Zu Besuch in Weimar – der Wiege der deutschen Demokratie

Selbstbewusst schreibt die Stadt Weimar auf ihrer Webseite:

„Weimars Vielfalt überrascht Besucher immer wieder auf’s Neue. In keiner anderen deutschen Stadt vergleichbarer Größe hat sich so viel deutsche und europäische Kulturgeschichte abgespielt.“

Goethe und Schiller Denkmal

Diese Selbstbeschreibung ist keine marketinggetriebene Übertreibung. Immerhin kann Weimar für sich in Anspruch nehmen, der ersten deutschen demokratisch legitimierten Republik seinen Namen zur Verfügung gestellt zu haben.

Weimar war auch im Bereich von Kunst und Kultur ein Anziehungspunkt für bedeutende Kunstschaffende.

Bach und Liszt wählten Weimar zu ihrem Schaffens- und Lebensmittelpunkt. Der Komponist Johann Nepomuk Hummel, einer der berühmtesten Klaviervirtuosen seiner Zeit, arbeitete zwanzig Jahre in Weimar. Richard Strauß erschuf „Don Juan“, „Macbeth“ und „Tod und Verklärung“ in Weimar, wo diese bedeutenden Stücke der Musikgeschichte auch uraufgeführt wurden. Die Oper „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck erlebte 1893 mit der damaligen Hofkapelle ebenfalls ihre Uraufführung in Weimar.

Auch Schiller und Goethe waren für längere Zeit in Weimar heimisch. Ihre Wohnhäuser sind heute noch zu besichtigen. Es ist schon fast selbstverständlich, dass diese beiden großen Deutschen mit einem Denkmal vor dem Deutschen Nationaltheater auf dem Theaterplatz geehrt werden.

Haus der Weimarer Republik

Gegenüber dem Deutschen Nationaltheater und dem Denkmal für Goethe und Schiller befindet sich heute das Haus der Weimarer Republik. Dieses Museum und Begegnungstätte zog rund 100 Jahre nach der Weimarer Republik in dieses schöne Gebäude ein, nachdem das Bauhausmuseum, das bis dahin dort residierte, in seine neu geschaffenen Räumlichkeiten umgezogen war.
 
Nach seiner Gründung sollte das Staatliche Bauhaus in Weimar das Design und die Architektur weltweit revolutionieren. Mit der Gestaltungsschule verbinden sich Form- und Farbexperimente, Architektur-Ikonen und Alltagsdesign, rauschende Feste und minimalistische Entwürfe. Der Gründerkopf, Walter Gropius holte 1919 die europäische Künstleravantgarde in die Stadt und schuf damit den Nukleus und den Rahmen der modernen Architektur und funktionalen Designs.

Bei soviel Wichtigem und Berühmtem verwundert es nicht, das Weimar gleich zwei Mal mit dem Titel UNESCO Welterbe aufwarten kann. Zum einen als ‚Klassisches Weimar‘ und zum anderen als Teil des ‚Bauhaus und seinen Stätten in Weimar, Dessau und Bernau‘.

Wir erleben Weimar als eine sympathische, fast verträumte Kleinstadt mit historischem Ortskern, die sich uns sehr gepflegt und großteils restauriert präsentiert. Und wo das noch nicht passiert ist, da werden notfalls nur noch die Fassaden erhalten und das Innenleben des Gebäudes komplett neu gebaut.

Wer Großstadthektik sucht, der wird sich in Weimar langweilen. Es gibt keine übertriebene Eile, kein sich wichtig tun oder sich darstellen müssen. Manch einer mag das als bieder empfinden, auf mich wirkt es wohltuend entschleunigend. Eine sehr angenehme Atmosphäre. Die Schillerstraße mit den schönen schattenspendenden Bäumen, die die Straße säumen, sind das Abbild dieser angenehmen Atmosphäre.
Natürlich verfolgen einen die deutschen „Wortkünstler“ Goethe und Schiller auf Schritt und Tritt. Da ein Museum, dort eine Apotheke, hier die Schillerstraße und dort der Goetheplatz und ein Stückchen weiter ein Schokolädchen, das Goethe im Namen trägt.

