Urlaub vom Reisen 😉 – Ein Abstecher zu Münchens entferntesten Badesee

Wir müssen langsam an die Fahrt nach Hause denken. Es gibt zwei Alternativen. Entweder gehen wir noch entlang der Rückreiseroute weiter auf Entdeckungstour, oder wir machen „Urlaub vom Reisen“ 😉.

Wir entscheiden uns für letzteres und steuern Münchens entferntesten Badesee – den Gardasee an.
So rumpeln wir wieder durch die Poebene, diesmal weiter westlich. Durch einige Hinweisschilder wird uns bewußt, wir sind im Ferrariland. Hätten wir noch ein paar Tage mehr Zeit, dann hätten wir sicher ganz spontan einen Abstecher nach Marnello gemacht, denn Ferrari ist für mich auch ein Symbol für Italien.

Wir fahren durch bis Peschiera del Garda. Der Übernachtungsplatz, den wir uns ausgesucht hatten, entsprach allem Anderen als unseren Vorstellungen. So fahren wir gleich weiter nach Lazise, wo wir einen Stopp für einen Cappu einlegen und gleich einen Stadtrundgang anschließen.

Einen schönen Übernachtungsplatz finden wir in Malcesine etwas abseits der Uferstraße auf einer Anhöhe unweit der Bergbahn. Ideal zum chillen und keine 5 Fahrradminuten zum Zentrum. Hier lässt sich italienische Lebensart mit Alpenflair verbinden.
Malcesine 1Eigentlich ist noch alles wie vor 50 Jahren. Klar, alles mehrfach modernisiert, doch im Grunde immer noch wie damals, als sich die langsam etablierenden 68iger mit ihrem VW-Bus und mehreren Surfbrettern auf den Dach in einem Restaurant oder gleich am Gardaseeufer trafen, um sich den neuesten Tratsch von der Ludwig-Maximilians-Universität oder den Schwabinger Kneipen zu erzählen.
Ein Ballermann ist der Gardasee nie gewesen. Abgesehen von einzelnen Auswüchsen, hat der anhaltende und nie wirklich abebbende Ansturm auf den See den Gardasee auch nicht zu einem Touristennepp werden lassen. Es mag vielleicht an der Mischung von Bodenständigkeit und Geschäftstüchtigkeit der Einheimischen liegen, dass der Gardasee noch immer ist was er einmal war – ein Münchner Badesee nicht nur für Münchner. 😊

Malcesine 5Wir genießen das angenehme warme Klima unter Palmen und Olivenbäumen. Unseren täglichen Cappu nehmen wir allmorgendlich in einem anderen Lokal in der Ortsmitte zu uns. So ergibt sich auch noch die Möglichkeit, italienische Spezitäten einzukaufen, die sich auch gut als Mitbringsel eignen, zum Beispiel für unsere liebe Nachbarin, die unseren Kater während unserer Abwesenheit verköstigt und bekuschelt. Je nach Lust und Laune fällt der Rückweg mit den Rädern etwas kürzer oder auch etwas länger aus. Mit den Sportskanonen wollen wir uns nicht messen, die machen es nicht unter 80 km und vielen vielen Höhenmetern. Wir bleiben brav in Ufernähe, da ist es bekanntlich weitestgehend eben und mit 30 km am Tag sind wir mit unseren Tourenrädern (ohne elektrische Unterstützung 😊) absolut zufrieden.

Am Ende unserer Reise machen wir bewusst einen auf Touri. Wir fühlen uns aber nicht so. Es ist mehr wie eine kurze Auszeit. Einfach herumschlendern, den Lieben Gott einen guten Mann sein lassen, nichts müssen, beobachten dürfen, ohne uns in einen ökonomischen Zwang zum Shoppen und Konsumieren gedrängt zu fühlen. Dafür ist der Gardasee einfach ideal, weil man hier das Fremdenverkehrsbussines nach wie vor dezent betreibt. Vielleicht ist das der Grund, warum sich der Gardasee trotz großer Entfernung nach wie vor bei den Münchnern so großer Beliebtheit erfreut.

Ein letztesmal auf dieser Reise führen wir unser Abfahrritual durch.
Markise einfahren, Gasflasche abdrehen (schließen), Dach- und Seitenfenster schließen und verriegeln, die Satelitenschüssel (die wir nicht haben) einfahren bzw. flach legen, alles was im Fahrzeug herumfiegen könnte sicher verstauen, von den Keilen runterrollen und die Keile natürlich einpacken, von den Stellplatznachbarn verabschieden, … und dann geht’s los zum „Sprung“ über die Alpen.
Wir kommen gerade bis Trient und da ist er wieder der allmorgendliche Ruf nach einem Cappu, an den wir uns schon so gewöhnt haben. Also noch mal runter von der Autobahn und Cappuccino trinken mit Stadtbesichtigung. Unverkennbar wir sind in den Alpen. Viele bauliche Merkmale zeigen uns, wir nähen uns alpenländischer Baukunst und einem langen Einfluß der Habsburger auf diese Region, auch wenn sie hier nicht immer die Herren waren.

