Senftenberg: Eine Urlaubsregion entsteht.

Auf dem Weg vom Spreewald nach Dresden, von wo aus wir ins Elbsandsteingebirge fahren wollen, machen wir einen Zwischenstopp in Senftenberg. Senftenberg liegt im Lausitzer Seenland. Dieses Seenland ist, bzw. wird das größte künstlich geschaffene Seengebiet Europas. Was uns hier erwartet? Keine Ahnung!

Als ahnungsloser Wessi hat man vom Braunkohletagebau gehört. Und dass dieser aus Umweltschutzgründen so schnell wie möglich stillgelegt werden soll, das weiß man auch. Wenn man nicht aus einer Tagebergbauregion kommt, hat man nur eine sehr diffuse Vorstellung, was das für eine Region und ihre Menschen bedeutet. Einen ersten Vorgeschmack auf das, was nach dem Bergbau kommt, haben wir schon in Lübbenau bei einer Radtour in Augenschein nehmen können. Wie eine Renaturierung irgendwann mal aussehen könnte, kann ich mir in Lübbenau aber noch nicht wirklich vorstellen.

Bei einer Radtour rund um den Senftenberger See, können wir uns ein Bild von einer solchen Entwicklung machen. Hier ist man schon einen großen Schritt weiter.

Der geflutete Tagebergbau mit größeren Wasserflächen bietet sich als Freizeitzentrum für Wassersportler an. Denkt man eine Nummer größer, dann lässt sich ein ganz neuer Wirtschaftszweig im Bereich des Tourismus entwickeln. Genau das scheint man hier vor zu haben.

Am Stadtrand ist eine Art Steilufer entstanden, die in Teilen schon fast wie natürlich gewachsen aussieht. Auch der neue Stadthafen ist für Bootssportler attraktiv. Wassersport und Badeangebote haben sich rund um die Liege- und Freizeitwiesen etabliert. Auch zwei Wohnmobilstellplätze sind hier zu finden, die voll belegt sind. Wir sind überrascht wie viel touristisches Treiben hier stattfindet. Immerhin ist keine Schulferienzeit.

Einmal um den Senftenberger See

Wir übernachten auf einem Wohnmobilstellplatz etwas außerhalb. Von dort aus umrunden wir den Senftenberger See mit den Fahrrädern. Hier ist schon ein sehr gutes Radwegenetz entstanden. Das können wir an der guten Ausschilderung erkennen. Abzweigungen sind immer klar erkennbar. Wenn es überall so ist, dann reichen Übersichtskarten vollkommen aus, um sich sicher zu orientieren.

Zunächst führt uns unser Weg in die Stadt. Da wir wieder Proviant auffüllen müssen, freuen wir uns, dass Markttag ist.
Wie schon so häufig im Osten finden wir hier eine Marktstruktur vor, die wir bei uns nicht mehr kennen. In Süddeutschland findet sich eher der „Bauernmarkt“, angereichert mit Ständen weiterer Lebensmittel – von Brot über Honig bis zu Fleisch und Wurstwaren. Bekleidung, Schuhe oder Haushaltswaren sucht man bei uns meist vergeblich. Nicht so hier im Osten. Das erinnert uns sehr an die Wochenmärkte in Italien, wo man wirklich alles bekommen kann, bis auf lizensierte Produkte, wie Tabakwaren oder pharmazeutische Produkte.

Die Markttage bringen Leben in die Stadt. Für uns sind diese immer besonders interessant, denn wir können den Menschen, ohne neugierig zu wirken „aufs Maul“ schauen und den ungezwungenen, typischen Umgang miteinander beobachten. Und bevor wir uns umschauen, sind wir in ein Gespräch mit den Einheimischen verwickelt. WoMoline ist dafür Spezialistin. Sie hat auf diese Weise schon so manchen Insidertipp bekommen. 😊😘💖

Senftenberg hat sich schon zu einem Erholungsort entwickelt. Vieles ist instandgesetzt, aufgehübscht, und neu entstanden – wie zum Beispiel der Stadthafen. Um Senftenberg herum entsteht mit dem Lausitzer Seenland zwischen Berlin und Dresden eine neue Wasserlandschaft. Seit einigen Jahren erhält die ehemalige Tagebaulandschaft ein neues Gesicht mit tiefblauen Farbtupfern. Es entsteht die größte zusammenhängende Seenlandschaft Europas mit insgesamt 23 größeren Seen.

Wir verlassen Senftenberg. Die verschiedenen Seen, die hier entstehen werden mit Kanälen verbunden, sodass ein Wasserstraßennetz entsteht. Wo erforderlich, gibt’s dann auch schon mal einen Bootstunnel.

Etwas weiter ist ein Ferienresort mit Clubcharakter entstanden, das sich wohl stark an der Zielgruppe Familie mit Kindern ausrichtet. Das riesige Areal, im Wald gelegen, bietet sowohl Camping, Mobilheime bzw. Ferienhäuser als auch ein Hotel an. Am Seeufer erinnert der Sandstrand an Klassiker wie Bibione oder Rimini. Es ist alles vorhanden was für einen Familienurlaub nötig ist. Wie für Cluburlaub typisch gilt: Einmal angekommen, braucht man das umzäunte Gebiet nicht mehr zu verlassen.

Es ist ein Touristik Konzept, dessen Vorbild aus Spanien, Italien, Türkei und Anderswo stammt. Nur die Anreise ist kürzer und der südländische Flair fehlt. Und der kilometerlange Strandspaziergang wird durch einen Zaun und ein Verbotsschild nach wenigen 100 Metern unterbunden.

Die Wege führen zum Teil sehr weit entfernt vom Ufer durch den Wald. Geschätzt, weit mehr als die Hälfte des Seeufers darf nicht betreten werden. Zum einen wurden Schutzzonen für Biotope ausgewiesen und zum anderen sind weite Bereiche der Uferzonen wegen instabilen Geländeformationen im Uferbereich abgesperrt. Wirklich attraktiv und abwechslungsreich ist, so weit entfernt vom Wasser, die Fahrt durch den Wald nicht.

Aber dann treffen wir auf ein kleines Areal, das ein Meer oder See-Feeling aufkommen lässt. Die Infrastruktur ist hier ein Toilettenhäuschen mit angeschlossener Imbissbude und so weit wir das beurteilen können drum herum wilde Parkerei an Straßenrand. Das hat schon etwas Nostalgisches und erinnert mich an meine Kindheit. Mit dem Käfer über den Großglockner nach Kärnten an einen See. Imbissbude war schon Luxus. Mehr brauchten wir nicht.

Es wird noch eine lange Zeit brauchen, bis aus diesem Gebiet eine wirkliche Ferienregion wird. Man kann alles Mögliche hinbauen, was für eine solche Ferienregion notwendig ist. Die Menschen aber in dieser Region sind geprägt vom Bergbau und der Energieerzeugung. Es wird sicher ein, zwei Generationen dauern bis die Produktionsmentalität sich in eine Dienstleistungs- bzw. Tourismusmentalität verändert hat. Der Unterschied zu einem traditionellen Tourismusgebiet, wie dem Spreewald, ist auf Schritt und Tritt spürbar. Solche Veränderungen gehen eben nicht von heute auf morgen.

Vielleicht ist es ja auch langfristig von Vorteil, sich nicht an Ballermann und Ischgl zu orientieren.

Kurz vor Beendigung unserer Rundfahrt begegnet uns an einem Campingplatz dieses Wohnwagengespann.

Nachdem wir hier, wie zuvor schon im Spreewald, die Erfahrung machen, dass nach dem langen Lockdown die Menschen einfach heiß auf Tapetenwechsel sind, geben wir das Ziel ins Elbsandsteingebirge zu fahren auf. Stattdessen machen wir uns am nächsten Tag auf, in Richtung Weimar und Erfurt.

Unser Kalkül: da, wo die Menschen, die jetzt in den Urlaubsgebieten sind, herkommen (die aus den Städten), dort müsste es doch angenehm ruhig sein. 😊

Der Spreewald: eine von Menschenhand geschaffene Kulturlandschaft

Das den inneren Spreewald umgebende Grasland wird heute von großen Traktoren mit gigantischen Mähbalken bearbeitet. In früherer Zeit dürfte das durch Ochsen, Pferde und durch Muskelkraft bewerkstelligt worden sein, oder aber durch direkte Beweidung wie es auch heute noch gemacht wird. Die Rinderherden, die wir beobachten konnten, die durch das Grasland streifen, verleihen der Landschaft einen Hauch von Wild-West-Romantik. Einen Cowboy oder Gaucho haben wir aber nicht gesehen.😉 An einer Stelle werden wir durch Schautafeln darauf hingewiesen, dass dieses Gebiet schon seit mindestens 3000 Jahren von Menschen bewirtschaftet wird. Das belegen archäologische Befunde. Somit ist der Spreewald ein sehr altes von Menschen gestaltetes Kulturland.

