Punkten zur Leibesvisitation und zusätzlicher Gepäcksichtkontrolle der Strom von Gläubigen nicht zum Stillstand kommt. Rom - Vatikan 13 - Sicherheitskontrolle 2Bleibt man dennoch stehen, um z.B. ein Foto zu schießen wird man sofort von den zivilen Sicherheitskräften aufgefordert weiterzugehen. Stillstand scheint für die Sicherheitsleute ein Anzeichen für „Gefahr“ zu sein.
Die Sicherheitskräfte sind extrem nervös, aber nicht unfreundlich. Im Gegensatz zu anderen Hotspots in Rom sieht man im Vatikanstaat nur italienische Polizei, die auch im Vatikanstaat für Ordnung sorgt. Rom - Vatikan 14 - Sicherheitskontrolle 3Kein italienisches Militär, wie im „Rest“ von Rom. Das liegt wohl an der staatlichen Souveränität des Vatikanstaats. Dafür gibt es dann wohl die zivilen Sicherheitsleute.
Wir fühlen uns wie auf dem Flughafen mit Open Air Abfertigungshalle. So taufen wir den Petersplatz um in: Vaticano International Airport. Das passt doch auch irgendwie und der Stadthalter des lieben Gottes verteilt ganz vorne gerade die Bordkarten für den Flug nach „Himmel“ bei der Generalaudienz. 😁😁😁

Die Terrorgefahr ist allgegenwärtig

Wir haben noch drei Stunden, bis wir den Petersdom besichtigen können. Wir kommen auf die Idee, dass wir doch einmal den Vatikanstaat umrunden könnten. Das Staatsgebiet eines Staates in nur einem Tag zu umwandern, das ist nur bei ganz wenigen Zwergstaaten möglich. Warum eigentlich nicht?
Wir verlassen wieder den Vatikanstaat. Beim Blick zurück richte ich meine Kamera mehrfach in Richtung der postierten Sicherheitsdienste und des Militärs aus. Das war keine gute Idee. Im Laufschritt, mit einer Maschinenpistole im Anschlag, stürmt mir ein italienischer Soldat entgegen und fordert mich in schlechtem englisch unmissverständlich auf alle Bilder zu löschen. Ein zweiter Soldat beobachtet uns mit grimmigem Gesicht aus etwa 30 m Entfernung, während ein Dritter in größerer Entfernung besonders aufmerksam das Geschehen in der Umgebung beobachtet, beide ebenfalls mit Maschinenpistole bewaffnet. Jetzt wird mir endgültig klar in welch angespannter Sicherheitssituation wir uns befinden. Ich bin erinnert an die Zeit der Anschläge der RAF Ende der 70er und in den 80er Jahren. Nervöses Militär, nervöse Polizei, Misstrauen bestimmt die Atmosphäre. Jeder könnte ein böser Zeitgenosse sein – ein Terrorist. Die Angst beherrscht die Sicherheitskräfte, die im Ernstfall als erste zur Zielscheibe werden. Es ist die Angst vor einem unsichtbaren Phantom.
Ich beginne zu verhandeln und zeige den Soldaten meine letzten Bilder, die ihm beweisen sollen, dass ich keine Sicherheitskräfte und Sicherheitsmaßnahmen fotografiert (und auch keine Videos angefertigt) habe. Habe ich aber doch. Noch drei Bilder weiter zurück und meine Speicherkarte wäre wohl gelöscht worden. So hatte ich aber Glück.

Nachdem uns auch in Rom und anderswo (z.B. in Pisa) massivste Polizei und Militärpräsenz aufgefallen war, zeigt uns dieser Vorfall, dass die Zeiten für völlig unbeschwerte Kulturreisen erst mal vorbei sind. Auch wenn uns unsere Politiker immer wieder dazu auffordern, uns vom Terror nicht beeinflussen zu lassen, unsere Lebensweise nicht zu verändern, und trotzig so weiterzumachen wie bisher, kann das nicht darüber hinweg täuschen, das Unbeschwertheit, Lebensfreude, Reisefreiheit und ein positives Lebensgefühl unter dem Terror leiden. Die daraus resultierende „Hab-Acht-Haltung“ in unseren Köpfen lässt auch Barrieren in unseren Zusammenleben entstehen.