Erfüllt und voller Dankbarkeit, aber auch mit etwas Wehmut nehmen wir Abschied von Trient und von einer wunderschönen Reise, die uns Italien sehr nahe gebracht hat, auch wenn wir nur einen kleinen Teil davon bereist haben.

Bella Itatia! Wir kommen wieder. Versprochen!

Rückfahrt über die Alpen
Rückreise: Der Sprung über die Alpen.

Abseits der großen Touristenströme

Pesaro 1
Blick auf Pesaro von der Hafenmole aus gesehen.

Uns ist klar, dass wir auch in den anderen Küstenorten mit Stellplätzen über das Wochenende Probleme haben werden. Immerhin ist super Wetter angesagt und auch die Italiener aus der Umgebung bis hin nach Mailand wissen, wo es schön und an solchen Tagen angenehm ist. So treffen wir noch eine Freundin auf einen Kaffee in Pesaro am Hafen und bewegen uns dann dort Richtung Emilia-Romana.

Riolo Therme 1Wir steuern die Riolo Therme an, denn wir haben gelesen dass es dort in der Nähe einen Stellplatz an einem Kloster geben soll. Leider haben wir das Kloster nicht gefunden. Nach einer kurzen Besichtigung des Ortes mit einer interessanten Burganlage stellen wir fest: nichts für uns. Thermalbad mit Hotel für ältere Kurlauber. Riolo Therme 2 FederviehNach einer Federviehfütterorgie, bei der wir alle Überschüsse von hartem Brot loswerden, übernachten wir auf dem örtlichen Gemeindeparkplatz. Am nächsten Morgen fahren wir weiter durch eine atemberaubende Landschaft nach Brisighella.

Dort finden wir sofort den Stellplatz. Niemand da, bis auf drei englische Wohnmobile, die aber leer und verlassen sind.
Am Abend haben wir noch richtig viel Spaß mit der englischen Reisegruppe und mit früh ins Bett gehen wird das auch nichts. Nach diesem feuchtfröhlichen Abend sind unsere Weinvorräte restlos erschöpft.

Bresighella 1 TortelinimanufakturWir ziehen am nächsten Morgen, mit noch etwas schwerem Kopf, zu einer Stadtbesichtigung los. Dabei entdecken wir eine Tortelini-Manufaktur, bestehend aus einem winzigen Laden, einem Hinterzimmer und den Mitarbeitern MAMA und GroßMAMA. Wir bekommen einen Einblick in die Werkstadt der „Tortelinikünstlerinnen“. Wir haben natürlich eine Auswahl mehrerer Portionen Tortelinis mitgenommen und im WoMo zubereitet – Ein Genußtraum.

Die nächste Entdeckung ist eine Vineria. Das ist die Gelegenheit, unseren nicht mehr vorhandenen Weinvorrat aufzustocken.
Bresighella 5 Olivenöl und WeinWir sind überrascht, in der Vineria in perfektem Englisch angesprochen zu werden. Italiener haben üblicherweise nicht so einen besonderen Hang zu Fremdsprachen, ich glaube das ist bekannt. Und wenn sie denn schon Englisch sprechen, dann doch mit einem sehr italienischen Akzent.
Doch nicht so hier. Es stellt sich heraus, dass die Dame, die die Weinprobe, die nun stattfindet, betreut, gar keine Italienerin ist, sondern eine perfekt italienisch sprechende Polin mit hervorragenden Englischkenntnissen. Die Besitzerin der Vineria hält sich mangels entsprechender Sprachkenntnisse dezent im Hintergrund. Plötzlich tauchen die Engländer auf. Auch hier haben wir zusammen mit den Engländern wieder einen Riesenspaß. Und das endet schon am Vormittag mit einem Schwips. Daran kann ein sich anschließendes Olivenöl-tasting nichts ändern.
An ein Weiterfahren ist auf keinen Fall zu denken. Für Womoline und die englischen Ladies kein Problem. Sie stürmen eine kleine Boutique auf dem Weg, veranstalten eine Modenschau und erbeuten dabei schicke italienische Teilchen.

Dolce Vita in Fano

Gemütlich tuckern wir durchs Land Richtung Norden. Die Stadt Ancona lassen wir aus. Wo es uns gefällt bleiben wir stehen. In Fano stoßen wir wieder aufs Meer und suchen uns einen Stellplatz mit Entsorgungsmöglichkeit. Auch das muß einmal sein.