An verschiedenen Stellen, fällt uns auf, dass man die Natur sich selbst überlässt. Ein Einheimischer, mit dem wir ins Gespräch kommen, vertritt zu dieser „grünen Haltung“, eine sehr kritische Position. Er argumentiert, dass die Spreelandschaft nur deshalb heute so ist, wie sie ist, weil der Mensch sie über viele Jahrhunderte gestaltet hat. Dass Sich-Selbst-Überlassen hat zur Folge dass sich diese alte Kulturlandschaft zusehends verändert, weil durch die fehlende Kulturpflege sich der Waldbestand nicht mehr verjüngen kann. Er lastet diese Veränderung der dogmatischen Haltung von grünen Politikern an und empfindet deren kompromisslose Haltung als eine Art Heimatverlust. Das ist eine Sichtweise, die sich einem Touristen, der mal für zwei, drei Tage einfliegt bei aller Aufmerksamkeit nicht sofort erschließt. Er empfindet, das was er sieht als schön, Natur pur, als schon immer so gewesen. Es strahlt Idylle und Friedlichkeit aus. Die schleichenden Veränderungen kann der Kurzzeittourist nicht erkennen.

Mir wird wieder einmal deutlich, wie schwierig es in unserer komplexen Welt geworden ist, einen fairen Interessenausgleich zwischen unterschiedlichen Standpunkten und Interessen zu erarbeiten. Und so stellen sich mir beklemmende Fragen, wie z.B.:

Wem gehört eigentlich eine alte Kulturlandschaft?

Wer darf für diese Kulturlandschaft sprechen (und wer nicht)?

Gibt es so etwas wie Heimatrecht? Oder sogar ein Recht auf Heimat? Ist das vielleicht sogar ein Grundrecht?

Gibt es so etwas wie ein Selbstbestimmungsrecht der in einer „Heimat“ lebenden Menschen und der durch sie getragenen Organisationen?

Wo liegt die Grenze zwischen „Mit der Natur leben“ und „Natur ausbeuten“?

Diese Fragen machen uns sehr nachdenklich, zumal uns ähnliche Fragen in touristischen Hotspots wie z.B. in Pisa, Kloster Melk, Dürnstein an der Donau, in der Tourimeile am Tittisee oder in Venedig in ähnlicher Weise begegnet sind. In den genannten Beispielen war Auslöser der überdimensionale und nicht mehr verkraftbare Ansturm der Touristen, der Heimat zerstört.

Hier lernen wir, dass auch politische Dogmen, Heimat zerstören können!

Wohnmobilisten sind Umweltschädlinge: Ideologiegetriebene Ignoranz der Klimaaktivisten!?

Wir (als Synonym für „Wohnmobilisten„) wurden schon mehrfach von Klimaaktivisten als Umweltschweine gebrandmarkt. Eine Diskussion mit ihnen war leider immer fruchtlos, glitt in beleidigende Unterstellungen ab und war gekennzeichnet von der konsequenten Ignoranz von Fakten und wissenschaftlichen Untersuchungen. Die Klimaaktivisten beharrten auf dem Argument, dass ein Wohnmobil auf einem „stinkenden“ Diesel sitzt, durch viel mehr Energie-/Spritverbrauch die Umwelt belastet als ein PKW oder gar ein öffentliches Verkehrsmittel, und obendrein für die Vermüllung der Umwelt verantwortlich wäre.

Das letzte Argument ärgert mich, wenn ich die Vermüllung entlang der vorwiegend in Ost-West-Richtung verlaufenden Autobahnen und auf Rastplätzen in Deutschland sehe. So viel Ladekapazität haben alle in Deutschland fahrenden Wohnmobile nicht, um diese Mengen an den Autobahnrändern und Auf- und Abfahrten zu verteilen. Da sind andere die „Bösen Buben“. Das ist also nur ein Diskussions-Totschlags-Argumment.

Gleichwohl wir leider zunehmend häufiger feststellen dürfen, dass es auch unter den Wohnmobilisten immer öfter schwarze Schafe gibt.
Erst kürzlich mussten wir lesen, dass sich während der Corona-Reiseeinschränkungen einige Wohnmobilisten, die unentdeckt bleiben wollten, die Weinberge als Wohnmobilstellplatz missbraucht, ihren Müll dort hinterlassen und in den Reben die Chemie-Toilette entsorgt haben. Das ist genau so kriminell, wie giftige Industrieabwässer illegal in den Rhein einzuleiten.

Bleibt als Argument der Diesel. Nur mit bornierter Scheuklappenmentalität lässt sich das Dieselargument aufrecht erhalten, wie Studien zeigen. Es ist genau so, wie bei der Abwrackprämie für Dieselfahrzeuge. Ein Stromer muss erst mal rund 150.000 km fahren bis der Energieverlust durch das Abwracken kompensiert ist, vorausgesetzt der Stromer wird mit Ökostrom betankt. Soviel Energie steckt nämlich in der Herstellung des abgewrackten Fahrzeugs drin, die nicht mehr zurückgewonnen werden kann. Aber das ist für Ideologiebesessene zu komplex.

Zurück zu den Fakten

Schon 2007 und 2013 zeigte das Öko-Institut in Darmstadt, dass das Reisen mit dem Wohnmobil, im Vergleich zu anderen Reiseformen, eine sehr umweltfreundliche Reiseform ist. (Öko-Institut Darmstadt: Vergleichende Klimabilanz von Motorcaravanreisen – heute & morgen , 2013)

Das Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) hat in einer neuen Studie (ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg: Klimabilanz von Reisen mit Reisemobilen und Caravans , 2020) die Emission von klimaschädlichem CO2 verschiedener Urlaubsreisen untersucht. Ergebnis: Caravaning hat eine vergleichsweise gute Klima-Bilanz. Analysiert wurden jeweils die verschiedenen Komponenten einer Urlaubsreise: An- und Abreise, Übernachtung und Verpflegung sowie Mobilität vor Ort. Die ifeu-Studie berücksichtigt zudem zusätzlich die Herstellung (Materialbilanz, Energiebedarf der Fertigung, Wartung) sowie die Entsorgung der Freizeitfahrzeuge.

Weniger CO2 als Pkw plus Hotel – kaum schlechter als Reise mit der Bahn

Anhand einer Reise nach Rügen von zwei Personen ergibt sich eine günstigere Klima-Bilanz eines Caravaning-Urlaubs als dies bei einer Anreise mit einem Pkw und einer Übernachtung im Hotel der Fall wäre. Zwar emittieren Reisemobile und Pkw-Caravan-Kombinationen aufgrund ihrer Größe und Masse mehr Treibhausgase bei der An- und Abreise. Doch wird dies durch die geringeren CO2-Emissionen der Unterkunft – in diesem Fall ein Camping- oder Reisemobilstellplatz – mehr als kompensiert. Denn bei einer Hotelübernachtung werden pro Person bis zu zehnmal so viele CO2-Äquivalente freigesetzt wie beim Caravaning. Der Vergleich fällt folglich umso günstiger für Caravaning aus, je kürzer An- und Abreise sind bzw. je länger der Aufenthalt ist. Bei der angenommenen Rügen-Reise schneidet nicht einmal die Anreise mit der Bahn (bei Übernachtung im Hotel) wesentlich besser ab als die Caravaning-Reise. Gleiches gilt für Fernbusse. Die CO2-Einsparung bei der klimafreundlicheren An- und Abreise mit dem öffentlichen Personenfernverkehr reicht nicht aus, um den schlechteren Wert der Unterkunft auszugleichen. Das Ergebnis hat selbst die Forscher überrascht, gelten Zugreisen doch als besonders klimafreundlich.

Caravaning klimafreundlicher als Flugreisen

Das renommierte Heidelberger Institut analysierte auch die Klima-Bilanz einer Auslandsreise, konkret nach Südfrankreich. Hier nahmen die Forscher unter anderem einen Vergleich mit einer Flugreise bei Übernachtung im Hotel vor. Eine Caravaning-Reise liegt hier klimatechnisch deutlich vorne. Bei einer Übernachtung auf einem Stellplatz ist der Effekt noch einmal größer als auf einem Campingplatz. „Die ifeu-Studie bestätigt, was bereits frühere Untersuchungen gezeigt haben: Caravaning ist im Vergleich mit anderen Reiseformen eine umwelt- und klimafreundliche Urlaubsform.

Selbst der Backpacker, der mit dem Flugzeug nach Südostasien reist, um sechs Wochen durch den Dschungel mit dem Einmannzelt zu streifen, erzeugt noch mehr klimaschädliche Emissionen als ein aus Deutschland stammender Wohnmobilist der Südschweden oder Nord- und Mittelitalien mit seinem Wohnmobil erkundet.

