Vom Tegernsee zum Ammersee #4

Kloster Andechs6Wir kommen am Großparkplatz des Klosters Andechs an. Am Ende des Platzes ist ein Bereich für ca. 40 Mobile abgeteilt. Wir werden hier nächtigen.

Zuvor besteigen wir den heiligen Berg der bayerischen Biererkenntnis. Aber vor der Verkostung des mit himmlischer Weisheit versetzten Bieres steht die Pflicht der Kulturgutbesichtigung an. Anders herum besteht zu fast 100% das Risiko den kulturellen Teil nicht mehr durchführen zu können, es sei den, man ist 100%iger Antialkoholiker.

Kloster Andechs2Kloster Andechs3

Es dürfte ungefähr 30 Jahre her sein, dass ich in Andechs war. Ich habe nur noch eine diffuse Erinnerung. Alles kommt mir irgendwie bekannt und doch irgendwie anders vor. Einen Vergleich damals und heute kann ich nicht wirklich anstellen. Dennoch bin ich mir sicher, vor 30 Jahren hatte ich nicht das Gefühl, organisierte Gastlichkeit a la Oktoberfest präsentiert zu bekommen. Kloster Andechs4Wir probieren das Bier und amüsieren uns über einige junge Leute, die ganz friedlich ihren bierseligen Spaß haben. Allein die Anzahl der leeren Bierkrüge auf dem Tisch verheißt für den folgenden Tag erhebliche Kopfschmerzen.
Uns mundet das dunkle Bier an besten und dabei belassen wir es auch. Wir wollen ja unsere Verabredung am folgenden Tag in Inning mit klarem Kopf wahrnehmen.
Es war wieder eine schöne Tour mit vielen schönen Eindrücken und mit hintersinnigen Einsichten.

Kloster Andechs5Und wie man am folgenden Bild sehen kann, hatten wir durch unser Panoramadach einen direkten Draht zur weiß-blauen Himmelspforte über die Kirchturmspitze von Kloster Andechs. Ob es was genutzt hat?

Am nächsten Morgen nach dem Frühstück starten wir wieder unser Abfahrritual. Inzwischen machen wir das schon ganz schön professionell 😉 Nach der Abfahrt stellen wir augenzwinkernd fest, dass wir so langsam beginnen Fähigkeiten auzubilden, die für WoMobilisten unabdingbar sind. Dazu zählt zum Beispiel die schnelle, zielsichere Einschätzung eines Stellplatzes. Hängt die Stellfläche nach links oder rechts, steigt sie an oder fällt sie ab, kann man eine Bodenunebenheit nutzen, um das WOMO waagerecht abzustellen … und wenn das nicht geht, mit welchen Maßnahmen bekommt man das WOMO in eine waagerechte Lage. Aber nicht nur das muss in sekundenschnelle beurteilt und entschieden werden, Es ist auch eine Entscheidung über die Lage des Stellplatzes mit sich selbst und den Mitfahrern herbeizuführen – Aussicht, wo heizt sich das Fahrzeug nicht so stark auf, wie sind die Schattenverhältnisse, Entfernung zum Toilettenhäuschen, wer steht in unmittelbarer Nachbarschaft, ist dieser Stellplatz ruhiger als der andere. So langsam klappt das schon ganz gut. J

Vom Tegernsee zum Ammersee #3

Da wir am nächsten Tag in Inning am Ammersee verabredet sind, verzichten wir auf eine Bierverkostung in Benediktbeuren am Abend und fahren weiter in die noch viel berühmtere Klosterbrauerei Andechs. Dies sollte sich noch als Fehler herausstellen.

Blaues Land1

Aber der Reihe nach. Wir fahren über Landstraßen zum südlichen Zipfel des Starnberger Sees und genießen die Landschaft des Loisachtals. Oft auch als das Blaue Land bezeichnet. Woher die Bezeichnung stammt weiß ich nicht. Die Künstlergruppe „Blauer Reiter“ um den Maler Franz Marc, August Macke, Paul Klee und Wassily Kandinsky wirkten u.a. hier beziehungsweise in München. Vielleicht besteht hier der Zusammenhang.

Blaues Land2Für kunstbeflissene Wohnmobilisten ein sicher interessantes Programm: Im Blauen Land in die landschaftliche Energie, die auch die Künstler des Blauen Reiters zu Beginn des 20. Jahrhunderts beeinflusst hat, für ein paar Tage eintauchen. Anschließend dem Lenbachhaus in München einen Besuch abstatten und so vielleicht einen weiteren Zugang zu den Kunstwerken des Blauen Reiters zu bekommen. Das Lehnbachhaus besitzt die weltweit größte Sammlung zur Kunst des ‚Blauen Reiter‘, Es gibt aber auch in Murnau und Umgebung mehrere Angebote zu Führungen in der Region, die dieses Thema mit einschließen. Die Touristeninformation z.B. in Murnau ist dafür ein guter Anlaufpunkt.
Diese Idee kommt uns erst während der Fahrt. Da wir ein paar feste Termine in den nächsten Tagen haben, können wir dieser Idee leider nicht folgen. Aber wir nehmen sie in die Liste der Themenfahrten auf.