Dort treffen wir auf einige Langzeitreisende, die auf dem Rückweg von Süditalien sind. Es ist Donnerstag und wir wollten eigentlich zwei oder drei Tage bleiben. Doch uns wird sehr schnell klar gemacht, dass fürs Wochenende alle Plätze vergeben sind. Es wird wohl mit einer Invasion von Wohnmobilen über das Wochenende gerechnet. Immerhin soll in Italien die Wohnmobildichte pro 1000 Einwohner fünf Mal so hoch sein wie in Deutschland. So entschließen wir uns, nur eine Nacht in Fano zu bleiben und dann weiter zu fahren. Wir fahren mit den Fahrrädern ins Stadtzentrum und schauen uns die kleine Stadt (ca. 60.000 Einwohner) an, die einen eher unscheinbaren Eindruck macht. Fano 1 GlücksbrunnenBesondere Sehenswürdigkeiten: Fehlanzeige, vielleicht bis auf den Glücksbrunnen auf dem Marktplatz und die sehr gut erhaltenen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadtbefestigungen. Mit Hinweisschildern wird man auch auf das sehr gut erhaltene Arco d’Augusto, ein römisches Stadttor aus der Zeit um Christi Geburt, hingewiesen. Wir wollen mit unseren Rädern schon wieder zurückfahren, da treffen wir Stellplatznachbarn mitten in der Stadt. Sie sind schon ein paar Tage länger da und haben die Stadt schon erkundet. Sie erzählen uns, dass sie am Vorabend in einer netten Bar einen Wein getrunken haben und dazu gab es so viel zu essen, dass ein Abendessen nicht mehr notwendig sei. Sie meinten 5 Euro für den Wein wäre eigentlich teuer aber wenn man vom Wein satt wird… 😉 und gut sei es auch gewesen.
Fano 2 Mitternachtstanz auf der PiazzaWir schließen uns an und haben einen richtig kurzweiligen Abend bei angenehmen Temperaturen. Irgendwann sind wir die letzten Gäste. Die Bedienung und ein paar Freunde beginnen vor der Tür zur Musik ihre Hüften zu bewegen. Auch wir sind von der Musik und der positiven musikalischen Stimmung angetan. Wie nicht anders zu erwarten, endet der Abend mit einem Tänzchen auf der Piazza. Mit drei Weinchen im Bauch und einer Riesenmenge Essen treten wir den Rückweg zu unserem Wohnmobil an. Wir verzichten dabei aufs Farradfahren, den Fahren unter Alkoholeinfluss soll in Italien bekanntlich recht teuer sein.

Auf einmal alles wie ausgestorben? – Wir sind zur falschen Zeit in Recanati

Das Bild, welches sich in Osimo in unseren Kopf gebrannt hat, bestätigt uns auch Recanati, das auf einem weiteren Hügel steht, in Sichtweite zu Loreto. Dort finden wir einen Parkplatz direkt neben dem Friedhof, der unterhalb der historischen Stadtmauer und einem der Stadttore liegt. Friedhöfe verraten bekanntlich viel über die, die in dem Ort leben.

Recanati 1 FriedhofWie in vielen Regionen Italiens üblich, finden wir Bestattungshäuser, Gruften und Bestattungsmauern. Auf den ersten Blick erscheint der Friedhof wie eine Stadt der Toten. Doch an den vielen Blumen und Lichtern erkennen wir, dass es beileibe keine tote Stadt ist. Es ist die Stadt der Ahnen. Eine Stadt mit Häusern, in denen die Ahnen der Familien präsent sind. Hier ist der Platz für die Lebenden, um mit ihrer Tradition, ihren Wurzeln und ihrer Herkunft in Kontakt zu treten.

Wir spüren etwas von der spirituellen Verbundenheit der Menschen mit ihrer Region und ihren Ahnen. Es ist etwas, ein nicht wirklich beschreibbares Gefühl, dass wir auch schon in der Basilika in Loreto, in den Kirchen und auf dem Wochenmarkt in Osimo wahrgenommen haben.  Auf jeden Fall sind hier die Toten nicht auf einem Friedhof „weggesperrt“. Sie sind Teil der Tradition und Teil des täglichen Lebens.
Aus einer der Friedhofsgassen kommt uns ein älterer Herr entgegen. Er grüsst uns sehr freundlich, als ob wir gerade in ein Cafe oder in eine Trattoria eingetreten sind; nicht so anmutig traurig, wie wir es von unseren Friedhöfen gewohnt sind. Mir scheint auch das ein weiteres Indiz für die spirituelle Verbundenheit der Menschen mit ihrer Heimat, ihrer Stadt und ihrer Geschichte, repräsentiert durch ihre Ahnen, zu sein.