Und über Kreuzfahrten, die in den letzten 20 Jahren so beliebt geworden sind, sprechen wir besser gar nicht.

Sind die Klimaaktivisten lernresistent?

Das gilt sicher nicht für jeden Klimaaktivisten, da gibt es sehr kompetente Leute, die auch diskussionsfähig sind. Greta Thunberg, Luisa Neubauer oder Leonie Bremer von Fridays for Future haben genauso wie hochprofessionelle Aktivisten von Geenpeace und anderen Organisationen bewiesen, dass sie argumentieren und diskutieren können. Aber wie sieht es bei den Lokal-Aktivisten vom Typ: „Ich bin überall dabei – und wo ich bin ist vorne“ aus, bei denen die Wahrheit vor allem auf Facebook steht, weil sie anderes gar nicht kennen, oder kennen wollen?

Diesen wichtigtuerischen Aktivisten sei folgendes gesagt, das ein Reporter von skynews Australien kürzlich für demonstrierende Klimaaktivisten folgendermaßen in Worte gefasst hat.

*“Ihr seid die erste Generation, die in jedem Klassenzimmer eine Klimaanlage habt, euer Unterricht erfolgt computergestützt, ihr habt einen Fernseher in jedem Raum, ihr könnt den ganzen Tag elektronische Mittel verwenden.* 

*Anstatt zu Fuß zur Schule zu gehen, benutzt ihr alle Arten von Transportmitteln mit Verbrennungsmotor. Ihr seid der größte Konsument von Konsumgütern in der bisherigen Geschichte der Menschheit. Ihr kauft ständig neue Kleidung, um „trendy“ zu sein obwohl die Sachen vom letzten Jahr noch völlig in Ordnung sind. Kaum jemand von euch repariert seine Kleidung, ihr habt keine Ahnung wie man einen kaputten Reißverschluss auswechselt geschweige wie man mit einer Nähnadel umgeht.* 

*Es wird weggeworfen was das Zeug hält. Euer Protest wird durch digitale und elektronische Mittel angekündigt. Euer Handy, Tablet sind 24h online. Ihr seid mit euren ganzen elektronischen Spielzeugen der größte Stromverbraucher.* 

*Leute, bevor ihr protestiert, schaltet die Klimaanlage aus, geht zu Fuß zur Schule, schaltet eure Handys aus, eure PCs, Xboxen, PS4s und lest ein Buch, macht euer Sandwich selber, anstatt es fertig in Plastikverpackungen zu kaufen.* 

*Nichts davon wird passieren, weil ihr egoistisch seid, schlecht ausgebildet, von Leuten manipuliert,  die euch benutzen, und sagen, dass ihr eine edle Sache betreibt, während ihr Spaß habt und den verrücktesten westlichen Luxus genießt.*

*Wacht auf und haltet bloß euren verwöhnten Mund  – Findet die Fakten, bevor ihr protestiert und fangt erst mal bei euch selber an die Welt zu verbessern und erklärt nicht Menschen zu Täter,  die ihr ganzes Leben lang nachhaltig gelebt haben.*

Dem haben wir nichts mehr hinzuzufügen!

2020 – Ein „ausgefallenes“ Reisejahr

2020 war und wird in unserer Erinnerung im doppeldeutigen Sinne ein „ausgefallenesReisejahr sein und bleiben.

Egal von wo man mit dem Lesen beginnt – es ergibt immer einen Sinn

Zum einen waren so manche Touren einfach nicht möglich, und zum anderen wurden Reiseziele angesteuert, die wir vielleicht nie auf dem Plan gehabt hätten. Unschwer zu erraten: auch das Reisen hatte Corona in 2020 fest im Griff. 

Es fängt schon damit an, dass wir zum ersten Mal das Wohnmobil im Winter abgemeldet haben. Es ist noch Anfang Dezember 2019 als Europa noch glaubt, das Virus ist ganz weit weg und bedroht uns kaum. Der Grund für die Abmeldung ist auch nicht Corona, sondern, weil unsere Planungen und einige familiäre Verpflichtungen uns aufzeigen, dass es durchaus Mai oder Juni werden kann bis wir wieder Zeit haben, mit dem Wohnmobil wegzufahren.

Das hat uns zwar ein paar Euro Steuer und Versicherung gespart, doch als wir hätten wieder fahren können, bekommen wir keinen Termin zur Wiederzulassung unseres Wohnmobils. Alle Termine sind von Autohäusern und Zulassungsdienstleistern blockiert. Die aufgestauten Zulassungsaktivitäten aus der Lockdownzeit müssen erst einmal abgearbeitet werden. „Nicht so schlimm“ sagen wir uns, denn das Wetter spiel zunächst ohnehin nicht mit. 

Gewöhnen an Pandemiebedingungen

Dann ist es endlich soweit. Nummernschilder wieder gestempelt, die üblichen Wartungs- und Reinigungsarbeiten durchgeführt und das Wohnmobil eingeräumt. Es kann losgehen. Doch bei dem Blick auf unsere Wetter-App gibt’s nur lange Gesichter. Alle Zielregionen (und das sind eh nicht viele), die wir uns ausgedacht haben, locken nicht mit positiven Wetterprognosen. So wird die Wetter-App zum Reiseleiter. Der Reiseleiter sagt uns: „ab in den Osten“. Und in der Tat, er soll Recht behalten. Durch die Medien sind wir vorgewarnt, das die Gastronomen an der Ostsee einen Ansturm erwarten. Also entscheiden wir uns für ein, aus unserer Sicht, nicht so stark favorisiertes Ziel. Die Wahl fällt auf dem Spreewald, denn WoMoline will gerne in diese Ecke fahren. 

Dort angekommen, müssen wir feststellen, alle Wohnmobilstellplätze belegt. Auch auf den Campingplätzen in Lübbenau und Umgebung und in Burg ist nichts mehr zu machen. Leicht frustriert, aber immer noch frohen Mutes, fahren wir wenigstens einmal durch Lübbenau, um einen Eindruck von dem Ort zu bekommen. Ganz am Ende, da, wo es wieder zur Autobahn geht, sehen wir einen großen Platz auf dem viele Wohnmobile stehen. Keine der Apps die wir befragt haben, haben diesen Platz im Angebot. Kurzentschlossen gesellen wir uns zu den anderen Wohnmobilen. Es stelle sich heraus, dass das gar kein Wohnmobilstellplatz ist, sondern der Tagesparkplatz für Omnibusse. Doch jetzt, kurz nachdem Lockdown, haben die Reisebusunternehmer ihre Touren noch nicht verkauft. So sucht man vergebens nach einem Omnibus. Die Gemeinde freut sich, dass die Wohnmobilbesitzer nun die 12 € Tagespauschale bezahlen und man lässt die Wohnmobile, respektive ihre Besitzer gewähren. Der Stadtkämmerer freut sich.

Ungläubig schaue ich in die Runde. Sehr viele Wohnmobile sind vom neuesten Produktionsdatum. Nachdem wir mit einigen gesprochen haben wird uns deutlich, viele WoMos sind Wohnmobile, die seit dem letzten Herbst ausgeliefert wurden. 

Die Besitzer sind, seitdem es nun möglich ist, unterwegs auf ihrer allerersten Ausfahrt. Also ein Platz mit vielen Neulingen. Wir treffen auch zwei alte Hasen. Sie berichten, dass sie Rügen angesteuert haben, doch nach fünf Stunden Stau haben sie entnervt umgedreht. Wenigstens mit der Idee Ostsee haben wir alles richtig gemacht.

Uns wird klar, dass alle Wohnmobile, die normalerweise zu dieser Jahreszeit in Italien, Kroatien, Frankreich oder sonst wo sind, nicht zu Hause stehen, sondern sie sind in Deutschland unterwegs. Dadurch wird es auf den Wohnmobilstellplätzen und Campingplätzen eng. Die Stimmung unter den Reisenden ist aber durchweg positiv. Alle sind froh, dass sie nun endlich on tour sein können. Im Osten sind die Corona-Regeln zu dieser Zeit ohnehin etwas moderater. Die wirklich kritischen Gebiete liegen im Süden und Westen der Republik.

Nur eines ist anders: es gibt ein ganz neues Gesprächsthema und das beherrscht alles. 

Und das heißt: Corona. 

Egal wo und mit wem, es dauert nicht lange bis dieses Thema gestreift wird. Bei manchen ist es vielleicht nur eine sarkastische Bemerkung, bei vielen anderen ist es aber ein Bedürfnis, sich mit den Anderen darüber ausgiebig auszutauschen. 

Dem Thema entkommt keiner. Das wird sich auch im Laufe des restlichen Reisejahres nicht mehr ändern und ich fürchte es wird im Jahr 2021 auch nicht anders sein.