Wir sind in Weimar zu einem Zeitpunkt unterwegs, an dem der Tourismus nach dem Lockdown 2020 noch nicht wieder vollständig angelaufen ist. Es mag sein, dass wir zu einem anderen Zeitpunkt die Atmosphäre in Weimar anders wahrgenommen hätten. Es gibt dennoch eine ganze Reihe von Indizien, die unsere Wahrnehmung bestätigen.

So sind z.B. die Einkaufsmöglichkeiten nicht primär auf Touristen ausgerichtet, sondern auf die Alltagsbedürfnisse der in Weimar und Umgebung lebenden Menschen. Merkmale wie z.B. in Tauberbischofsheim, Rüdesheim oder … (ich glaube, jeder der gern auf Reisen ist, kennt solche Orte), die auf eine „Entheimatung“ der ortsansässigen Bevölkerung durch den Tourismus hinweisen, haben wir in Weimar nicht entdeckt. Auch die unmittelbare Nähe zu der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt scheint dem städtischen Leben in Weimar nicht zu schaden bzw. das „Wasser abzugraben“. Ganz im Gegenteil. Erst wie wir später erkennen werden, nach dem wir Erfurt besucht haben, hat Weimar einen ganz eigenständigen Charakter. Das mag das Geheimnis sein, weswegen Weimar in unmittelbarer Nähe zur Landeshauptstadt bestehen kann.

In so manch anderen großen Stadt haben wir beobachtet, dass die kleineren Städtchen im Umland schwer zu kämpfen haben. Am offensichtlichsten zeigt sich das dann am Leerstand von Verkaufsflächen im Innenstadtbereich und am Verlust traditioneller Treffpunkte, wie z.B. alt eingesessener Brauereien, Gaststätten, Cafès usw. Auch das vermehrte Auftreten verwahrloster Immobilien mit Grafitty-Schmuck ist so ein Hinweis. In Weimar haben wir nichts der Gleichen entdecken können. Tradition und Anpassung an die Bedingungen und Notwendigkeiten der heutigen Zeit halten sich die Waage. Stattdessen finden sich Hinweisschilder und Informationen zur Stadt, seinen berühmten Einwohnern und zu seiner Geschichte dezent an den Straßen und Plätzen. Da wird auch schon einmal ein renovierter Giebel für einen klugen Spruch genutzt.

So mag es zu normalen Nicht-Corona-Zeiten vielleicht etwas touristischer in Weimar zu gehen, nach unserer Einschätzung bewegt sich das aber noch in einem angenehmen oder zumindest akzeptablen Rahmen. Hier noch ein paar Impressionen von Weimar, wie wir es gesehen haben:

Für Kultur- und Architekturinteressierte ist Weimar auf jeden Fall eine Reise wert. So lohnen sich Besuche im:

  • Bauhausmuseum,
  • Goethes Wohnhaus und seinem Gartenhaus am ‚Park an der Ilm‘,
  • Schillers Wohnhaus,
  • Rokkokosaal der Herzogin Anna Amalia Bibliothek,
  • Haus der Weimarer Republik,
  • der Fürstengruft in der die Särge von Goethe und Schiller stehen,
  • das Stadtschloss – das darin residierende Stadtschlossmuseum ist aber noch bis voraussichtlich 2023 wegen der Generalsanierung vollständig geschlossen und
  • viele weitere Museen und Gedenkstätten bis hin zur Gedenkstätte Buchenwald, das einen düsteren Fleck in unserer jüngeren Geschichte beleuchtet.
  • etliche Kirchen, wie in fast jeder geschichtsträchtigen Stadt
  • und etwas außerhalb der Stadt Schloss und Schlosspark Belvedere, Schloss und Park Tiefurt und Schloss (heute: Tagungshotel) und Schlosspark Ettersburg,

Es lohnt sich durchaus aus dem Stadtkern etwas hinauszugehen. Auch hier finden sich interessante Motive und Architektur. Wer mit dem Rad unterwegs ist, der kann auf dem Ilmtal-Radweg die in der Nähe liegenden Orte Bad Berka (ca. 10 km einfach) und über Apolda Bad Sulza – Thüringens Weinstadt – (ca. 30 km einfach) erradeln.