Recanati 5 Piazza LeopardiWir sind zur späten Mittagszeit in Recanati angekommen. So präsentiert sich uns das Städtchen nahezu leer. ES IST MITTAGSPAUSE. Und die Mittagsruhe wird hier ernst genommen ☺, wie in vielen südlichen Ländern. Bis 16 oder 17 Uhr regt sich hier gar nichts mehr. Wir haben sogar Schwierigkeiten einen Cappuccino aufzutreiben. An der beeindruckenden Stadtmauer finden wir dann doch noch eine Selbstbedienungsbar, die ein schmales Angebot für „überhitzte“ Touristen bereithält. Wir genießen die Aussicht und warten darauf, dass das Leben in der Stadt wieder beginnt.

Recanati 6 ImpressionenDer Stadtrundgang zeigt uns auch hier einen alten italienischen Ort mit einer mächtigen Festungsmauer. Die Bebauung reicht vom einfachen Steinhaus bis zur hochherrschaftlichen Stadtvilla. Unzählige Fotomotive, romantische Gassen… Wir genießen einfach die Bilder, die sich vor uns auftun. So sieht eine italienische Stadt in der Provinz Marken ohne ihre Bewohner aus.

Historisch gesehen hat die Stadt eine besondere Persönlichkeit aufzuweisen. Normalerweise werden Päpste von ihrem Chef abberufen. Doch einige wenige haben zuvor, wie der deutsche Kardinal Ratzinger, abgedankt. Papst Gregor XII ließ sich hier nach seiner Abdankung, die im Gegensatz zu Pabst Benedikt XVI nicht ganz freiwillig erfolgte, in Recanati nieder und fand dann zwei Jahre später im Dom San Flaviano seine letzte Ruhestätte.

Wir bevorzugen die Stadt wenn sie wieder mit „Leben gefüllt ist“. Dann werden die alten Gemäuer auf einmal lebendig und erzählen uns ihre Geschichte vom Auf und Ab, von Dolce Vita und tiefer Trauer, von Zusammenhalt aber auch von Auseinandersetzungen, von Hoffnung und Enttäuschung, … die alle Teil ihrer Geschichte und Tradition in einer wunderschönen Landschaft sind.

Ein Kontrastprogramm zu Loreto – Osimo

Osimo - Blick nach Loreto
Blick von Osimo nach Loreto (Basilika auf dem Hügel im Hintergrund)

Loreto ist ein Wallfahrtsort. Dementsprechend fließt viel Geld in die Gemeinde und der Ort hat sich auch entsprechend herausgeputzt. Alles renoviert, alles tip top sauber, eben so, wie man Gäste begrüßen möchte. Dabei geht allerdings der etwas morbide Charme einer belebten italienischen Stadt verloren, wo es dazu gehört, dass auch mal die Farbe von den Fensterläden abblättert, oder schon etwas Putz aus der Fassade herausgebrochen ist, wo sich schon mal lautstark quer durch die Gassen unterhalten wird, oder wo sich die Bambini auch noch um halbzehn Uhr abends ein Wettrennen mit ihren Sitzrollern liefern.

Um das tägliche Leben hier in dieser Region zu erleben, muss man sich einen der umliegenden Hügel aussuchen und möglichst an einem Markttag besuchen. Das tun wir. Wir fahren in den Ort Osimo, der in Sichtweite zu Loreto liegt.
Osimo 9 MarkttreibenWir finden recht schnell, in unmittelbarer Nähe zum historischen Stadtkern, einen geeigneten Parkplatz für unser Wohnmobil. Von dort müssen wir noch ein Stück den Berg hinauf und betreten die historische Kernstadt. Bald sind wir inmitten des Markttagtrubels angelangt. Wir genießen das Treiben und schwimmen sozusagen auf dieser Welle der Geschäftigkeit durch die Stadt. So spült es uns auch in mehrere Kirchen. Dabei überrascht uns, wie viele Menschen während des Markttreibens die Kirche betreten und im stillen Gebet Zwiesprache mit etwas Höheren halten. Osimo 6 KIrche 2 neben dem WochenmarktSo schnell mal ein „Vater Unser“ in den Himmel schicken, zwischen dem Einkauf von einem Brot und ein paar Socken. Religiöses Leben ist hier im Alltag noch präsent. Es ist genau so präsent wie die Gebetszeiten in muslimischen Staaten wo der Muezin zum Gebet ruft. Hier geschieht das mehr in Eigenverantwortung und ohne sozialen Gruppendruck. Aber die Bedeutung spiritueller Rituale im öffentlichen Leben erscheint mir hier ähnlich bedeutungsvoll zu sein, wie in so manchem fundamentalistisch geprägten islamischen Land.