Ein bitteres Zwischenfazit unserer Reise, das wir hier ziehen müssen.

Impressionen von Petersplatz und der päpstlichen Generalaudienz

Rom - Vatikan 7 - Petersplatz Panorama

So inszeniert sich eine Weltmacht, die jedem klar macht, „Du bist klein“ und will sagen: „Beuge dein Antlitz vor mir!“. Dies ist ein Statement, das auch durch die Bauten römischer Kaiser beabsichtigt war. Uns wird bewusst, wie grandiose Architektur das eigene Selbstverständnis zum großen Ganzen massivst beeinflusst. Die Mächtigen der Welt haben dies zu jeder Zeit zu nutzen gewusst. Das war bei den Ägyptern so, bei den Griechen, Assyrern, Atzteken, Majas und Chinesen und das ist auch so in der Neuzeit, wie z.B. beim Weißen Haus oder dem Bundeskanzleramt in Berlin – um nur zwei Beispiele zu nennen.

Auch wenn das Procedere der Generalaudienz ganz traditionalistisch abläuft, ganz wird auf Moderne Technik doch nicht verzichtet. Dank Public Viewing auf dem Petersplatz können wir nun auch behaupten: „wir haben den Papst gesehen.“ 😉

 

Der erste Regen seit drei Monaten

Wir verfolgen weiter unseren Plan, den Vatikanstaat zu umrunden. Es ist zwar der erste wolkenbedeckte Tag seit langem, aber nach Regen sieht das bisher noch nicht aus. Wir bewegen uns außerhalb des Vatikans an der Mauer, die fast den ganzen Vatikan umschließt auf eine Anhöhe. Hinter der Mauer, die den Vatikanstaat umschließt befinden sich die vatikanischen Gärten mit einem Hubschrauberlandeplatz, was wir aus einigen sichtbaren technischen Einrichtungen schlussfolgern können.
Rom - Vatikan 18 - erster Regen nach 3 MonatenBinnen weniger Minuten wird der Himmel bedrohlich dunkel. Zuerst geben die Wolken ein paar Tropfen und dann einen richtig dicken Wasserschwall frei. Wir können uns gerade noch in einen Hauseingang retten um nicht ganz durchgeweicht zu werden. Der erste Regen seit drei Monaten, wie wir vom Hausmeister erfahren. Er gewährt uns Unterschlupf wie auch einigen anderen Passanten. Für die nächsten zweieinhalb Stunden schüttet es wie aus Kübeln. Dazu kräftige Blitze und der Donnerschlag ist auch nicht von schlechten Eltern. Innerhalb weniger Minuten ist aus einem zwar bedeckten aber durchaus freundlichen Sightseeing Tag eine Weltuntergangsstimmung entstanden.

Der Hausmeister, dessen heutiger Arbeitsplan ganz offensichtlich durch den starken Regen außer Kraft gesetzt wird, nimmt sich die Zeit uns viele  wertvolle Tipps für unsere Romerkundung zu geben. So wird die erzwungene Regenpause noch zu einer recht kurzweiligen Veranstaltung für uns.

Langsam wird der Regen etwas schwächer. Als wir uns entschließen den Weg in Richtung U-Bahn anzutreten ahnen wir noch nicht, dass wir am Ende an der U-Bahnstation pitschnass ankommen werden. So fällt der restliche Vatikan Besuch an diesem Tag den ersten Regen nach dem Hochsommer zum Opfer.

Was haben wir verpasst?

Doch bei Heinz und Christine, deren Romartikel wir schon im letzten Beitrag vorgestellt haben, können wir nachlesen was uns durch diese Regenunterbrechung entgangen ist untert dem Titel:

Wir machen weiter

Von: Heinz und Christine

„Was machen wir heute?“ frage ich den Käptn, während ich im Reiseführer blättere. „Ist mir egal!“ und dann schiebt er noch – wie meist – „was du willst“ hinterher.