Azyklisch Reisen ist gar nicht so einfach

Nach ausgiebigen Radtouren im Spreewaldgebiet beschließen wir, uns Richtung Elbsandsteingebirge zu orientieren. 

Unsere Erfahrungen aus vergangenen Jahren helfen nicht wirklich weiter, denn alle verhalten sich nun anders als gewohnt. Dies erkennen wir bei einem Zwischenstopp in Senftenberg. Senftenberg liegt im ehemaligen Tagebergbaugebiet auf dem Weg nach Dresden. Hier wird die ganze Region zu einem Feriengebiet umgestaltet. Vorbild scheinen klassische Touristikzentren z.B. in Oberitalien und an der Adria zu sein. Und genauso geht es dort auch zu.

Wir beschließen, das von uns ins Auge gefasste Elbsandsteingebirge auf später zu verschieben, denn wir vermuten, dass es uns dort ähnlich ergehen wird wie im Spreewald und auch hier in Senftenberg.

Corona: das allgegenwärtige Phantom

Stattdessen wollen wir etwas für unsere Bildung tun und besuchen Weimar, Erfurt und Coburg. Zumindest in Weimar und Erfurt begegnet uns, ähnlich wie im Spreewald, ein etwas lockerer Umgang mit den Einschränkungen der Coronakrise. Die einzigen sichtbaren Merkmale sind Masken im Straßenbild und bei Bedienungen in Restaurants und hie und da Plexiglasschreiben in den Geschäften im Kassenbereich. Unser Eindruck ist: man hält sich einigermaßen an die von oben verordneten Vorgaben, aber wirklich überzeugt davon ist kaum einer. Mehrfach erleben wir folgenden Dialog:

„Haben Sie Corona?“
„Nein“ antworten wir,
„Kennen Sie jemanden, der Corona hat?“
„Nein“
„Sehen Sie, ich auch nicht.“ 

Corona wird fast zu so etwas wie einem Phantom. Man hört es nicht, man sieht es nicht. Auch beim Riechen und Schmecken – Fehlanzeige. Und doch ist Corona allgegenwärtig. Immer und überall.

In Coburg, wir sind schon in Bayern, wo die Infiziertenzahlen zu diesem Zeitpunkt deutlich höher sind. Dort werden die verordneten Maßnahmen deutlich ernster genommen. So zumindest unser Eindruck. Vielleicht liegt es an der Tatsache, dass die Medienberichterstattung in Bayern doch deutlich dramatischer gewesen ist als im Osten und sich das auf die Stimmung und Haltung der Bevölkerung auswirkt. Vielleicht hat die bayrische Staatsregierung auch deutlichere und schärfere Regeln vorgegeben, oder deren Einhaltung stärker überwacht. Ich weiß es nicht. Wir sehen auf jeden Fall deutlich häufiger ausgeschilderte Laufzonen mit Abstandsmarkierungen, Einbahnwegeregelungen nicht nur beim Freibad, strikte Befolgung von Besucherhöchstgrenzen usw.. Und wenn sich beim Anstehen für ein Eis to go doch Mal eine Nachlässigkeit einschleicht, dann wird der Regelbrecher mal höflich, öfter sehr bestimmt und manchmal auch richtig barsch auf seinen Regelverstoß hingewiesen.

Die scheinbar große Entspannung

Fünf Wochen später in der Ortenau. Temperaturen weit über 30 Grad, sinkende Coronafallzahlen, immer weniger Masken im öffentlichen Straßenbild. Wenn ich zum Einkaufen gehe, dann passiert es immer häufiger, dass ich aus dem Auto ohne Maske aussteige und dann noch mal umkehren darf. Toller Wein, wunderschöne Wanderungen an den Hängen des Schwarzwaldes und des Kinzigtals, Gaumenfreuden in der Restauration toller Hotels und bei Sterneköchen. Leben wie Gott in Deutschland, manchmal ganz kurz unterbrochen durch Maskenpflicht – z.B. beim Gang zu einem gewissen Örtchen. 

Das Ganze fühlt sich an wie das letzte Aufbäumen der Pandemie. Die hohen Temperaturen heizen dem Virus kräftig ein und erste Meldungen der Presse über Erfolge bei der Impfstoffentwicklung nähren die Hoffnung, dass es zum Ende des Jahres einen zugelassenen Impfstoff gibt. Keiner kann sich des Eindrucks erwehren, dass das die ultimative Allzweckwaffe im Kampf gegen die Pandemie ist und dem Virus den Rest gibt. Heute wissen wir, es wird anders kommen.

Warten auf normales Reisen

Wir hangeln uns am Rhein entlang immer weiter südlich Richtung Basel. Diesmal lassen wir den Kaiserstuhl rechts liegen, denn unser Weinlager im Wohnmobil ist übervoll. Irgendwann biegen wir nach links in den Hochschwarzwald ab. Wir fahren durch den Hochschwarzwald bis nach Bad Säckingen durch eine wunderschöne Landschaft. Menschen sehen wir nur Menschen, dort wo Gasthäuser links und rechts der Straße sind. Ansonsten sind wir, wenn wir stehen bleiben und beim Wandern weitestgehend allein. 

Erst auf unserer weiteren Strecke von Bad Säckingen den Rhein entlang bis kurz vor Schaffhausen holt uns das Thema Corona wieder ein.

Das bange Warten, ob Überwinterung im Süden möglich ist

Auf den Wohnmobilstellplätzen entlang des Rheins sehen wir auffallend viele Wohnmobile mit Schweizer Kennzeichen. Deutsche Kennzeichen sind schon fast Exoten. Wie sich herausstellt, sind das überwiegend Schweizer, die darauf warten, dass sie in Richtung Südspanien, Portugal oder sogar Marokko aufbrechen können. Sie warten auf sichere Indizien, dass, wenn sie einmal im Süden sind, nicht wieder wie im Frühjahr, mit Polizeigewalt und mit sehr engen Zeitvorgaben zur Heimfahrt gezwungen werden. Sie versammeln sich auf der deutschen Seite des Rheins, weil für Sie das Leben in Deutschland und die Wohnmobilstellplätze wesentlich günstiger sind als in der Schweiz. Tja von den reichen Schweizern kann man das Sparen lernen. 😉

Auf der ganzen Strecke von Bad Säckingen, Waldshut-Tiengen bis kurz vor Schaffhausen geht das Leben seinen gewohnt gemächlichen Gang. Dennoch bemerken wir zunehmend eine gewisse Skepsis der Menschen. Es kommt uns vor wie: „Es geht uns gut, alles funktioniert, aber wir trauen dem Frieden nicht so ganz.“

Wir wollten eigentlich noch bis Konstanz oder vielleicht sogar bis Meersburg weiterfahren, aber der Wetterbericht verheißt auf längere Sicht nichts Gutes. So entschließen wir uns, uns über die Autobahn in Richtung Norden abzusetzen. Bei einem kurzen Boxenstopp in Rottweil überholt uns dann das angekündigte Schlechtwetter und wir werden klitschnass. Trotz Regen, das Städtchen ist sehenswert.

Die Stimmung kippt

Mitte September waren wir u.a. im Blühenden Barock in Ludwigsburg. Die Stimmung ist noch wie vor kurzem am Rhein. 2 1/2 Wochen später, wir schreiben jetzt Anfang Oktober, starten wir zu unserer letzten größeren Fahrt im Jahr 2020. Startpunkt ist dieses mal Idar-Oberstein. Diesen Ort wählen wir, weil in Frankfurt mittlerweile die Kontaktregeln im öffentlichen Bereich  deutlich verschärft sind. Nach dem Prinzip Vorsicht haben wir ein Wiedersehen mit einer Freundin, die mittlerweile in Frankfurt lebt, nach Idar-Oberstein verlegt. 

Über Königstein, Kelkheim und Idstein durchqueren wir dann den Taunus, bis wir bei Weilburg auf das Lahntal treffen. Von hier aus folgen wir der Lahn flussaufwärts. Über Wetzlar, Gießen und Marburg geht es weiter bis fast zu Ursprung der Lahn. 

Von Weilburg bis zum Lahn-Ursprung in der Nähe von Neften, wollten wir eigentlich überwiegend mit dem Fahrrad auf dem Lahntalradweg unterwegs sein. Das sehr durchwachsene Wetter lässt aber aus der geplanten Wohnmobil-Radtour ein Städte- und Wohnmobilstellplatz-Hopping werden. Über Siegen und Olpe geht’s ins Ruhrgebiet zum Familienbesuch. Der Heimweg führt uns dann über Kassel und Fulda zurück nach Franken.

Hätten wir die von uns wahrgenommene Stimmung in einer Fieberkurve aufgezeichnet, so wäre eine sich stetig beschleunigende Absturzkurve entstanden mit hartem Aufschlag am Ende unserer Reise.