Osimo 1 kleine Kirche neben dem WochenmarktDas ist für mich ein deutliches Indiz, dass die Menschen hier nicht in dieser nordeuropäischen Nüchternheit leben, sondern sich vielmehr als einen Teil von einem größeren Ganzen betrachten. Auch in den anderen Kirchen, in die wir hineinschauen,wird uns das bewusst.

Andächtig betrachten wir die Kunstschätze, als sich ein Geistlicher zu uns gesellt, der, als er entdeckt, dass wir keine Einheimischen und zum Gebet eingetreten sind, uns unter seine Fittiche nimmt. Er spricht kein deutsch, er spricht kein Englisch, er spricht nur italienisch, dessen wir nicht mächtig sind. Doch er schafft es mit seiner liebevollen Art, uns all die Informationen zu „seiner Kirche“ zu vermitteln in der er, wie wir erfahren, seit bald 40 Jahren „Dienst“ tut. Osimo 5 Kirche mit dem SchwebendenDabei zieht er alle Register. Von Zeichensprache über seine Muttersprache, durch Zeigen und Benennen, bringt er erstaunlich viel Information herüber. Er geht auf in dieser Aufgabe, seine Kirche zu erklären. Dort wo es nun wirklich sprachlich nicht mehr weitergeht, springt er mit einem „uno momento“ quer durch das Anwesen und kehrt kurze Zeit später wieder mit einer übersetzten Beschreibung für deutsche Touristen zurück.

Loreto 3 Basilika 4Nach weit mehr als einer dreiviertel Stunde verlassen wir die Kirche wieder, mit einem ganz persönlichen Segen des Partre, den er uns mit auf unseren weiteren Reiseweg gibt.

Das ist das Kontrastprogramm zu Loreto, dass wir noch häufiger auf unserer nun beginnenden Rückfahrt über die Hügel Richtung Norden erleben werden. Das ist das Italien, dass in keinem Reiseführer beschrieben steht. Das ist das wirkliche Italien, nicht das Klische-Italien, wie es in Rimini oder Bibione und anderen Touristenorten zelebriert wird. Wir sind dankbar, dass wir uns in den nächsten Tagen noch mehr von dieser Lebensfreude, von dieser Lebensenergie und dieser Verbundenheit anstecken lassen dürfen. Wir „atmen“ diese Lebenszufriedenheit ganz tief ein, in der Hoffnung, davon ganz viel mit nach Hause nehmen zu können.

 

Wallfahrt nach Loreto – Wie eine Legende entstand.

Loreto 1 Panorama StellplatzUnweit unseres „One Million Dollar View“ liegt der Wallfahrtsort Loreto. Den Namen haben wir zwar schon gehört, er ist uns irgendwie bekannt, doch die Bedeutung dieses Ortes ist uns zunächst nicht bewußt. Fast genau unterhalb der Basilika von Loreto befindet sich ein WoMo-Stellplatz und wir ergattern den einzigen Platz mit Meerblick. Schon wieder ein „One Million Dollar View“!
Wir sind Glückspilze!!!

Wir brechen sofort auf zu unserer „Wallfahrt“. Vom Parkplatz zur Basilika. Laufzeit keine 10 Minuten 😉.
Loreto 2 Basilika von oben GoogleSchon der Grundriß der Basilika hat eine interessante Form die uns beim Annähern an das Gebäude sofort auffällt.Loreto 2 Basilika von außen

Loreto ist in Italien so etwas wie Lourdes in Frankreich. Loreto ist der Wallfahrtsort in Italien schlechthin. Nach Rom natürlich. Die Basilika beherbergt eine „Riesenreliquie“ – das Geburtshaus Marias aus Nazareth. So sagt es die Überlieferung. Damit ist Loreto einer der wichtigsten, wenn nicht sogar der wichtigste, Marienwallfahrtsort in der katholischen Wallfahrtstradition Italiens.
Aber wie kommt das Geburtshaus Marias, das bekanntlich in Nazareth verortet wird, nach Italien? Die Legende sagt, die Engel haben dieses Haus nach Loreto gebracht.