Ich denke nach: Heute ist Dienstag, der 4. Oktober. Ein ganz normaler Arbeitstag für die Römer. Also stürmen die schon mal nicht die Sehenswürdigkeiten. Alle Museen sind heute geöffnet. Da gehen die Touristen wenigstens nicht verstärkt in die Vatikanischen Museen, die auch montags zugänglich sind. Zudem ist schönes Wetter, da verteilen sich die Besucherströme auf drinnen und draußen. „Vielleicht sollten wir heute mal in den Vatikan gehen?“

Der Käptn ist sofort einverstanden. Schließlich ist die „Schaltzentrale Gottes“ für ihn ein Hauptgrund, Italiens Hauptstadt zu besuchen.

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Blick über den Tiber zum Petersdom

Und so machen wir uns nach dem Frühstück auf den langen Weg mit Bus, Bahn und Metro bis zur Station Ottaviano-San Pietro. Tatsächlich ist die Metro A heute nicht ganz so überfüllt wie bei unserem Besuch am Sonntag und der Besucherstrom in Richtung Vatikanstadt ist erträglich. Weiterlesen →

Es wäre schön wenn ihr, liebe Leser/innen, die Seiten von Heinz und Christine besucht und ihnen ein „Like“ schenkt oder eine kleine Anerkennung in ihr Logbuch schreibt. 😉

Rom ein kulturhistorischer Superlativ – wie sollen wir das nur angehen?

Nun sind wir in der Nähe von Rom, sitzen in unserem rollenden Gartenplätzchen unter der Markise und genießen ein paar Stücke Kurzgebratenes vom Grill. Unsere Gespräche drehen sich um die große Frage: Wie wollen wir Rom angehen? Natürlich haben wir uns vor Beginn unserer Reise mit Reiseführern und Literatur etwas schlau gemacht. Aber eine Liste abzuhakender Sehenswürdigkeiten ist dabei nicht entstanden. 😉
Rom ist einer der ganz wenigen Orte auf der Welt wo man an einem Tag x-fach Zeitsprünge, nicht nur von mehreren hundert Jahren sondern von x-tausend Jahren, auf einem Fußmarsch machen kann.
So stellt sich natürlich die Frage, ob man ein solch großes Reservoir an kulturhistorischen Stätten unter einem thematischen Aspekt besichtigt z.B. einer kulturhistorischen Epoche, oder ob man sich den räumlichen Gegebenheiten anpasst und geistig in der Geschichte beim Betrachten der Orte umher springt.
Natürlich haben wir eine Vorstellung was wir gerne sehen wollen. Wir haben aber keine Vorstellung was wo liegt, welche Wege und welche Reihenfolge wir gehen sollten.
Wir erinnern uns: Reisen hat etwas mit entdecken zu tun. Genau so wollen wir es tun. Da kommt uns eine kleine Karte von Rom mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten und allen U-Bahn Stationen gerade recht, die die nette Stellplatzbetreiberin uns bei der Anmeldung gleich mitgegeben hat.
Mit dieser kleinen Karte in der Hand, unserem Reiseführer als Backup im Rucksack, mit einer Riesenportion Neugier und Entdeckergeist und unserem Reiseleiter Erzengel Raphael wollen wir Rom entdecken.

Rom 1 Stadtplan

Ungefähr einen Monat nach uns sind Christine und Heinz von der Anima Mea, einem Segelschiff, ebenfalls in Rom. Die beiden sind schon seit längerer Zeit mit ihrem Segelschiff Anima Mea, dass sie selbst gebaut haben, unterwegs. Von Hamburg haben sie sich langsam die Atlantikküste bis an die Südspitze Spaniens hinunter gearbeitet und halten sich nun schon geraume Zeit im Mittelmeer auf. Ihre ausgiebigen Landgänge dokumentieren sie in ihrem Blog „Anima Mea – Heinz und Christines Logbuch“ aus der Sicht von Seefahrern. Wir reisen schon seit zwei Jahren virtuell mit Heinz und Christine mit. Christine schreibt mit viel Akribie ihre Erlebnisse an Land und in der Marina in ihr Logbuch. Als ehemalige Lehrerin macht ihr es sichtlich Spaß, zusammengesammelte Informationen über den Zielort „verdaulich“ zusammenzustellen und mit persönlichen Erlebnissen kombiniert zu präsentieren.