Wir erreichen den Südzipfel des Starnberger Sees. Viel bekommt man vom See nicht mit, denn der Starnberger See ist so etwas wie „reine Privatsache“. Durch die vielen Seegrundstücke in privater Hand sind für das gemeine Volk nur noch wenige Stellen frei zugänglich. Aber es gibt ja die Starnberger Seeschifffahrt. Da kann man für einen vergleichsweise kleinen Eintrittspreis (=Fahrschein) den Promis in den Garten schauen.
Das ist „Die Geissens – Eine schrecklich glamouröse Familie auf bayrisch 🙂

Hinter hohen Hecken oder Stützmauern lassen sich die Villen und luxuriösen Anwesen nur erahnen. Viel Geld ist um den See versammelt. Das ist auf den ersten Blick zu erkennen. Die Kommunen scheinen aber von diesem Reichtum nicht all zu viel ab zu bekommen. Die Straße von Seeshaupt nach Feldafing ist streckenweise in erbärmlichem Zustand. An vielen Stellen besteht die Straße mehr aus Schlaglöchern als aus Asphalt.
Ich versuche mir dieses Kontrastprogramm zum Tegernsee und Rottach-Egern zu erklären.
Mag es daran liegen, dass in Rottach-Egern zahlungskräftigen Möchtegern-Promis eine Bühne geboten wird, die am Starnberger See von den Eigentümern der Villen gar nicht gewünscht wird?

Ist es so, dass die Reichen und Schönen und die, die sich dafür halten am Starnberger See wohnen und versteuern, wobei sie sich so arm rechnen, dass die Kommunen nicht mal ihre Straßen in Ordnung halten können und mit dem gesparten Geld sich dann die Showbühne für ihren „Bewundere-Mich-Auftritt“ in Rottach-Egern kaufen? (Siehe den vorletzten Eintrag in diesem Blog.)
Sollte ich Recht haben, dann läuft in Deutschland etwas gründlich schief, denn dies ginge nur mit Wissen und Billigung der dafür Verantwortlichen!

Mich/uns verärgert dieser Gedanke!

Wir biegen ab Richtung Ammersee und steuern Kloster Andechs an. Wir wechseln vom „Geldsee“ zum „Künstlersee“.  Künstlersee? ja viele Künstler verschiedenster Richtungen haben sich um den Ammersee herum angesiedelt. So können sie in dem künstlerisch-kreativen Ambiente des Sees arbeiten, dass noch nicht so sehr von „Gott Mammon“ infiltriert ist. Die zahlungskräftigen Kunden sind trotzdem nah, eben nur einen See weiter. Das nennt man in der Sprache der Ökonomie Standortvorteil.

Da taucht auch schon unser nächstes Ziel am Horizont auf:
Kloster (Brauerei) Andechs

Kloster Andechs1

Vom Tegernsee zum Ammersee #2

Schon als wir uns auf den Weg zu unserem Nachtlager gemacht haben, zeigte etwas Donnergrollen an, dass in der Nacht noch etwas Regen auf uns fallen wird. Am nächsten Morgen war es nicht nur sehr feucht um uns herum, es war bewölkt und deutlich kühler. Wir entscheiden uns für etwas „Sight-Seeing“. Wir stellen unser Navi auf Benediktbeuren ein und rollen gemütlich aus dem Tegernseer Tal hinaus Richtung Bad Tölz.
Richtung Isartal1Richtung Isartal2