Solche Legenden haben ja oft einen historisch wahren Kern. Doch was war geschehen?
Alte Quellen von Reisenden des frühen Mittelalters sprechen von Marias Geburtshaus und einer Grotte. Interessanter Weise wird in solchen Reiseberichten die nach 1291 entstanden sind, also nach dem Ende der Kreuzzüge, nur noch von der Grotte in Nazareth berichtet. Scheinbar ist dieses Haus um dieses Jahr herum spurlos verschwunden. Einige Volkslegenden im Gebiet des heutigen Kroatiens und Bosniens, deren Entstehung man deutlich später datiert, beziehen sich ebenfalls auf dieses, für die katholische Mystik, wichtige Haus.
Das Auftauchen des Geburtshauses Marias in Loreto fällt mit der historisch verbrieften Heirat einer slawischen Aristokratentochter hierher nach Italien zusammen. Die Historiker nehmen nun an, dass die sich zurückziehenden Kreuzritter das Geburtshaus in Nazareth abgebaut, um es vor den „Ungläubigen“ zu retten und bis auf den Balkan transportiert haben. Als Brautgeschenk kam dieses Haus nach Loreto, wo es dann als heilige Reliquie unter der Kuppel der Basilika wieder aufgebaut und von außen kunstvoll verkleidet wurde.

Loreto 3 Basilika vom Heiligen Haus 3

Als wir zum ersten Mal die Basilika betreten wissen wir von all dem noch nichts. Überwältigt von der kunstvoll ausgestatteten Basilika lassen wir die Atmosphäre auf uns wirken. Das Gebäude scheint eine ganz besondere Energie zu verströmen. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt eine Besichtigung der heiligen Reliquie nicht möglich ist, so können wir doch feststellen, dass alle Menschen, egal ob Gläubige, Kunstinteressierte oder einfach nur Touristen von einer besonderen Ergriffenheit erfasst werden. Auch uns ergeht es so.
Wir können uns das nicht erklären, aber es scheint so, als ob ein „spirituelles Feld“ alle Besucher in so eine Art meditativen Mode versetzt.
Da bald ein Gottesdienst beginnt, den wir mit unserer Neugierde keinesfalls stören wollen, beschließen wir nach dem ersten Rundgang die Besichtigung vorerst abzuschließen und am nächsten Morgen wiederzukommen. Schweigend und beeindruckt gehen wir den Weg zurück zu unserem Wohnmobil. Wir sind beide seltsam berührt von dieser Erfahrung, die uns am Abend noch eine ganze Weile Gesprächsstoff liefert. Unser Gespräch wird begleitet von einem sagenhaften Farbenspiel des Sonnenutergangs und der hereinbrechenden Nacht.

Loreto 1 Panorama 3 Dämmerung

Mit neuer Energie erklimmen wir zum zweiten Mal den Berg, auf dem die Basilika steht. Nun ist auch das Geburtshaus Marias geöffnet. Rational betrachtet unscheinbar. Einige Wand- und Deckenbemalungen sind fast nicht mehr zu erkennen. Der Raum wirkt düster, schwarz, fast wie eine Gruft. An der Stirnseite eine Marienstatue, mit moderner Lichttechnik in Szene gesetzt. Die Gläubigen, die in ihrer „himmlischen“ Zwiesprache ihre Wünsche, Sorgen und Nöte an die Jungfrau Maria richten, wirken auf mich wie in einem tranceähnlichen Zustand. Eine junge Frau, die mir schon vor dem Betreten des Heiligtums aufgefallen war, erschien mir nach ihrer Zwiesprache sichtlich erleichtert. Erklären kann ich mir das nicht, aber da gilt der Grundsatz: Was hilft, das heilt.

Mit etlichen zusätzlichen Informationen präpariert, betrachten wir die kunstvolle Ausgestaltung der Basilika noch einmal und finden immer wieder neue Aspekte in dieser mittelalterlichen „Bildersprache“. Im Gegensatz zu vielen anderen Kirchen, empfinde ich hier eine große Friedlichkeit. Die Mächtigkeit und Größe dieser Basilika wirkt auf mich nicht übermächtig, erinnert mich nicht an die Unbedeutendheit meines Seins, sondern vermittelt mir eher ein Gefühl der Geborgenheit. Das empfinde ich eher selten in diesen sakralen Bauten.

Wir verlassen die Basilika und treten auf den Platz vor dem Eingangsportal. Aufgereiht wie an einer Perlenschnur reihen sich fein säuberlich Verkaufsbuden mit Touristenkitsch und spirituellen Mitbringseln aneinander. Ob geschnitztes Kreuz oder getöpferte Madonna, Schals oder … alles ist zu bekommen. Loreto 5 OrtWir schlendern die Straße die zur Basilika führt entlang, wo sich dann Touristenkitsch mit Klamottenläden, Cafes, Restaurants und Läden mit Priesterausstattung abwechseln. Das Ganze ist umgeben von einer stattlichen Stadtmauer, die die Kernstadt auf den Hügel vom Umland klar abgrenzt.