Als wir Ihre Berichte von Rom lesen stellen wir fest, dass sie ein ganz ähnliches „Programm“ wie wir in Rom hatten. Nur die Reihenfolge war aufgrund ihres anderen Ausgangsstandortes und anderer Wetterbedingungen etwas anders.
So wollen wir im Folgenden zunächst Heinz und Christine zu Wort kommen lassen.

Es wäre schön wenn ihr, liebe Leser/innen, die Seiten von Heinz und Christine besucht und ihnen die eine oder andere Anerkennung in ihr Logbuch schreibt. 😉

10.Oktober 2016 Wo fangen wir an?

von Heinz und Christine

Diese Frage stellen wir uns, als wir das erste Mal nach Rom fahren wollen.

Unser DUMONT- Reiseführer ROM beschreibt allein 15 verschiedene Entdeckungstouren. Das zeigt, wie groß diese Stadt ist und wie viel sie zu bieten hat!

Für Sonntag, den 2.Oktober, entscheiden wir uns für eine Tour, bei der wir voraussichtlich nirgendwo vor Ticketschaltern Schlange stehen müssen. Wir wollen ganz entspannt erste Eindrücke sammeln, einfach nur Bummeln und dabei das schöne Wetter genießen!

Mit dem Bus rumpeln wir über die mit Schlaglöchern übersäten Straßen von Ostia bis zur Haltestelle Lido Centro. Der ganze Bus fibriert, die Fahrgäste fibrieren mit. Dann fahren wir mit der Stadtbahn bis zur Endstation Piramide. Hier müssen wir in die Metro B/ Station Ostiense umsteigen und Richtung Termini fahren. Dies ist die einzige Station, wo sich die beiden Metro-Linien Roms kreuzen.

Der Bahnsteig in Termini ist an diesem normalen Herbstsonntag so voll, wie die U-Bahn-Station Landungsbrücken in der Silvesternacht. Die Wartenden stehen in drei Reihen hintereinander, zu den Gleisen hin patrouliert ein Sicherheitsposten auf und ab. Wir stehen zunächst in der hintersten Reihe, werden jedoch von den Nachrückenden gnadenlos nach vorne geschoben. Ich suche die Hand des Käptn, da fährt auch schon der Zug der Metro A ein. Er ist brechend voll und kaum jemand steigt aus. [Weiterlesen…]

über 10.Oktober 2016 Wo fangen wir an? — Anima Mea

Abschied vom Bolsenasee

Wir haben in Bolsena viel über die italienische Lebensart gelernt

Bolsena 30 - WoMolines LieblingsblickFür unsere Verhältnisse haben wir uns in dem Gebiet um den Bolsenasee sehr lange aufgehalten. Die Tour bis zum Bolsenasee war schön, keine Frage. Doch das Ambiente, die Menschen, das Klima und vor allem diese Ursprünglichkeit mit diesen liebenswerten Menschen rund um den Bolsenasee, die hat uns gefesselt. Wir hatten und haben ständig das Gefühl, dass hier das Wort Stress erst noch erfunden werden muss. Das heißt nicht, dass die Menschen hier nichts oder wenig arbeiten. Ganz im Gegenteil.
Bolsena 12 - Piazza MatteottiWir unterhalten uns mit dem Eigentümer eines Papierwaren- und Zeitungsladens an der Piazza Matteotti. Er schildert uns seinen Arbeitsalltag. Daraus geht eindeutig hervor, die Menschen hier arbeiten wesentlich länger als bei uns – nicht unbedingt mehr, für ein Salär, für das bei uns viele erst gar nicht antreten würden. Sie arbeiten eigentlich von früh morgens bis spät abends. Ähnliches beobachten wir bei ‚unserem‘ Obst- und Gemüsehändler. Früh am Morgen sehen wir, wie er frische Ware von seinem Lieferwagen in seinen Laden schleppt. Auch mittags, bis in die späten Abendstunden hinein, bedient er seine Kunden. Und als wir nach dem dritten Glas Wein uns in völliger Dunkelheit fröhlich auf den Weg zu unserem Wohnmobil machen, können wir sehen, wie er noch seinen Laden aufräumt und noch mal schnell den Fliesenboden kräftig durchwischt. Das ist kein Acht-Stunden-Tag, genauso wie bei unserem Zeitungsverkäufer.