Ab Wetzlar gibt es unter den Wohnmobilisten praktisch keine Kommunikation mehr. Jeder grüßt von Ferne und verkriecht sich so schnell wie möglich im Wohnmobil – und daran ist nicht nur das wechselhafte Wetter schuld. Das kleine Schwätzchen beim Ziehen des Parktickets, der Erfahrungsaustausch nach dem Stadtbummel, der Radtour, der Wanderung, der Smalltalk an der Entsorgungsstation, wird immer seltener und kürzer, je weiter wir gen Norden kommen. In gleichem Maße wird die Berichterstattung im Radio immer dramatisierender und hysterischer. 

Wir stellen auf Musikkonserven ohne Nachrichten um, um der Depressionswelle entgegenzuwirken, die so viele heimsucht. Den meisten der uns umgebenden Wohnmobilisten, als auch den Menschen, denen wir in den Städten und Ortschaften begegnen, ist diese Stimmung quasi unsichtbar auf die Stirn geschrieben. Die Stimmung schwankt zwischen Resignation und zunehmender Aggression.

Auch wenn wir alles tun, um uns diesem Stimmungsabsturz so gut es geht zu entziehen, ganz gelingt es auch uns nicht.

Als wir dann zu Hause ankommen, das Wohnmobil winterfertig machen und Ende November dann ins Winterlager fahren, da kommt uns ein Satz über die Lippen, den wir so in den vergangenen Jahren noch nie verspürt oder gar ausgesprochen haben: „So, nun is gut“

Wir brauchen Urlaub vom Reisen. Das hätten wir uns nie träumen lassen. Doch Corona macht’s möglich.

Gibt es ein Fazit?

Kurz und knapp. Nein, ein Fazit gibt es nicht.

Wollte ich eines ziehen, dann müsste ich eine Menge von Fakten und Ereignissen adressieren, die zwangsläufig viele öffentlich auftretenden Personen blamieren würden.

Das wird aber der Sache nicht gerecht. Ich habe große Achtung vor der Verantwortung, die viele dieser Personen tragen und versuchen, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Auch wenn immer wieder einzelne Personen versuchten, persönliche Interessen mit ihrem Auftrag zu verbinden, oder gar ihren Auftrag und ihre persönlichen Interessen verwechseln, so muss man allen zugestehen, dass der Panikmodus der nahezu alle Lebensbereiche infiltriert hat, auch diesen Verantwortungsträgern die Sicht und Urteilsfähigkeit vernebelt. Auch sie sind nur Menschen.

Tauschen möchte ich da mit keinem.

Eine Prognose wage ich aber doch:

Wer so wie wir, mit dem Wohnmobil reist, ist darauf angewiesen, dass die Menschen in den Zielregionen und die anderen Reisenden mit Fröhlichkeit, Zuversicht und Offenheit einem gegenübertreten, genauso wie wir dies gegenüber unseren Gastgebern und Mitreisenden tun und tun wollen. Nur so wird aus einer Reise ein unvergessliches Erlebnis. Leider wurde durch diese Coronapandemie viel von dieser Basis zerstört und es wird eine längere Zeit brauchen bis diese Kollateralschäden beseitigt sind. 

Aus dem Gesagten leitet sich vielleicht doch noch ein Fazit ab:

Es wird noch viel mentale Arbeit bei Reisenden und bei Gastgebern zu leisten sein, bis das Reisen (z.B. mit dem Wohnmobil) wieder eine solch freudvolle Angelegenheit sein wird, wie wir das in den letzten acht Jahren erlebt haben. Jeder ist aufgerufen seinen Beitrag zu leisten, indem jeder wieder mit Neugier und Empathie auf die Mitmenschen zugeht und die Angst vor Nähe (Ansteckung) überwindet.

„Schiffchenkino“ in Lenz bei Malchow

Wir fahren weiter nach Malchow. Den Stellplatz, den wir uns ausgesucht haben, ist voll. Also fahren wir ein paar Kilometer weiter nach Lenz, wo wir einen sehr schönen Platz vorfinden. Direkt am Lenzer Hafen und dem Kanal, der den Plauer See mit dem Fleesensee verbindet.

Die 4 km langenlange Strecke nach Malchow führt über eine Holperstrasse, die mit dem Fahrrad nicht wirklich Spaß macht und in der Nacht sogar gefährlich wird. Diese Holperstrecke ist aber kein Hindernis, um uns Malchow nicht anzusehen. Als manchmal Technikbegeisterter muss ich die Drehbrücke in Malchow in Aktion sehen. Den durch die Öffnung der Brücke für die größeren Schiffe erforderlichen Aufenthalt überbrücken wir mit einem großzügig bemessenen Eis. Als die Schiffe durchfahren, werfen die Skipper oder einer ihrer „Untertanen“, einer alten Tradition gehorchend eine Münze auf die Brücke. Das ist das Dankeschön an den Brückenmeister, der die Straße sperrt und die Brücke öffnet und schließt. Früher musste so manches mit „Muskelkraft“ geschehen sein, doch heute hat der Brückenmeister eine komfortable Fernsteuerung und kann seiner Tätigkeit ganz entspannt nachgehen.

Der Ort selbst ist wieder sehr schön in Stand gesetzt worden. Nur das Kopfsteinpflaster bringt mein Hinterteil langsam zur Verzweiflung, obwohl ich meinem Hinterteil einen Gelsattel gegönnt habe.
Wir fahren weiter, hinüber zum Kloster und zur Klosterkirche, in der ein Orgelmuseum eingerichtet wurde. Beides gibt leider nicht viel her und so begnügen wir uns mit ein paar weiteren optischen Eindrücken vom Ort und dem Malchower Hafen. Hier, wie schon in den anderen Orten, findet sich im Hafen kein einziges Fischerboot mehr. Auch dieser Hafen ist ein reiner Yachthafen mit Landungsbrücke für Ausflugsschiffe der Weißen Flotte.

Auf dem Rückweg gönnen wir uns noch ein Fischbrötchen. Die gibt es hier in allen Variationen. Ob frisch oder geräuchert, frischer geht es nicht. Diesen McPom-Sushi darf man sich nicht entgehen lassen.

Den Rest der drei Tage verbringen wir neben zwei kleinen Radtouren am See entlang mit Dolce Vita und „Kanalschauen“. Ständig versuchen Enten und Schwäne die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und etwas fressbares zu erbetteln. Dazu wackeln sie kokett mit dem Schwanz, putzen sich wie eine Filmdiva vor ihrem Schminktisch, oder führen (und das ist besonders effektiv) ihren Nachwuchs vor. Auch wir werden unseren Bestand an trocken Brot los. 😉

Ständig fahren Boote von links nach rechts und von rechts nach links. Kleine Boote, große Boote, Boote mit posierenden Bikinischönheiten auf dem Vorderschiff und Blondinen auf dem Schoß des Skippers. Ich konnte mir bisher gar nicht vorstellen, wie kurzweilig ein solches Kanalkino sein kann. Und wer unbedingt das Ganze von der Wasserseite aus erleben möchte, kein Problem, überall finden sich Vermieter von führerscheinfreien Booten.
Es ist auch möglich ohne Bootsführerschein eine größere Yacht oder ein Hausboot zu chartern. Lediglich eine etwa 3-stündige Einweisung ist dafür erforderlich. Nun ja, und ganz billig ist dieser Spaß auch nicht. Nähere Auskünfte gibt es bei der Werft oder dem Charterer ihres Vertrauens! Die Fremdenverkehrsämter oder das Internet helfen gerne weiter.

Ab und an sieht man eines von diesen kuriosen Hausbooten, auf denen ein Wohnwagen oder ein Wohnmobil steht. Wer unbedingt im eigenen Bett auf dem Wasser schlafen will;
Geht nicht – Gibt’s nicht!

Wir begnügen uns mit amüsiertem Glotzen in unseren Campingstühlen und einem Cocktail in der Hand.

Und dann noch ein Tipp: Hier in Malchow gibt es im ehemaligen Filmpalast ein Museum zum DDR-Alltag mit viel Kuriosem, das auch die älteren Wessis (die Ossis sowieso) wiedererkennen werden. Ich empfehle selten Museen, aber hier mache ich bei schlechtem Wetter eine Ausnahme ;-).

Perspektivwechsel: Landblick von einer Müritz-Yacht

In Rechlin sind wir mir Bekannten verabredet, die dort ein „riesiges“ Hausboot liegen haben. Es ist wohl eher ein Schiff aus Stahl und Holz, keine Plastikschüssel, mit zwei Dieselmotoren, die einem modernen Sattelschlepper die Schau stehlen können, nicht nur was die Leistung angeht, sondern auch beim Sound der zu den 17t Gewicht passt.