Wir lassen bei einem Cappuccino und einem Eis den Blick in die Umgebung schweifen. Auf jedem der Hügel scheint ein Dorf oder eine kleine Stadt zu sein, von einer Stadtmauer umgeben. Wir werden auf dem Rückweg noch einige davon besuchen. Diese sind nicht so reich und schnieke wie Loreto, dafür kann man dort, besonders an Markttagen das Alltagsleben in dieser Region viel besser beobachten als in Loreto und wenn man mit Menschen in Kontakt kommt, dann sind es meist keine Touristen, sondern Menschen, die hier leben und ihrem Alltag nachgehen.

Seele baumeln lassen in Fermo

Wir haben bisher viele intensive Eindrücke aufgenommen. Unsere Seele verlangt nach Entspannung und etwas Ruhe. Wir fahren diesmal auf der Autobahn Richtung Süden bis weit hinter Ancona. Von hier aus wollten wir über den Apennin in die Toskana und an die Riviera. Unser Innerstes sagt uns: „Ein anderes Mal“.
Dem geben wir nach und bestimmen Fermo als südlichsten Punkt unserer Reise.
Wir finden einen Stellplatz mit Meerblick. Wir stehen, nur durch einen Zaun getrennt, direkt am Meer. Als wir am nächsten Morgen die Nachtverdunklung unseres WoMos öffnen bekommen wir einen, wie wir es nennen, „One Million Dollar View“ geboten; gratis!

Fermo 1One Million Dollar View

Unserer Seele schenken wir vier Sonnentage bei 25-27 °C am Meer. Die Wassertemperaturen sind so früh im Jahr natürlich noch im Keller. Wir sehen auch niemand der sich, außer bis zu den Waden, ins Wasser traut. Barfuß am Strand auf Sand durchs Wasser laufen. Auf den Sand setzen und einfach auf das ruhige Meer gucken. Die Vorsommersonne auf dem Rücken fühlen. Beim Strandspaziergang nach Treibgut und nach Muscheln suchen. Ausgelassen wie die Kinder sein, die Küstenstraße gemütlich entlang radeln. Die Seeluft schnuppern und tief durchatmen.
Mehr tun wir nicht. Nur Batterien aufladen und „Nichts“ tun. Kein ich muß, kein ich will, keine Action, kein Programm…
Einfach nur SEIN.

Schöne Aussichten – Zollfreiheit inclusive: San Marino

San Marino 2 AbenddämmerungAus der Poebene kommend türmen sich die Berge des Apennin vor uns auf. Mir wird mal wieder bewußt, Italien ist nicht nur das medial geprägte Bild von Sommer, Sonne, Meer sondern der überwiegende Flächenanteil ist alpines Gebiet. Nachdem uns unser Navi mal wieder ausgetrickst hat, stehen wir auf einem kleinen abschüssigen Parkplatz gegenüber eines Parkhauses, das in den Fels hineingebaut ist. Auch mit Unterlegkeilen ist eine einigermaßen ebene Liegefläche nicht zu realisieren. Andere Wohnmobilisten die auf dem Parkplatz stehen, scheinen da etwas toleranter zu sein, was den Liege- und Schlafkomfort betrifft. San Marino 1 SonnenuntergangWir fahren zurück zu einer etwas tiefer liegenden Ringstraße, die auch als Parkplatz für Tagesbesucher, Reisebusse und als Übernachtungsplatz für Wohnmobile genutzt wird. Wir machen noch einen kleinen Spaziergang und werden an einer exponierten Stelle mit einem grandiosen Sonnenuntergang belohnt.

Am nächsten Morgen erklimmen wir erst einmal den steilen Aufstieg zum Herzstück dieses Zwergstaates. Auf dem Rückweg stellen wir dann fest, dass wir nur bis zu dem Parkhaus hätten aufsteigen müssen. Von dort gibt es mehrere Aufzüge die uns komfortabel nach oben gebracht hätten.
Wir werden am Stadttor von einer Polizistin sehr freundlich begrüßt und über den Fußgängerüberweg zum Stadttor geleitet. Weder unsere äußerliche Konstitution, noch der nicht vorhandene Verkehr haben diese Geste erforderlich gemacht und so freuen wir uns in der Vorsaison so aufmerksam behandelt zu werden. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass in der Hauptsaison diese relaxte Freundlichkeit noch möglich ist.

San Marino 3 Museum ModellAuch die angenehme „Leere“ in den Gassen der drei Burganlagen auf diesem Berggipfel, dürfte sich mit dem Eintreffen der großen Touristenströme in eine zweifelhafte Besichtigungshektik verwandeln.
Wir informieren uns erst einmal im Museum des Stadtstaates, das, man staune, kostenlos ist. Ist das der Grund, weshalb die meisten Touristen dieses Museum auf dem Weg zu den Aussichtspunkten achtlos links liegen lassen. Wir sind die einzigen Besucher und stellen nach dem Rundgang fest, dieses Dornröschendasein hat das Museum nicht verdient.