Wir haben uns vorgenommen wiederzukommen, um das Umland von Weimar und Erfurt zu erkunden. So wollen wir den Ilmtal-Radweg von Allzunah bis zur Saalemündung nördlich von Bad Sulza bei Großheringen abradeln und dabei Weimar einen weiteren und ausgiebigen Besuch abstatten. Immerhin wurde der Ilmtalradweg als erste Radroute in Thüringen vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club als ADFC-Qualitätsradroute mit vier Sternen ausgezeichnet. Angeblich soll dieser der beliebteste Radweg in Thüringen sein. Daher werden wir unser Wiederkommen so planen, dass wir nicht am Wochenende die Region besuchen, denn dann ist aufgrund der Auszeichnung mit viel Verkehr auf dem Radweg zu rechen.

Zum Schluss begegnete uns noch dieser etwas aus dem Rahmen gefallene Herr mit seinem „SolardachFahrrad“.

Auch solche Kuriositäten begegnen einem in Weimar. 😉

Palazzi, Kirchen und Museen – Kultur und historische Architektur – pur

Venedig 41 Venedig KirchenNun könnte ich aus diversen Reiseführern die Namen der schönsten Kirchen, der imposantesten Palazzi und der Museen aufzählen und abschreiben. Aber was bringt es dem, der noch nie in Venedig war? Nichts! Wer sich dafür interessiert, der fährt hin und schaut sich das an und zwar mit dem Fokus der ihn interessiert.

Wir sind einfach nur beeindruckt von der Schaffenskraft der Venezianer. Je länger wir uns in diesem lebenden Museum aufhalten, je mehr wir das Leben in dieser Stadt inhalieren (auch das touristische), umso mehr können wir vor unserem geistigen Auge die Aura dieser grandiosen Stadt wahrnehmen. Es entsteht das Bild rauschender venezianischer Feste vor hunderten von Jahren, genau so wie die Umtriebigkeit einer florierenden Handelsmetropole im Mittelalter. Und Heute? Heute gehören die Touristen ganz selbstverständlich auch zum Stadtbild mit dazu. Ohne, wäre Venedig nicht Venedig. Ohne, wäre Venedig irgendwie leer; fast ein wenig tot oder Vergangenheit, ein statisches Museum. Wir, die wir lieber dem Touristen-Mainstream aus dem Weg gehen, kommen zu einem solchen Resümee? Darüber sind wir selbst verwundert. Aber es ist so!

Das moderne Venedig ohne Touristen wäre nicht Venedig. Das müssen wir anerkennen. Dann gehört der eine oder andere Auswuchs touristischer Infantilität eben auch dazu. Wir wünschen den Venezianern, dass sie auch in Zukunft die Balance zwischen touristischer Attraktion und venezianischem Stadtleben erhalten können und ein lebendes Museum bleiben.

Nach bald 9 Stunden kreuz und quer durch Venedig weis ich nicht mehr ob das, was da unten baumelt meine Beine oder die Beine von WoMoline sind. Aber wir sind beide beseelt von der Atmosphäre, die wir genießen durften. Und so bleibt uns nur noch das Finale in Bildern:

Eine Fahrt auf dem Canal Grande

Kanäle, Brücken, Gassen und Plätze: der Charme Venedigs

Venedig 36 Venedig Brücken 3Wo Kanäle sind, da sind auch Brücken. Und davon soll es in Venedig über 400 geben. Die berühmteste ist wohl die Rialtobrücke, sie ist wohl die Brücke aller Brücken, die sich über den Canal Grande spannt. Für uns ist die Rialtobrücke aber auch zum Inbegriff des Touristenkitschs geworden. Strategisch ein idealer Platz genau zwischen Bahnhof und Hafen einerseits und der Piazza San Marco andererseits. Touristenstau vorprogrammiert!
Anstatt eines Bildes gibts hier den Link zur LIVE-WebCam Rialto Brücke aktuell.
Die Läden und Verkaufsstände auf der Brücke, bieten den Mitbringselunsinn, zu dem die daheimgebliebenen Beschenktenden keinerlei Beziehung haben und die dann diese achtlos verstauben lassen. Nirgendwo sonst in Venedig haben wir das so geballt gesehen – nicht einmal am Markusplatz.

