Vor fast genau einem Jahr fand diese Reise unter dem Eindruck der ersten Welle der Corona-Pandemie statt. Dass 10 Tage später in diesem Jahr die Artikel genau so aktuell sein würden, haben wir vor einem Jahr nicht gedacht.
Bei dem Begriff Spreewald fällt mir sofort der Begriff Spreewälder Gurken ein, die diese Region überregional bekannt gemacht haben. Aber auch Leinöl, Sauerkraut und einige andere Gemüsesorten gehören zu den lokal typischen und nach wie vor produzierten Naturprodukten.
Sofort taucht vor meinem geistigen Auge das Bild der Kähne auf, mit dem heute die Touristen durch den Spreewald gefahren werden. Es hat einen kleinen Hauch von Venedig in der norddeutschen Tiefebene. Der große Unterschied ist, dass die Spreewälder Gondoliere nicht mit ihrem Ruder paddeln, sondern mit einem Stab stechend und schiebend ihr Brot durch die Spree und die Spreekanäle manövrieren.
Mit etwas Nachdenken, fällt mir auch die Minderheit der Sorben ein. Und in der Tat, alle Ortsnamenschilder sind hier zweisprachig; in Deutsch und Sorbisch.
Und da waren noch irgendetwas mit UNESCO.
Ja, dem Spreewald ist mittlerweile der Status eines UNESCO-Biosphärenreservats zuerkannt worden und genießt dadurch eine ähnliche internationale Aufmerksamkeit und einen Schutzstatus wie UNESCO-Weltkulturerbestätten.
Nach den Lockerungen der Corona Beschränkungen (2020) läuft der Tourismus überraschend schnell wieder an
Wir fahren von Franken über Dresden nach Lübbenau. Dort sind wir zunächst einmal ziemlich überrascht. Obwohl Corona unser Land noch immer fest im Griff hat und erste Lockerungen der Vorsichtsmaßnahmen seit wenigen Tagen touristische Aktivitäten wieder möglich machen, hätten wir einen solchen „Run“ auf Lübbenau nicht erwartet.
Zwar steht auf dem riesigen Busparkplatz am Ortseingang kein einziger Omnibus, aber dafür drängeln sich dort auffallend viele Wohnmobile. Wir fahren u.a. alle offiziellen Wohnmobilstellplätze und einen Campingplatz an. Danach wissen wir warum auf dem Busparkplatz so viele Wohnmobile stehen. Alles voll!
Also genehmigen wir uns für die nächsten zwei Nächte Asyl auf dem Busparkplatz, bevor wir auf einen sehr schönen und gut geführten Wohnmobilstellplatz in der Nähe umziehen.
Der Bustourismus ist noch nicht wieder angelaufen. Dafür brennen viele Besitzer neuer Wohnmobile darauf ihr neues Gefährt endlich ausprobieren zu können. Auffallend viele Wohnmobile sind vom neuesten Produktionsdatum. Auch unser Nachbar aus dem Sauerland ist ein absoluter Neuling mit nagelneuem Wohnmobil.
Ganz klar. Die seit dem Spätherbst 2019 ausgelieferten Wohnmobile, konnten bisher ja noch nicht wirklich zum Einsatz gebracht werden. Die erste Möglichkeit, die sich bietet, nutzen die Besitzer und so ist eben der Busparkplatz nun mit Wohnmobilen voll. In Gesprächen mit Nachbarn bestätigt sich diese Vermutung. Auffallend viele Neulinge und auf neue Mobile umgestiege Wohnmobilisten sind unterwegs.
Lübbenau: Das Zentrum des Tourismus im Oberen Spreewald
Der historische Teil von Lübbenau mit dem Spreehafen und dem Schloss, (das heute als Hotel genutzt wird), könnte man schon als eine Art Museumsdorf bezeichnen. Hier ist alles auf den Tourismus vor allem den Tagestourismus ausgerichtet. Die Stadtgrenze von Berlin ist ja auch nur 60 oder 70 km entfernt. Läden mit Kunstkeramik wechseln sich ab mit Ständen in denen Spreewaldgurken, Honig und Senf angeboten werden und die wiederum wechseln sich ab mit gastronomischen Angeboten von Eis, über Döner bis Mittagessen oder Kaffee und Kuchen. Auch Klamottenboutiken fehlen nicht. Die Preise, vor rund um den Hafen orientieren sich eher in Richtung Theatiner Strasse oder dem Promenadeplatz in München als am örtlichen Einkommensniveau.







Es gibt aber auf der anderen Seite der Bahnlinie das andere Lübbenau; das Lübbenau der Einheimischen. Dieses Lübbenau ist eher gekennzeichnet von sozialistischer Einheitsplatte, teilweise recht ansprechend modernisiert. Ich vermute, diese Wohneinheiten beherbergten zu DDR-Zeiten vor allem die Werktätigen im angrenzenden Tagebergbau außerhalb des Spreewaldgebietes.
Nach Modernisierungen der sozialistischen Einheitsarchitektur ist an vielen Stellen das kohlegrau freundlicheren Farben gewichen. In den, an die Wohnblöcke angrenzenden Garagenhöfen ist aber das alte Farbschema meist noch sichtbar. Da darf noch saniert werden. 😉
Gleiches gilt für das Lübbenau durchschneidende Bahnhofsgebiet. Das sieht noch richtig grausig morbide aus. Manche nennen das auch ‚OstalgieCharme‘ 😉.






Für uns ist das ein interessantes Kontrastprogramm. Hier die filmreife Kulisse, da die reale Lebenswirklichkeit, getrennt von einer Eisenbahnlinie mit Bahnhof.
In diesem scharfen Kontrast, macht uns das nachdenklich, denn wir werden mit einem „Schein“ konfrontiert, der möglicherweise gar nicht authentisch ist. Eine Beobachtung, die wir schon häufiger gemacht haben. Uns wird schnell klar, die Kontakte am Touristen-Hot-Spot werden uns keinen Eindruck von den Menschen hier vermitteln. Die werden sich so verhalten, wie es von den Touristen erwartet wird, und wie es für das Touristikbusiness am vorteilhaftesten ist.
Es werden die Kontakte jenseits der Touristenkulisse sein, die uns ein wirkliches Bild der Lebensweise in der Region vermitteln werden, sei es im abseits gelegenen Hofladen eines sorbischen Dorfes, oder beim Feierabendbier mit einem „Spreewaldgondoliere“, dem Tierschützer, der die Horste der Störche inspiziert oder … .
Wir werden auf unseren Radtouren noch ausreichend Gelegenheit dazu bekommen.