Wir fahren hinaus über den See zur kleinen Müritz und diese hinauf. Wir lernen das Land von einer ganz anderen Seite, der Seeseite, kennen. Eine wunderschöne Seenlandschaft. Schilfzonen wechseln ab mit üppigem Baumbewuchs, der mich manchmal an Bilder von Mangrovengebieten erinnert. Immer wieder tauchen Gruppen von kleinen Bootshäusern auf. Sie sehen aus wie die Pfahlbauten am Amazonas. Wir taufen die kleine Müritz um zum: „Deutschen Amazonas“. Nur Piranias und Krokodile müssen wir hier nicht fürchten.

Müritz – Bootsfahrt

Wir wollen in einer Badebucht ankern, doch der niedrige Wasserstand in diesem Jahr vereitelt dieses Vorhaben. Wir setzen die Landschaftserlebnisfahrt fort.
Ich darf auch mal ans Steuer. Es ist ein gemächliches dahingleiten. Dennoch ist ein hohes Maß an Aufmerksamkeit erforderlich. Sehr viel vorausschauendes Handeln ist nötig, um sicher um die Biegungen und Untiefen, als auch um Segler und Kanuten herumzusteuern. Auch können Schwimmer auftauchen (und die sind in der glitzernden Wasserfläche ganz schwer auszumachen), die in den Fahrweg einfach nicht hinein gehören, aber trotzdem da sein können.

Müritz – Bootsfahrt

Am Abend, nach dem Zubereiten eines guten Essens in der Kombüse, lassen wir den Abend mit Sekt und Rotwein ausklingen. Dabei wird mir der Goldene Störtebeker Bierdeckel für die erfolgreiche Erststeuerung eines Müritz-Riesen verliehen. Ganz stolz liege ich an diesem Abend in unserer Koje.

Waren an der Müritz – McPom-Ballermann oder Möchte-Gerne-Monaco?

Früh haben wir uns aufgemacht nach Waren/Müritz. Es wird das Kontrastprogramm zu Neubrandenburg werden. Nur, wir wissen es noch nicht.
Wir fahren über Land. Das Land ist überwiegend vom Ackerbau gekennzeichnet. Riesige Felder, die jetzt zumeist schon abgeerntet sind. Hier und da sehen wir noch die großen Rundstrohballen auf den Feldern liegen. Die Meisten sind aber wohl schon im Trockenen und sicher vor überraschenden Gewittern. Nur vereinzelt sehen wir ein paar Kühe auf der Weide.

Der erste WoMoStellplatz an einem Blumencenter ist voll. So steuern wir die 2. Alternative in Waren an: ein Parkplatz in der Nähe des Hafens direkt an der Hafenpromenade. Schon die Zufahrt ist ziemlich eng und eher für PKWs gedacht. Mit Übernachtung 23€ für einen Stellplatz der Größe 2,5 m x 6 m, seitliches Aussteigen nur für schlanke Menschen vorgesehen, sowie Essensdüfte und Ballermann-Gegröhle inclusive. Die einzige Lehre, die wir daraus ziehen können ist: Fahr niemals einen Stellplatz in der unmittelbaren Nähe eines Hotspots an.

Der Hafen – ein Möchte-Gerne-Monaco?

Aber: wir wollen es ja so! und das werden wir noch bitter bereuen. Der erste Weg führt uns zum Hafen. Der Hafen wird umsäumt von allerlei Hafengastronomie, gelegentlich unterbrochen von Häusern mit Ferienwohnungen.

In den letzten Jahren wurden im östlichen Teil des Hafens Luxus-Immobilien direkt an der Kaimauer hochgezogen. Ein großer offener Platz trennt Boote von den Immobilien. Der Platz lädt zum Flanieren ein. Wer allerdings den Fischern bei der Arbeit im Hafen zusehen möchte, der wird enttäuscht sein. Kein einziges Fischerboot weit und breit. Stattdessen Rundfahrtschiffe, Hausboote und Yachten. Die ganz tollen Yachten liegen natürlich direkt an der Kaimauer, damit die Gaffer sie bei ihrem Abendessen an Deck und beim Champus schlürfen bewundern können. Es ist das gleiche Geschäftsmodell wie in St. Moriz, Kitzbühel oder Rottach-Egern. Die Reichen und Schönen bezahlen teure Schiffchen und Liegeplätze, um sich der Illusion von Wichtigkeit, Glanz und Glamour hinzugeben und dem einfachen Volk wird (kostenlos) die Möglichkeit gegeben auch mal (als Gaffer) „hautnah“ dabei zu sein, um für einen kurzen Moment die Illusion zu inhalieren, wie es sich anfühlt „auch dazu zu gehören“.
So bekommt scheinbar jeder was er braucht und will und die Cleveren kassieren ab.

Wir haben auf Bilder dieses seltsamen Treibens zum Schutz der Persönlichkeitsrechte verzichtet und belassen es bei einem Bild mit Anglern, die gegen die Veröffentlichung des Bildes nichts einzuwenden haben.

Die Stadt – Kulisse für ein zweifelhaftes Tourismusmodel?

Waren, ging im frühen 13. Jahrhundert aus einer slawischen Siedlung hervor und wurde durch westfälische Siedler ausgebaut. Acht Jahrzehnte war Waren Residenzstadt der Fürsten von Werle. Jahrhundertelang gehörte die Stadt zu Mecklenburg-Schwerin. Die Folgen des Dreißigjährigen Krieges, zahlreiche Stadtbrände und Epidemien warfen die Stadt in ihrer Entwicklung immer wieder zurück. Heute ist Waren mit rund 20.000 Einwohnern der Hauptort an der Müritz und wohl das Zentrum der Urlaubsregion Mecklenburgische Seenplatte.

Die weitgehend gut erhaltene Altstadt mit vielen historischen Bauwerken ist sehr schön restauriert, ebenso wie die am See liegenden Herrschaftshäuser und Villen zu beiden Seiten des Hafens. Sozialistische Einheitsarchitektur konnte sich hier nur in den Außenbezirken etwas durchsetzen. So ist ein zusammenhängendes Gesamtensemble in Waren erhalten geblieben.

Waren die Stadt der größten Schiffspropeller

Von Frank Liebig – Archiv Frank Liebig, CC BY-SA 3.0 de

Bei einer unserer Radausflüge kommen wir am südlichen Ortseingang an einem ausgestellten Schiffspropeller vorbei. Erst später erfahren wir, dass die Firma Mecklenburger Metallguss der Weltmarktführer für große Schiffspropeller ist. 2006 wurde der bis dahin größte jemals gegossene Schiffspropeller mit einem Gewicht von etwas mehr als 130 Tonnen und einem Durchmesser von 9,6 Metern ausgeliefert. Diesen Weltmarktführer hätte ich in einer Stadt am Meer, aber nicht an einem Binnengewässer erwartet.

Waren – ein Kurort?

Davon haben wir zunächst nichts mitbekommen. Das Flair und die Atmosphäre ist eher „Urlaubsort“. Doch seit den 20iger Jahren des 19. Jahrhunderts ist Waren ein Luftkurort. Nach der Wende wurde dieser Titel der Stadt 1999 erneut verliehen.

Inzwischen gibt es ein Kurzentrum auf dem Warener Nesselberg. Die Nutzung der Warener Thermalsole, führte 2012 dann zur Verleihung des Titels „staatlich anerkanntes Heilbad“

Vielleicht liegt das daran, dass das Kurzentrum etwas abgegrenzt vom Stadtzentrum liegt. Viele Kur- und Heilbäder sind oft auf diese Zielgruppe der Kurenden, der Rehabilitationsgäste usw. komplett ausgerichtet was sich dann auch in der Struktur der Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe niederschlägt. Dies trifft auf Waren auf jeden Fall nicht zu. Auch die Namenserweiterung „Bad“ hat die Stadt wohl noch nicht beantragt und wäre aus meinem Erleben auch nicht passend.

Ein Stadtbummel

In Waren geht es deutlich touristischer zu, als in den bisher besuchten Orten. Vor allem Shopping wird stark gefördert. Auf dem Marktplatz vor dem Rathaus ist gerade Wochenmarkt .
Zu unserer Überraschung finden sich dort auch Bekleidungshändler. Das hatten wir zuletzt in ländlichen Regionen Italiens gesehen. In Süddeutschland kennen wir so etwas auf Wochenmärkten schon lange nicht mehr. Es ist ein Kontrastprogramm zum Tourismus-Shopping, das vor allem von Marken, Marken und nochmals Marken geprägt ist. Das es diese Händler auf dem Wochenmarkt noch gibt, sagt etwas über das Verhältnis der Einheimischen zum Tourismus-Shopping aus. Würden sie es uneingeschränkt befürworten, dann wären die Bekleidungshändler auf dem Wochenmarkt schon längst verschwunden. Aber das sind sie nicht! Und das ist gut so.
Und: es sagt etwas über das Preisniveau und das zugehörige Einkommensniveau aus – es klafft auseinander. Während im Tourismus-Shopping Großstadtpreise verlangt werden, passt das Einkommensniveau offensichtlich nicht zu diesem Preisniveau. Die auf die zahlungskräftigen Touristen ausgerichteten Shoppingmeilen sind für die Ortsansässigen tendenziell zu teuer. Und so sind die fliegenden Bekleidungshändler auf diese Zielgruppe ausgerichtet mit einem Preisangebot das zur Einkommenssituation passt. So mancher Tourist mag solche Märkte romantisch finden, dahinter steckt aber letztlich ein System der Ausbeutung, das man in allen angesagten Tourismushochburgen beobachten kann. Die Einheimischen können sich das Preisniveau ihrer eigenen Regionalwirtschaft nicht mehr leisten. Das ist nicht nur in Waren an der Müritz so, sondern auch auf dem Wochenmarkt in einem touristisch vermarkteten toskanischen Bergdorf, in Almeria, Sevilia oder an der Côte d’Azur.