Also, wo liegt der Unterschied?

Die Menschen hier lassen sich die bei uns obligatorische Arbeitsverdichtung nicht aufzwingen. Ihnen ist der emotionale Kontakt zu ihren Mitmenschen, zur Familie, zu ihren Nachbarn, Kollegen, Kunden und Gästen wichtig. Das erfordert Kommunikation und Kommunikation erfordert Zeit, die sich diese Menschen auch während der Arbeit nehmen.
Zu Hause in deutschen Landen regen sich die wartenden Menschen auf, wenn an der Kasse eines Marktes der Kassierer mit einem Kunden ein Schwätzchen hält. Da fliegen schon mal ein paar böse Worte durch den Verkaufsraum.

Nicht so hier. Hier ist es von allen, auch von den Kunden akzeptiert, dass die Pflege der Sozialbeziehungen dazu gehört und etwas Zeit braucht. Es animiert sogar weitere Kunden in eine nachbarschaftspflegende Kommunikation mit einzusteigen. Das senkt zwar die Produktivität pro Zeiteinheit, aber es steigert die Lebensqualität auch während der Arbeitszeit. Und das ist für die Menschen hier sehr wichtig.
Es ist schon verwunderlich, dass wir Nordlichter während des Urlaubs diese Lebensart so bewundern, aber keinerlei Anstalten machen in unserem eigenen Alltag etwas davon, was wir dort bewundern, zu integrieren. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier. Möge den Italienern in der Region Tuscia diese Gewohnheit noch lange erhalten bleiben. ☺😉☺😉

Nun sind wir bereit in die ewige Stadt einzutauchen.

Als südlichsten Punkt unserer Tour haben wir Rom ins Auge gefasst. Rom wird verkehrstechnisch oft als eine Katastrophe beschrieben. (Nach unserem Besuch musste ich allerdings feststellen: „Alles Panikmache“ und „Wichtigtuerei“ der Protagonisten – es ist auch nicht schlimmer als in Madrid, Paris, London oder Berlin.)
So stellt sich für uns die Frage, ob wir von Bolsena aus mit dem Regionalzug in ca. 1 1/2 Stunden von Montefiascone nach Rom fahren, oder ob wir uns einen geeigneten Stellplatz in oder in der Nähe von Rom suchen. Es ist für uns nicht wirklich eine Option für jeden Besuchstag in Rom drei Stunden im Zug zu sitzen. Bei einem Besuchstag, wäre das wohl noch in Ordnung, aber einen Tag zu veranschlagen um Rom zu erkunden, ist wie Europa in drei Tagen kennen lernen zu wollen.

Bolsena 41 - Unser letztes Eis in Bolsena

Wir genehmigen uns am Abend das letzte Eis in Bolsena. Am nächsten Morgen folgt das übliche Abfahrritual und wir verlassen Bolsena über einen Bergrücken in Richtung Orvieto.Orvieto 1 Panorama Orvieto liegt markant auf einem Hügel und ist nicht zu übersehen. Weder die reizvoll gelegene Stadt, noch das große Weingut am Wegesrand kann uns zu einem Stop verführen. Orvieto 2 Weingut bei OrvietoOrvieto und das Weingut sparen wir uns für unsere dritte Tour durch Italien auf.

Wir wollen nach Rom. Deshalb werden in einem Einkaufszentrum kurz vor der Autobahn unsere Vorräte noch einmal aufgefüllt, damit wir uns in Rom ausschließlich auf die Stadt und was sie zu bieten hat, konzentrieren können.
In dem Einkaufszentrum begegnet uns etwas, das für mich so typisch italienisch ist, wie Spaghetti, Pizza, Sonne, Strand, Amore und Motorroller:
Fiat 500 - der Porscheschreckein Fiat 500, umgebaut zum Porsche-Schreck.

