Die Fahrt um Venedig herum und durch die Poebene verläuft unspektakulär. Es gibt keine Küstenstraße, man sieht also das Meer meist nicht oder nur in sehr großer Entfernung. Es ist, so scheint es, eine fast menschenleere Gegend, die landwirtschaftlich geprägt ist. Einzig die holprige Landstraße mit mäßigem Verkehr lässt uns an dieser Einschätzung zweifeln. Uns fallen die vielen, meist kleineren Brücken auf, die sich meist dort finden wo wir von unserem wohnmobilen Aussichtspunkt Schilfgürtel oder den Wasserläufen säumende Busch- und Baumreihen entdecken. In dem weitverzweigten Podelta, mit vielen Lagunen in Meernähe, hat sich natürlicherweise auch eine Fischwirtschaft entwickelt. Beim Durchfahren der Region bekommen wir aber fast nichts davon mit. Der Reisebuchautor Dr. Karl Jeller hat kürzlich ein paar Radtouren in diesem Gebiet unter dem Titel Rendevouz mit Flamingos. Vier herrliche Radtouren im Po-Delta mit vielen Tipps auf seinem Reiseblog „reisen made by jeller“ veröffentlicht. Hätten wir früher von diesem Artikel erfahren, wir hätten vielleicht schon hier einen Tag Pause eingelegt, um mit den Rädern die Region zu erkunden. So allerdings rumpeln wir weiter gen Süden.
Ich erinnere mich an meine Kindheit. Ich war ungefähr sechs Jahre alt. Meine Eltern fuhren mit mir, wie so viele in dieser Zeit, nach Rimini in Urlaub. Dunkel kann ich mich noch an einen Ausflug nach Ravenna mit einer imposanten Befestigungsanlage erinnern. Als kleiner Junge faszinierten mich Ritter, Burgen, Schwerter und mittelalterliches Kriegsgerät. Wie das eben so mit Kindheitserinnerungen ist: Sie sind etwas verzerrt in unserer Erinnerung gespeichert. So bin ich etwas entäuscht, als ich nun, rund 50 Jahre später, wieder vor den Befestigungsanlagen in Ravenna stehe. Hätte ich diese Erinnerung nicht gehabt, dann wäre ich beeindruckt gewesen. Ganz bestimmt!
Allerhand Kriegsgerät ist ausgestellt. Auf Tafeln werden die Befestigungsanlagen, ihre Funktionen, aber auch die Techniken erklärt, wie Angreifer versuchten diese Anlagen einzunehmen und die Verteidiger sich zu wehren versuchten. Heute sieht das Ganze wie eine „umzäunte“ Grünanlange aus, in der sich die ortsansässigen Jugendlichen zum unbeobachteten Chillen treffen. Für die Jugendlichen sind wir so etwas wie ein unvermeidlicher Fremdkörper. 🙂
Wir schließen einen kleinen Stadtrundgang an. Wir stolpern praktisch über den reich ausgestatteten Dom und dann auch noch in einem Park über das Grabmahl Theoderichs – oh, ja an den Namen kann ich mich noch erinnern aus dem Geschichtsunterricht… aber wie war das noch gleich? ist schon so lange her… Aber Wikipedia (Theoderich der Große) hilft da heutzutage.
Nach dem Stadtrundgang steuern wir einen Übernachtungsplatz irgendwo vor Rimini an. In dem nahegelegenen Badeort finden wir eine Strandbar die geöffnet hat. Auf ein Glas Rotwein genießen wir am Abend etwas Südseefeeling. Zu mehr als einem Glas Rotwein kommt es aber nicht, denn die äußerst lästigen Strandmücken, die wir zu dieser Jahreszeit noch gar nicht erwartet haben, treten mit uns in einen Wettbewerb um den Rotwein. Rotwein pur geht praktisch nicht. Es ist meist Rotwein mit Fliegenschnitzel. Ekelhaft!
Laut Wetterbericht sollen die nächsten drei Tage noch etwas unbeständig, bei kontinuierlich steigenden Temperaturen, sein. Da ist San Marino genau das richtige Zwischenziel mit 360° Rundumsicht das wir als nächstes ansteuern wollen.