Venedig 37 Venedig Kanal 2 - HolzbrückeIn grauer Vorzeit waren die Brücken aus Holz gebaut. Im Laufe der Zeit wurden sie jedoch durch Steinbrücken ersetzt. Eine aus Holz, ich vermute, eine nachgebaute uber den Canal Grande und diese hier ist uns bei unserer Entdeckungsreise durch Venedig aufgefallen. Oft ist mit einer Brücke über einen Kanal auch ein kleiner Platz oder eine Ausstiegsstelle für die Mitfahrer von Booten verbunden. Es sind Kreuzungs- und Umsteigepunkte von den Wasserstraßen zu den Fußwegen, fast so wie unsere U-Bahnhöfe in den Großstädten. Unzählige Motive ergeben sich dadurch. Hier kann sich der kreative Fotograf austoben, Von kitschig romantisch mit Gondel und Hochzeitspaar bis düster mystisch und geheimnisvoll – alles machbar auf engstem Raum. Venedig 38 Venedig Piazza 2Aber das ist nicht alles. Man kann auch das Leben der Venezianer beobachten. Da steht eine Bank, dort ist ein kleines Cafe oder eine Bar. Hier sieht man die Menschen, wie sie in der Öffentlichkeit kommunizieren. Die drei älteren Herren, die sich auf einer Bank etwas zu erzählen haben. Der Bewohner, der mit einem Paketzusteller spricht. Die zwei älteren Mamas in ihren Hausschürzen, die gerade den neuesten Klatsch weitertragen oder über ihr neuestes Kochrezept schwärmen… Alles läuft in Ruhe und Beschaulichkeit ab, aber hier und da auch mit italienischer Impulsivität.
Es scheint uns, zumindest in der warmen Jahreszeit, so zu sein, wie überall in Italien auf dem Land, dass sich ein Gutteil des sozialen Lebens im öffentlichen Raum abspielt, ja, man lebt auf diesen öffentlichen Plätzen. Venedig 38 Venedig Piazza 3Ganz selbstverständlich steht auch ein Carabinieri in seiner stolzen Uniform beim Nachbarschaftstreff dabei und wechselt dann zu einer anderen Gruppe. Es scheint die ganze Breite der Nachbarschaft eines Wohnbereiches auf diesen Plätzen vertreten zu sein. Nicht wie bei uns, wo öffentliche Plätze schon so etwas wie Gettos für Alleinerziehende mit Kinderwagen sind. Es erscheint uns fast so, als ob in Venedig italienisches Landleben praktiziert wird. Nur eines lässt uns an dieser Einschätzung zweifeln: Wir sehen keine Stühle vor den Hauseingängen stehen, so wie man das z.B. in einem toskanischen Dorf beobachten kann.
Venedig 40 Venedig Wohnung EinblickWas aber hinter den Eingangstüren der Häuser ist, das bleibt uns verborgen. Einmal, als wir gerade über eine Brücke gehen, können wir einen Blick in eine der Wohnungen erhaschen, weil hier die Fensterläden entgegen der üblichen Gepflogenheit am Nachmittag geöffnet und die Vorhänge zurückgezogen sind. Die Einrichtung: IKEA war das nicht! *schmunzel Gediegen, mondän, edel – venezianisch eben.

Einblicke in den Eingangsbereich gibt es ab und an, wenn die Zugänge nur mit einer Eisengittertür gesichert sind. Dahinter verbirgt sich dann ein meist hübsch gestalteter Eingangsbereich mit Terracottafliesen, ein paar Accessoires, die bei drohendem Hochwasser schnell in Sicherheit gebracht werden können, und weiß gekalkten Wänden – und der Treppenaufgang in die Wohnetagen; 1. Stock aufwärts. Mehr können wir leider nicht in Erfahrung bringen.