Wir peilen einen Wohnmobilstellplatz südöstlich von Rom an, nicht weit von Castel Gandolfo entfernt, dem Sommersitz der Päpste. Von hier aus sind wir in 25 Minuten mit dem Regionalzug am Hauptbahnhof in Rom, wo sich auch die beiden einzigen U-Bahnlinien kreuzen , die es in Rom gibt (an einer 3. Linie wird schon seit Jahren gebaut, aber wann die in Betrieb geht, das weis niemand so ganz genau). Ein idealer Ausgangspunkt für unsere Rom Erkundung, wie es scheint.

Autostrada nach RomJe weiter wir Richtung Rom rollen, umso flacher wird die Landschaft um uns herum. Wir verlassen das alpine Gebiet und wir bemerken trotz Klimaanlage, wie die Außentemperaturen ansteigen. Die Hitze wird zunehmend unangenehmer. Es hat hier seit über zweieinhalb Monaten nicht mehr geregnet. Mit jedem Kilometer den wir weiter südlich fahren, präsentiert sich die Natur immer verbrannter. Aus Grün wird langsam Ocker. Was die Trockenheit und die starke Sonneneinstrahlung noch bewirken kann, das sehen wir unvermittelt am Rande der Autobahn. Ein kleiner Steppenbrand. Das scheint hier ein normales Phänomen zu sein. Die Autofahrer jedenfalls schenken dem Feuer kaum Beachtung, genau so wenig wie den Carabinieri, die sich für den Fall eines Falles auch schon mal eingefunden haben und warnend mit Blaulicht auf dem Standstreifen stehen.

Autobahnring RomKurz vor unserem Ziel taucht auf der Schnellstraße ein Traktor mit Hänger auf. Damit muss man in Italien immer mal wieder rechnen. Aufmerksamkeit und gute Bremsen sollte man immer dabei haben. 😉

Gut ausgeruht sind wir, bereit Rom bei vorhergesagten 33 – 35°C zu erobern.

 

Bolsena – ein kleiner Stadtrundgang in Bildern

Bolsena 12 - Piazza MatteottiBolsena ist etruskischen Ursprungs. Durch die Zerstörung 309 v. Chr. durch Konsul Fabius ist davon aber nichts mehr zu sehen. Die heutige Gestalt der Stadt wurde durch Hadrian IV ab 1154 geprägt, der die Stadt mit Türmen versah und zu einer mächtigen Festung ausbaute. In späterer Zeit wurde durch eine italienische Adelsfamilie die Festung restauriert, erweitert und zu einem Schloss umgebaut, ohne allerdings den Festungscharakter zu verändern.

Bolsena 13 - Basilika der heiligen Christina
Basilika am Abend der Festspiele

Neben diesem Wahrzeichen beherbergen die Mauern der Stadt ein weiteres Gebäude von bau-, kunsthistorischer und sakralgeschichtlicher Bedeutung. Die Basilika der heiligen Christina erkunden wir am Sonntag Morgen, genau zwischen der ersten und zweiten Messe. Beide Messen sind sehr gut besucht und es ist kein hoher kirchlicher Feiertag!

Die Basilika ist ein kleines Juwel aus der Renaissance. Der gesamte Gebäudekomplex besteht aus

  • der mittelalterlichen dreischiffigen Basilika, die in der Form eines lateinischen Kreuzes errichtet wurde
  • der Kapelle des Blutwunders, erbaut ab dem Ende des 16. Jahrhunderts und
  • der Gruft der heiligen Christina aus dem 4. Bis 5. Jahrhundert, eine Märtyrerin des christlichen Glaubens.

Ein älterer Herr der so etwas wie ein Museumswärter, Kassierer für die Gruft und Ordner während der Messe zu sein scheint, hat alle Hände voll zu tun, die Touristen an die gebotene Stille und auf die “Bekleidungsvorschriften” hinzuweisen. Obwohl dies durch Piktogramme auf Tafeln an den Eingängen klar ersichtlich ist, scheinen doch etliche Besucher die Piktogrammsymbolik nicht deuten zu können. Etwas amüsiert und mit einer großen Portion Mitleid beobachte ich diesen Herrn, wie er diese Aufgabe mit voller Hingabe wahrnimmt, ohne auch nur ein lauteres Wort, genervte Gestik oder eine finstere Miene zur Durchsetzung seines Auftrags zu nutzen. Letztlich tut das allen Besuchern gut. Die majestätische Stille und die andächtige Stimmung, die durch das Wirken dieses älteren Herrn gewährleistet wird, ermöglicht den Besuchern einen viel intensiveren Zugang zu den Kunstwerken und der spirituellen Aura dieser drei Sakralbauten.