Die tiptopp instandgehaltenden Burganlagen, das touristische Kapital des Zwergstaates, sind natürlich mit Souvenirläden, Verpflegungseinrichtungen und Shoppingläden wo immer möglich gepflastert. Die Zollfreiheit zieht den Duty Free Handel magisch an. Das klassische Sortiment der Duty Free Areas aller internationalen Flughäfen oder auf Schiffen ist auch hier vertreten. Parfüm, Zigaretten und Hochprozentiges sollen einen Shoppingrausch bei den Gästen auslösen.
Da uns dies nicht interessiert wäre uns auch beinahe ein Detail entgangen. San Marino 9 WaffenladenUnvermittelt stehe ich vor einem Waffenladen. Neben Schlagring, Kampfmesser und einigen Gewehren und Schrotflinten fallen mir auch einige Schnellfeuerwaffen der Machart Pumpgun, Utzi und sogar Kalaschnikow ins Auge.
Ganz ehrlich – das irritiert mich etwas, denn das bleibt nicht der einzige Waffenladen den ich entdecke. Werden nun Pumpguns nebst scharfer Munition zum angesagten Urlaubsmitbringsel für San Marino Touristen? Muss ich mich in Zukunft vor Menschen in Acht nehmen, die in San Marino zum shoppen waren und nun ihr schußgewaltiges Mitbringsel an mir ausprobieren möchten?

Wir widmen unsere Aufmerksamkeit den Befestigungsanlagen und den vielfältigen Ausblicken in die Umgebung und die sind wirklich grandios – schönes Wetter vorausgesetzt. Mit dem einen oder anderen Ausblick zwischen den Zinnen der Befestigungsmauer hindurch kommt so ein wenig das „Mittelalterfeeling“ in uns hoch. San Marino 6 Weitblick mit BurgWie war das wohl, damals, als Burgfräulein und Burgherr hier oben residierten und unten im Tal die Untertanen ihren Frohndienst für ihre Fürsten verrichteten? Wie war das wohl? Wurden hier oben rauschende Feste gefeiert? Wie war denn das, wenn man mal zum Nachbarfürsten zum Kaffeeklatsch wollte? Ganz schön beschwerlich! Erst mal den ganzen Berg hinunter und dann beim Nachbarn wieder hinauf. Nicht so komfortabel wie wir mit dem Wohnmobil, sondern auf schmalen holprigen Wegen, entweder hoch zu Roß oder mit der Kutsche, schlecht gefedert, war man unterwegs. Aber auch nur wenn man zu den Aristokraten gehörte. Das gemeine Volk mußte laufen. Ein Besuch beim Nachbarn dauerte mindestens eine Tagesreise. Die Verpflegung für den Alltag auf der Burg und erst recht für ein großes Fest, musste aus dem Tal hinaufgeschafft werden… Heute erledigt das ein 15 Tonner in einer knappen halben Stunde.

San Marino 10 Wache vor dem RegierungssitzBei all dieser touristischen Urbanisierung will sich bei uns eine wirkliche Vorstellungskraft, wie es damals war, nicht einstellen. Wir müssen akzeptieren, dass wir unbeteiligter Beobachter einer anderen Epoche sind.
Vielleicht entwickeln sich in der Zukunft, so hoffen wir, touristische Konzepte, die diese Vorstellung besser vermitteln, die die damalige Lebensweise erfahrbar machen.
Hier liegt für uns der wesentliche Unterschied zu Venedig. Venedig haben wir „belebt“ wahrgenommen; belebt wahr genommen im hier und jetzt. Aus dieser Belebtheit heraus, war es uns erstaunlicher Weise möglich, in unserer Phantasie ein Bild aus vergangenen Epochen entstehen zu lassen, das auch die Gefühlesebene mit einschließt. Das gelingt uns in San Marino nicht wirklich. Hier sind wir nur Betrachter eines Artefakts, gemeinsam mit hunderten anderer Touristen – schön, aber nicht belebt.
So können wir einfach nur staunen, wie die Menschen diese mittelalterlichen Anlagen geschaffen haben.

San Marino 5 Panorama Fürstensitz

Auf jeden Fall ist eines sicher. Die Menschen die damals die Aussicht von diesem exponierten Punkt in der Landschaft genießen durften, waren mit Sicherheit genau so beeindruckt von dem Ausblick wie wir. Dieser Ausblick alleine ist es schon wert, sich auf den Weg hier hinauf zu machen.