Ein Weiteres Merkmal dieser Stadt: Die Gassen. Enge Durchgänge Unscheinbare Hauseingänge. Alles verwinkelt – jeder Platz genutzt. Hier wurde immer wieder umgebaut und der Platz so effizient wie möglich genutzt. Da kann man sich schon einmal verlaufen. Man glaubt man müsste gleich wieder auf der Piazza sein, die man vor einer halben Stunde so nett fand – und dann steht man plötzlich am Canal Grande und es geht nicht mehr weiter. Sackgasse! Entschädigt wird man mit einem Blick auf die umliegenden Palazzi.

Venezianische Gärten und Dachgärten und was Commissario Brunetti damit zu tun hat

Venedig 23 DachgartenIch gebe es gerne zu, auch das Fernsehen hat mein Bild von Venedig geprägt. Ich bin kein Krimifan. Aber die Verfilmungen von Donna Leon’s Krimis mit dem Commissario Brunetti, seinem einfältigen Chef Vice-Questore, Giuseppe Patta und der eleganten Assistentin Signorina Elettra Zorzi haben ein bleibendes Bild von Venedig in meinem Kopf bzw. in unseren Köpfen geprägt.
Insbesondere die Szenen wenn der Commissario mit seiner Frau auf dem Dachgarten seiner Wohnung zu Abend speist, das Glas Rotwein zum Prosit erhebt und im Hintergrund die Sonne im Canal Grande versinkt. Herrlich! Da möchten wir es uns auf dem Dachgarten nebenan ebenso gut gehen lassen.

Venedig 24 Dachgarten 2Es gibt sie wirklich, diese Dachgärten. Wir haben immer wieder welche entdeckt. Man muss nur seine Aufmerksamkeit auf die Dächer der Palazzi richten. Dann findet man sie. Überall in der Stadt. Auch auf Augenhöhe findet man immer wieder venezianische Gärten. Mal klein, mal größer, doch meist hinter hohen Mauern verborgen. Wenn dann mal ein Baum über eine der hohen Mauern ragt, dann verraten sich diese privaten Ruhezonen dem aufmerksamen Touristen. Manchmal kann man durch eine vergitterte Zugangstür einen Blick ins Innere erhaschen. Wir haben aber das Gefühl, dass diese Räume für die Venezianer sehr private und „intime“ Orte sind, die sie nicht jedem neugierigen Blick öffnen möchten. Das sollten wir als Touristen respektieren. Diese Gärten sind ein verborgener Schatz venezianischer Lebensart.

Den Venezianern auf’s Maul geschaut: Essen und Trinken in Venedig

Venedig 39 Venedig Essen und Trinken 3Mittagszeit: Venedig erkunden macht extrem hungrig. Die kleine Wegzehrung die wir mitgenommen haben, ist schon längst vertilgt. Auf einem kleinen Platz irgendwo im Labyrinth von Venedig lädt uns die Außenbestuhlung zum Essen ein. Venedig 39 Venedig Essen und TrinkenWie nicht anders zu erwarten, finden wir uns in einem Sprachengewirr aus Italienisch, Englisch, Französisch, Spanisch?, Polnisch, Russisch, Deutsch und noch ein paar weiteren Sprachen oder Dialekten, die wir nicht identifizieren können, wieder. Wir erwarten hier und jetzt zur Mittagszeit keine Venezianer zu finden. Doch weit gefehlt. Etwas erschöpft beobachten wir die vorbeiziehenden Passanten. Immer wieder fallen uns sehr gut und geschmackvoll gekleidete Personen, meist Männer, auf, die mit gemütlichem, nein, erhabenen Schritt des Weges ziehen. Die, die im Gespräch mit einer weiteren gut gekleideten Person unterwegs sind, identifizieren wir sofort als Venezianer anhand ihrer typischen gestikulierenden Sprachunterstützung.
Ein älterer Herr mit schütteren grau melierten Haaren fällt mir besonders auf. Er ist für mich der Prototyp des Venezianers schlecht hin. Helle Hose, mittelblaues Jackett mit Goldknöpfen, mittelbraunen Maßschuhen und statt Krawatte, Halstuch aus feinster Seide mit passendem Einstecktuch in der Brusttasche des Jacketts. In der rechten Hand eine aus feinstem Leder gefertigte leichte Aktenmappe, gerade groß genug, damit ein Exposee eines Immobilienmaklers und der Füllfederhalter, natürlich aus purem Gold, zum Unterschreiben in die Mappe passt. Fünf Meter vor uns bleibt er mit seinem Begleiter stehen, während er in gediegenem Italienisch seinem Begleiter seine Argumente mit eindrucksvollen Gesten verständlich macht.
Sein Gegenüber ist ein nicht weniger beeindruckender Venezianer, etwa halb so alt, aber eher der Commissario Brunetti Typ, gekleidet in feinen dunkelgrauen Zwirn, weißes Hemd, dieses aber ohne Krawatte, lässig den Kragen cool geöffnet. Die fehlende Krawatte wird durch die schwarze Ray Ban Brille mit Mafia-Feeling kompensiert.
Dann ein kurzes Wortdurcheinander der beiden, das etwas in der Lautstärke zunimmt. Für uns Nordeuropäer ein sicheres Indiz für einen beginnenden Streit. Doch dann ein herzliches Lachen mit verbrüdernden Gesten und die Beiden verschwinden einträchtig auf einen Espresso in der schräg gegenüber liegenden Bar.
Szenen wie diese haben wir etliche beobachtet. Ist das auch Klischee oder echte venezianische, oder doch zumindest italienische Lebensfreude? Nein, das ist nicht gespielt. Das ist Italien, das ist Venedig.