Einen wirklich bleibenden Eindruck hinterlässt Waren’s Shoppingmeile in historischer Kulisse bei uns nicht.

Trompe-l’œil-Gemälde

Doch da ist noch was. Wie schon in Neustrelitz, entdecken wir zwei weitere Illusionsmalereien an Gebäudefassaden, die in der Kunst als Trompe-l’œil-Gemälde bezeichnet werden. Nur hier eben nicht auf Bildern sondern auf Fassaden, wobei die real existierende Umgebung der Fassade mit in die Wirkung des Kunstwerks einbezogen wird. Witzige Ideen für sonst vielleicht langweilige oder gar unansehnliche Gebäudefassaden. Sind diese Illusionsmalereien ein Merkmal für McPom?.

Wo Wasser ist, gibt’s Fischrestaurants

Wo Seen sind, da sind auch Fischer. Und wo es fangfrischen Fisch gibt, da gibt’s auch Fischrestaurants. Das ist in Waren auch nicht anders als anderswo. Nach etwas Suchen haben wir in einer Seitengasse der Altstadt ein nettes Fischrestaurants gefunden. Und wir lassen uns zwei Fischfilets servieren. Ich lerne dabei, dass die kleine Maräne im Süddeutschen Raum als Renke, beziehungsweise am größten Binnensee Deutschlands, als Bodenseefellchen bezeichnet wird. Egal welchen Namen man dem Fisch gibt, beide Fischfilets waren vorzüglich. Der Pfälzer Spätburgunder (natürlich trocken), den ich mir dazu ausgesucht hatte, war gut und passend. Ein Spätburgunder Weißherbst der Machart, wie wir sie in den Kellereien im Badischen vor wenigen Wochen verkostet haben, wäre aber die bessere Wahl gewesen. Leider gab die Karte des Restaurants diese Auswahlmöglichkeit nicht her.
Wer in diese Region fährt, der darf ein Fischessen nicht auslassen. Wohnmobilisten mit Kochkünstlerambitionen können sich auch bei den Fischerhöfen frischen oder frisch geräucherten Fisch besorgen. Die meisten Fischerhöfe haben ein großes Schild an der Strasse. Einfach reingehen, fragen was der See heute ins Netz oder in die Reusen gespült hat und auswählen.
Mein Favorit ist frisch geräucherter Aal.

Den Abend lassen wir auf einer Parkbank direkt am Wasser ausklingen und wir schauen den Vögeln bei ihrem Spiel zu, während die Sonne langsam am Horizont verschwindet.

Waren jenseits von Event- und Shopping-Tourismus

Eigentlich wollten wir weiter fahren. Eine Reifenpanne verhindert dies jedoch. Wir haben uns an der Entsorgungsstation ein dickes Loch in den rechten Vorderreifen gefahren. Die Verriegelung für die Grauwasserentsorgung war nicht vorschriftsmäßig umgelegt und schlitzt unseren Reifen auf.
„Dumm gelaufen“.

Anstatt unser nächstes Ziel anzusteuern, organisieren wir uns erst einmal einen neuen Reifen. Natürlich hat der ortsansässige Reifenhändler keinen Passenden vorrätig. Wir sind ja auch nicht mit einem Polo, Golf oder Astra unterwegs. Das beschert uns einen weiteren Tag in Waren.

Nachdem alles organisiert ist, satteln wir unsere Drahtesel und starten zu einer Tour durch den Müritz-Nationalpark.

So sieht Natur aus, wenn man sie sich selbst überlässt.


Mit welcher Selbstherrlichkeit sind wir Menschen doch unterwegs und glauben immer zu wissen, was das Beste für das größere Ganze ist. Hier können wir sehen: die Natur kann gut für sich alleine sorgen.
Das können wir hier nicht nur sehen sondern auch erleben. Einige betrachten die Fahrt durch den Nationalpark als sportliche Herausforderung. Die werden etwas verpassen. Es ist eine von den Touren, bei denen Langsamkeit erst den Zugang zum Erlebnis ermöglicht.
Hilfreich um das Auge (und die Ohren) auf das Erlebnis vorzubereiten ist, eine Führung von einem Ranger der Nationalparkinformationszentren, von denen es am Rande des Nationalparks wohl mehre an den Zugängen gibt. Sie weisen dem Stadtmensch darauf hin, auf was er achten muss, damit man die interessanten Dinge überhaupt sieht, ob das nun Milane oder Seeadler sind, seltene Pflanzen oder unbekannte Geräusche… . Zeit nehmen und Wahrnehmen ist hier die Devise.

Wir haben vor, bis Rechlin zu fahren, doch einsetzender Regen zwingt uns einen Bootsanleger am Bolter Kanal anzusteuern und von dort aus mit dem Schiff die Rückfahrt anzutreten. Bei Regen sieht das Land von der Seeseite trist, nicht wirklich einladend aus.

In Waren angekommen suchen wir uns nur noch etwas zu essen und wollen früh ins Bett. Daraus wird aber nichts. Erstens, weil in der benachbarten Hafengastronomie Live-Musik angesagt ist und wir mit zwei anderen Wohnmobilisten in der Abenddämmerung, (die Regenschauer haben sich längst wieder verzogen,) dem Ballermann-Krawall gehorchend, bis spät in die Nacht „versumpfen“, denn an schlafen ist bei dem Krach nicht zu denken.

Am nächsten Morgen ist alles fahrbereit, nur der neue Reifen fehlt noch. Die Jungs vom Reifenservice haben sich etwas verspätet, aber sie legen sich ins Zeug (vielen Dank dafür) und wir können fast wie geplant um kurz nach 11 Uhr den Platz in Richtung Rechlin verlassen.

Waren an der Müritz: Ein Fazit

Der Text zuvor macht es wohl schon deutlich: besonders begeistert sind wir nicht. Waren ist letztlich eine noch nicht richtig entwickelte und daher schlechte Kopie fragwürdiger Tourismuskonzepte, wie wir sie in Rottach-Egern, St. Moriz, Monaco oder Venedig vorfinden. Die Voraussetzungen für eine Kulisse einer „Schein-Welt“ ist mit viel Geld und Subventionen entwickelt und geschaffen. Aber die Menschen, die das betreiben sollen, passen dort nicht hin. Die können das nicht! Das sind keine Hollywood-Marionetten und das macht mir die Menschen schon wieder sympatisch – weil sie sich nicht einen Habitus antrainieren der nicht zu ihnen passt und den sie auch nicht leben wollen. Ich bzw. wir bedauern sie, denn sie müssen in ihrer Heimat etwas leben was sie nicht sind. Klar, der eine oder andere verdient damit richtig Geld, aber Authentizität und Lebensfreude können sich die Menschen mit dem Geld nicht kaufen und die, die nicht die große Kohle machen, schon gar nicht. So bleibt ihnen nur ein Spiel mitzuspielen, das zu ihnen nicht passt – oder weggehen.

Aber einen Lichtblick gibt es doch. Der Müritz-Nationalpark könnte ein Ansatzpunkt zu einem Umsteuern im Bereich des Tourismus sein. Um weg zukommen von einem schlecht kopierten Tourismuskonzept aus dem Westen zu einem wirklichen Alleinstellungsmerkmal, das sich aus den Begriffen Natur, Heimat, Authentizität und traditionelle Lebensweise der Menschen speist.

Aber vorerst gilt: Es gibt auch andere Eingänge in den Nationalpark – also Waren an der Müritz muss es nicht unbedingt sein.

Neustrelitz – Eine spätbarocke Stadtanlage

Auf dem Weg zum Wohnmobilstellplatz durchfahren wir die Stadt und uns fällt, wie schon in Fürstenberg, die Pflasterung mit „Flusssteinen“ auf. Wenigstens die Fahrwege wurden davon verschont. Für Fußgängerinnen ist das aber ein absoluter High-Heel-Killer.