Je mehr wir uns dem Isartal nähern, sehen wir deutliche Veränderungen im Baustil zwischen dem Tegernseer Tal und dem Isartal. Beides hübsch anzusehen. Ohne diesen direkten Vergleich, würde man beides als typisch oberbayerisch identifizieren. So werden wir förmlich darauf gestoßen, dass jedes Tal im Laufe der Zeit seine baustilistischen Eigenheiten entwickelt hat. Ich bin mir sicher, dass das Gleiche auch für die gesprochenen oberbayrischen Dialekte oder auch für kulturelle Gepflogenheiten gilt.
Wir lassen Bad Tölz rechts liegen und steuern Benediktbeuren an.
Gleich am Ortseingang werden wir durch ein Schild auf den Großraumparkplatz des Klosters hingewiesen. In die entgegengesetzte Richtung weist ein Schild mit einem Wohnmobil. Was nun? Wir interpretieren die Schilderkombination, dass Wohnmobilen ein separater Parkplatz angewiesen wird. Dies stellt sich im Weiteren als Fehlinterpretation heraus. Wir entdecken hinter einer Bahnschranke einen freien Platz, der sich zum Abstellen unseres WOMO’s hervorragend geeignet hätte.
Doch ich sollte gleich oberbayerische Garstigkeit kennenlernen. Ich stieg aus und sah aus dem Nichts ein stattliches bayrisches Mannsbild und eine wild gestikulierende Frau, die mich irgendwie an eine Kräuterhexe erinnerte, auf mich mit strammen Schritten zukommen. Beide machten mir unmissverständlich deutlich, dass mein Parken hier nicht erwünscht ist. Ich war mir ziemlich sicher, dass die Beschilderung ein Parken zuließ. Angesichts des ungestümen Ansturms auf mich, trete ich wortlos und etwas eingeschüchtert den Rückzug an.
Mir ist dieser Wesenszug aufgrund 20-jähriger München-Erfahrung nicht gänzlich unbekannt, aber er überrascht mich doch immer wieder.

Kloster Benediktbeuren1Wir tauchen ein in die lange Geschichte des Klosters und der Benediktiner. Gleich zu Beginn treffen wir auf eine organisierte Führung. Sie ist von dem Stil: Jahreszahlen, Namen, Fakten. So interessant das auch immer vom Führer vorgetragen sein mag, es verstellt mir immer den Blick für die großen historischen Zusammenhänge, an denen ich interessiert bin. So lassen wir das mit der Führung und erkunden, soweit möglich, das Kloster auf eigene Faust.
Kloster Benediktbeuren3

Kloster Benediktbeuren2Alles macht einen gepflegten Eindruck. Dennoch wirken auf uns die Klostermauern, die heute eine universitäre Einrichtung beherbergt, irgendwie statisch, obwohl uns immer wieder Studenten begegnen, die für uns Dynamik, Veränderung und Zukunft symbolisieren. Es fühlt sich an, als ob sich in den letzten X-Hundert Jahren nichts verändert hat. Wir durchstreifen den Klostergarten, der sich besonders, wie im Mittelalter in Klöstern üblich, der Kultivierung von Heilkräutern und Heilpflanzen widmet. Wir kommen an der Klosterbrauereigaststätte vorbei und zu unserer Überraschung lachen uns angenehme Preise von der Speisekarte an. Zudem ist der Biergarten sehr einladend. Aber es ist noch zu früh für bayrisch-deftige Schmankerl und ein Benediktiner-Klostergebräu. Dafür gab’s im Kräuter-Erlebnis-Laden Kaffee und Kuchen, dem wir nicht widerstehen konnten.
Kloster Benediktbeuren4Letztlich bleiben wir nochmals an den Kräutergärten hängen und lassen uns von dem Duft der verschiedenen Kräuter und Heilpflanzen betören.
Ganz zum Schluss stoßen wir auf eine Tafel, die Informationen zur Mystik von Labyrinthen im Mittelalter gibt und das Kräutergartenlabyrinth in Benedikbeuren mit dem berühmten Labyrinth von Chartres in Beziehung setzt.

gefunden im KlostershopAuch ein altehrwürdiges Kloster hat heutzutage einen „Klostershop“. Dort fiel uns eine Postkarte in die Hände, die uns in unserer spirituellen Stimmung als Kontrast die Tränen in die Augen trieb. 🙂

Vom Tegernsee zum Ammersee #1

Unsere Fahrt zum Tegernsee verlief problemlos. Wir hatten als ersten Stellplatz Bad Wiessee ausgemacht. Er liegt vor einem kommerziellen Strandbad und Segelbootverleih unweit des ortsansässigen Yachtclubs. Jetzt ist noch Vorsaison und wir können davon ausgehen, dass noch nicht viel los sein wird. Diese Vermutung bestätigt sich, denn wir sind alleine. Alleine mit dem kräftigen Rauschen des vorbei fließenden Baches. Sehr schön!