Nächste Station unseres Rundgangs: WoMolines Lieblingsplätzchen.

Hier auf halber Höhe, zwischen See und der Burgfestung könnte sie stundenlang sitzen und das Panorama genießen. Am angenehmsten ist das in den Morgenstunden bis ca. 11 Uhr, wenn die Luft noch nicht „flimmert“ und die Wärme der Sonne und leichte Luftbewegungen noch angenehm die Haut „streicheln“. Hier kann ich WoMoline beruhigt auf der Bank zurücklassen und ein paar Fotos von Bolsena „fangen“ gehen.

Eine kleine Begebenheit am Rande. Ganz in der Nähe der Via De‘ Medici, entdecken wir eine ganz kleine unscheinbare Kirche. Bolsena 40 Via De MediciWir haben schon mehrere dieser “Kleinkirchen” in der Stadt gesehen. Keine war geöffnet. Wir fragen uns, ob diese überhaupt noch genutzt werden, denn das religiöse Leben der Stadt spielt sich eindeutig in der Basilika der Heiligen Christina ab. Abseits der Touristenpfade nähern wir uns vorsichtig der vermeintlichen Zugangstür, um zu erkunden ob denn hier geöffnet ist.

Wie wir ja schon häufiger festgestellt haben, ist das religiöse Leben hier in Mittelitalien viel stärker in den Alltag integriert als bei uns. Da wird schon mal ein schnelles Stoßgebeet zwischen den Marktbesorgungen in der nahen Kirche gen Himmel geschickt oder Bitten für Wohlstand, Reichtum und Gesundheit der “Mutter Maria” unterbreitet.

Auch hier, das Kirchlein ist geschlossen. Wir wollen uns schon wieder zurückziehen, da verfehlt ein Eimer Putzwasser, der gerade aus einem Hausgang fliegt, WoMoline nur um Haaresbreite. Vollkommen aufgelöst und peinlich berührt folgt dem Eimer Wasser eine zu tiefst besorgte ältere Frau, geschätzt so Anfang 70, die sich sogleich wortreich auf italienisch entschuldigt. Wir verstehen ja nichts, aber das ist gar nicht nötig. Die Szenerie, die Intonierung, die Gestik und das besorgte Zugehen auf WoMoline spricht für sich selbst. Ich kann in ihrem markanten faltigen Antlitz das Sinnen nach “Wiedergutmachung” förmlich ablesen. Sie fasst beherzt WoMoline am Arm und geleitet sie zu einer etwa 30 Schritte entfernten Steinbrüstung, wo sie WoMoline wortreich “ihre” Aussicht über die Stadt und den See zeigt. Die Worte ‘bella’ und ‘bello’ und die schweifende Bewegung ihres rechten Arms der zum Horizont deutet weisen eindeutig darauf hin, dass sie diese grandiose Aussicht, die sie vor ihrer Haustür jeden Tag bewundern darf, meint.

Dies ist wieder ein kleines Beispiel, für das, was das Besondere an der italienischen Lebensart ist, die vielfach beschworen aber meist nicht beschrieben wird. Vielleicht lässt sich das auch gar nicht in Worte fassen. Es sind für mich diese Anekdoten, die diese Besonderheit des Lebensgefühls hier illustrieren.


P.S.: Später erfahren wir, dass viele dieser „Kleinkirchen“ heute als Lagerräume oder riesige Abstellkammern genutzt werden. In diesen historisch gewachsenen alten Städten gibt es praktisch keine Ausweichflächen mehr. So ist man gezwungen Ungenutztes einer neuen Verwendung zuzuführen, wenn ein neuer „Flächenbedarf“ entsteht. Dieses Umnutzen macht auch vor ehemaligen Kirchen und Kapellen nicht halt.