Flusssteinpflaster

Auch unser Wohnmobil mag das gar nicht. Der gerade erst reparierte rechte Seitenspiegel lässt uns das deutlich wissen: er quietscht wieder, wie vor der Reparatur. 😉 Das (mit den Flusssteinen) mag vielleicht dem historischen Vorbild sehr nahe kommen oder entsprechen – wie wir finden, passt dies aber nicht mehr in die heutige Zeit, Denkmalschutz hin oder her. Wir fahren ja heute auch nicht mit einem Ochsengespann auf den Markt-Platz am Freiburger Münster, bloß weil es dem historischen Bild näher kommt als die heute üblichen Transportfahrzeuge wie Fiat Ducato, Mercedes-Sprinter und Co.
Hier wurde unsinniger Weise viel Aufbau-Ost-Geld, im wahrsten Sinne des Wortes, im Boden versenkt. Das hätte sinnvoller angelegt werden können.

Wenigstens hat man hier in Neustrelitz auf den Fahrbahnen auf die Flusssteine verzichtet.

Der Stadthafen ist ein Schmuckstück geworden

Der Stadthafen am Zierker See ist das Tor zur Havelwasserstraße und in die Seenplatte. Hier liegt auch der Wohnmobilstellplatz, der, wie die Bootsliegeplätze, vom Hafenmeister betreut werden. Eingerahmt ist der alte Stadthafen von alten Speicherhäusern. Es ist das erste Mal, dass mir bewusst auffällt, das eine alte Industriebrache, die es in der ehemaligen DDR noch zuhauf gibt, liebevoll restauriert und einer neuen Nutzung zugeführt wurde. (Zugegeben, es sind keine Industriebauten aus der DDR-Zeit sondern aus der Gründerzeit der Stadt und damit eher ein kulturhistorisches Erbe.) Aus den Speicherhäusern wurde ein Hotel und Wohnungen, die von Einheimischen und nicht von Geld-Wessis bewohnt werden. Der Stadthafen dient heute als Anlegestelle für Hausboot -Touristen, von denen wiederum die umliegenden Hafenrestaurants und Cafés profitieren.

Ausflug in die nähere Umgebung

Wir machen eine Fahrradtour am See entlang. Hier finden wir alsbald Industriebrachen jüngeren Datums, um die sich offensichtlich keiner kümmert. Eine Hinterlassenschaft der Wende, die wir immer wieder im Osten gesehen haben. In Gesprächen mit Ortskundigen, die wir darauf ansprechen, wird uns erklärt, dass so manches Grundstück immer noch brach liegt, weil Eigentumsverhältnisse nicht geklärt sind.  Und das 30 Jahre nach der Wiedervereinigung? Ich mag das fast nicht glauben – aber es scheint, vielleicht nicht bei allen (Industrie-)Brachen, so zu sein. Sicher gibt es auch noch andere Gründe, wie der rabiate „Kahlschlag-Umbau“ von Kanzler Kohl der zu blühenden Landschaften führen sollte. Ja, es gibt diese „blühenden Landschaften“ wenn man bei der Reise durch die Blühenden Landschaften immer im rechten Moment ein Nickerchen macht! – Dann, wenn man an den abgewickelten Betrieben vorbei fährt.

Unterwegs begegnen uns aber auch ehemals herrschaftliche Villen, die von früherem Reichtum künden.

Eine Illusion lässt uns inne halten

Und dann bleiben wir vor einem Hotel verdutzt stehen und trauen unseren Augen nicht. Mitten in der eher trist wirkenden Umgebung eine Hofeinfahrt zu einem idyllisch wirkenden mittelalterlichen Hotelanlage…
… oder doch nicht – ist das alles nur eine Illusion?

Wir müssen schon drei mal hinschauen, bevor wir Illusion und Wirklichkeit von einander unterscheiden können.
Auf jeden Fall haben die Macher des Fachwerk-Graffiti ihr Ziel erreicht: Sie haben die Aufmerksamkeit der Vorbeikommenden auf ihr Werk und damit auf das Hotel gezogen, wo sonst der Blick einfach vorbei gerauscht wäre.

Zurück in die Zukunft des Spätbarock

Auf dem Rückweg fahren wir durch die Stadt und verbotener Weise durch den Schlossgarten. Die frühere Residenzstadt der Herzöge von Mecklenburg-Strelitz wurde im Spätbarock gegründet. Dem entsprechend herrscht in der weitgehend erhaltenen historischen Bausubstanz die Architektur und Gartenkunst des 18. und 19. Jahrhunderts vor. Sehenswert sind die Schlosskirche und die Orangerie, ein schöner klassizistischer Gartensalon, der heute als Restaurant genutzt wird.

Einen Tag Seele baumeln lassen

Wir sind ja nicht auf der Flucht – also dürfen wir auch mal einen Tag nichts tun, so meint es zumindest WoMoline. Die Gelegenheit ist günstig, denn einen solchen mustergültigen WoMoStellplatz findet man nicht jeden Tag. Sogar mit „begrüntem Vorgarten“. Hier hat man tatsächlich ca. 3 m breite Parkbuchten für die Wohnmobile geschaffen an denen, durch Bordsteine getrennt, Rasenflächen mit etwa doppelter Markisenbreite angrenzen. Und diese werden auch regelmäßig gemäht. Herzlichen Dank an die Verantwortlichen der Stadt.

Zu einem Relaxingtag gehört natürlich auch etwas Gutes zum Essen. Und das hat WoMoline aus den Resten im Kühschrank gezaubert:
frisches Pfifferlings-Zucchini-Ragout mit selbst gemachten Semmelknödeln.

Eine Begebenheit zum Schmunzeln

Auf dem Wohnmobilstellplatz, der gut besucht ist, steht ein älteres Wohnmobil mit etwas derben Bewohnern und einem nervig, dauerkläffenden Hund. Dieser Hund verbellt alles was vorbei kommt – ob Nachbarn, andere Hunde, Enten, einfach alles. Die Besitzer werden dem Gekläff einfach nicht Herr und machen aus der Not eine Tugend. Sie feuern das Gekläff auch noch an, was wiederum zu umliegendem Kopfschütteln führt. Einige stellen sich sogar in Sichtweite der Hundebesitzer auf und drücken mit verschränkten Armen und starrem Blick ihr Missfallen aus. Das führt aber zu keinerlei Reaktion. Angesprochen hat die Hundebesitzer aber auch niemand. Manchmal muss man solche Zeitgenossen ertragen, oder den Standort wechseln. Das haben wir auch am nächsten Tag getan.

Beschaulichkeit im Norden Brandenburgs

Werder an der Havel ist nicht weit weg von Schloss Sanssouci. Als wir das letzte Mal in Berlin waren, haben wir auf der Rückfahrt Potsdam und dieses Schloss besucht, aber die Zeit, die uns zur Verfügung stand, war viel zu kurz. So überlegen wir, ob das eine Gelegenheit wäre dies nachzuholen. Nach kurzer Überlegung befinden wir aber einstimmig: Uns steht jetzt der Sinn nicht nach Preußen und geschichtspolitischen Geistesergüssen.

Also fahren wir weiter nach Fürstenberg. Wiesen und Felder säumen unseren Weg. Und – immer wieder Alleen. Die Alleen scheinen ein Kennzeichen der Verbindungswege in dieser Region zu sein. Sie spenden Schatten, sorgen für einen Windschutz und geben in diesem flachen Land Orientierung.

Fürstenberg/Havel ist eine Stadt an der Oberhavel und liegt im Norden Brandenburgs. Wegen der Vielzahl an Seen, Flüssen und Bächen, die die Stadt prägen, führt Fürstenberg auch die Zusatzbezeichnung Wasserstadt. Es gibt gleich drei Stadtseen, die alle irgendwie mit einander verbunden sind. Fürstenberg ist landschaftlich idyllisch gelegen wie wir bei der Anfahrt feststellen können. Der Ort selbst wirkt eher beschaulich und schön renoviert. Sonst scheint es nicht allzu viel zu sehen zu geben. Der Bär tobt woanders. Den Schildern nach zu urteilen, ist dieses Gebiet ein gut erschlossenes Radwandergebiet. Ebenso dürfte Flusswandern mit Kanu oder Kajak, wie wir beobachten können, hier im Trend liegen. Abseits der großen Touristenströme kann man sicher gut seine Seele baumeln lassen. Wie das allerdings ist, wenn am Wochenende die Berliner „einfallen“, Berlin liegt schließlich nur einen Katzensprung entfernt, weiß ich nicht. Nichts lässt darauf schließen, dass es hier zugeht wie im Falle Münchens am Starnberger See, oder am Tegernsee.

Wir fahren nach einem Stück Kuchen und einem Cappuccino weiter nach Neustrelitz, denn wir sind ja noch nicht in McPom, sondern am nördlichen Ende Brandenburgs.