Tegernsee1Bei einem abendlichen Spaziergang verschaffen wir uns noch einen ersten Eindruck von Bad Wiessee. Kurz gesagt: Noch nicht viel los zu dieser Jahreszeit. Das gerade stattfindende Blasmusikkonzert am See ist gut besucht, wir haben aber das Gefühl, dass dies die einzigen Gäste des Ortes sind. Uns sind mehrere Häuser/Hotels in bester Tourismuslage aufgefallen, die in der jetzt beginnenden Saison mit Sicherheit nicht mehr geöffnet werden. Zwischen Terrassenplatten wächst 20cm hoch Gras und Unkraut, keinerlei Aktivität im Haus, beschlagene Scheiben…. in diesen Häusern können keine Gäste wohnen.
In den letzten Jahren wurde die öffentliche Infrastruktur ordentlich aufgehübscht, die in die Jahre gekommene Spielbank durch einen Neubau vor den Toren des Ortes ersetzt, eine „Mini-Einkaufs-Fußgängerzone“ etabliert und die Attraktivität des Ortes durch eine Driving Range mitten im Ort erhöht, um die klassische Gästezielgruppe der Jod-Schwefel-Quellen-Besucher um eine zahlungskräftige Klientel zu erweitern.

Am nächsten Morgen machen wir uns auf, den Tegernsee mit dem Fahrrad zu umrunden.
Rottach-Egern, Tegernsee, St. Quirin, Gmund, Bad Wiessee,

Tegernsee4Unser Eindruck ist, die nördlichen Orte haben schon bessere Zeiten gesehen. Tegernsee und besonders Rottach-Egern liefern ihren Gästen eine nahezu perfekte und schön gestaltete Scheinwelt der Schönen und Reichen. Ich amüsiere mich prächtig über das Weiblein-Laufen der gelifteten und „entfalteten“ Möchtegern-Schönheiten reicher Shareholder, immer in der Hoffnung posierend, vom gemeinen Touristen bewundert zu werden.
Einen Lachkrampf, den ich fast nicht unterdrücken konnte, überkam mich, als mir ein älteres Paar entgegen kam.
Sie: geliftet, blondiert, knallroter Lippenstift, Goldklunker um den Hals, eingepackt in sündhaft teure Klamotten, die mindestens zwei Kleidergrößen zu klein sind und für eine mindestens 25 Jahre jüngere Frau angemessen gewesen wären.
Er: gestriegelt wie ein junger Lufthansa-Pilot in lässiger aber teurer Kleidung, anstatt Krawatte ein Seidentuch um den Hals, im Sakko natürlich Einstecktuch, Haare nachgefärbt, was aber nicht mehr das fehlende Volumen kaschieren kann.

Tegernsee3Sie eilt wild gestikulierend von einem Schaufenster zum nächsten, Er trabt einen 3/4-Schritt hinter ihr her mit je einer Papiertüte von Escada, Gucci, Armani und …
Oh, wenn die sich doch bloß mal selbst sehen könnten. Würden die im Boden versinken wollen? Oder würden sie konsequent leugnen, dass sie das sind? – Eine weitere Möglichkeit für eine Reaktion fällt mir nicht ein.
Dann hat Sie einen Platz auf der Bühne einer angesagten Lounge entdeckt und ihren Tüten-tragenden Begleiter zielsicher dort hin gelotst.

Tegernsee2Nach einigem Nachdenken wird mir bewusst, dass genau das zum Geschäftsmodell solcher Nobelmeilen gehört wenn diese erfolgreich sein wollen.
Die Kommunen schaffen eine perfekte Kulisse, die die Gaffer für die Reichen anzieht.
Die Hotels, Restaurants und Geschäfte liefern die Bühne auf der man zeigt, dass „man sich das locker leisten kann“ und „dazugehört“.
Das Ego der Reichen profitiert von den Gaffern, die zu der Klasse gehören: Wenn das monatliche Überlebensbudget ausbleibt, dann ist spätestens in einem Jahr Schicht im Schacht.
Und die Zuschauer dieses Marktplatzes der Eitelkeiten, wie profitieren sie? Ja, sie haben nun endlich einmal ein paar von diesen exaltierten Figuren live gesehen, deren Vorbilder sie sonst nur in der Regenbogenpresse bewundern können. Vielleicht erliegen sie ja auch für einen kurzen Moment der Illusion auch dazu gehört zu haben.

Das nennt man eine Win-Win-Situation.
Jeder bekommt was er glaubt zu brauchen und die Kasse klingelt bei denen, die den Mechanismus durchschauen und diese Win-Win-Situation kreieren.

Etwas feixend und amüsiert setzen wir unsere Tegernseeumrundung fort. Wir freuen uns an den immer wieder wechselnden Panoramen und Ausblicken. Allerdings machen uns einige sportlich ambitionierte Radfahrer in „Eddi Merxx – Kostüm“ das Leben bzw. das Radeln schwer. Einer versuchte sogar, sicher nicht mit Absicht, unsere Tour zu beenden. Akrobatische Ausweichmanöver haben dies jedoch verhindert.

Blick zum Wallberg an dem sich bei geeignetem Wetter die Gleitschirmflieger tummeln
Blick zum Wallberg an dem sich bei geeignetem Wetter die Gleitschirmflieger tummeln