Venedig 39 Venedig Essen und Trinken 4Wir genießen unser Mittagsmahl mit musikalischer Untermalung. Natürlich, wie sollte man es anders erwarten, kommen nach einer gewissen Zeit die „Straßenmusiker“ (ich bin mir sicher sie sind vom Gastwirt engagiert) auf die Gäste des Restaurants zu und fordern dezent aber bestimmt eine milde Gabe ein, die wir auch gerne gewähren, Die Drei waren auch wirklich gut. Das touristische Venedig hat uns wieder einmal eingeholt 😉

Nördlich und östlich vom Markusplatz finden sich unzählige dieser Restaurants deren Zielgruppe vor allem Touristen sind. Viele versuchen sich als „McSchubeck“ zu positionieren mit gehobenem Ambiente, Stoffserviette und Bedienung in schwarzer Weste aber mit einer Sitzplatzbreite nur wenige Millimeter über der 50cm-Marke. Venedig 39 Venedig Essen und Trinken 2Hier wird das Touristenklischee perfekt bedient. Nur die handgeschriebene Tafel, die den Fußgängern den Weg versperrt, mit dem Frutti die Mare Angebot des Tages entlarvt den Touristentempel. Dazwischen verbergen sich aber auch immer wieder Restaurants, in die die Venezianer einkehren. Ich kann nicht genau sagen woran ich den Unterschied festmache, für mich, besser gesagt für mein Gefühl ist der Unterschied doch sehr klar und eindeutig erkennbar.

Der typischste Beruf in Venedig: Der Gondoliere

Venedig 14 Gondoliere am Canal GrandeWer nach Venedig kommt, der wird zwangsläufig auf die Gondeln, dem traditionellen Verkehrsmittel in Venedig stoßen. Die heutigen Personenbewegungen in der Stadt könnten die Gondoliere wohl nicht mehr bewältigen. Im Stadtbild sind sie mit ihren Gondeln aber nach wie vor präsent wie das schwarze Taxi in London.
Heute sicher mehr Touristenattraktion und bei den Preisen von 60€ für die halbe Stunde und etliche Aufschläge für Canal Grande, Fahrt in der Dämmerung, bei Nacht, mit O’ SOLE MIO singen (Scherz) auch für venezianische Verhältnisse nicht gerade billig. Für frisch Verliebte und weitgereiste Japaner ein „Muss“ mit der Gondel auf dem Canal Grande in den Sonnenuntergang zu fahren. Das hat schon was.

Venedig 9 Gondoliere am Canal GrandeEine wirkliche Konkurrenz sind die Vaporettos, wie die venezianische Wasserstraßenbahn heißt, für die Gondoliere aber nicht. Die Palazzi am Canal Grande rauschen einfach viel zu schnell an einem vorbei. Und so ist die Gondel eine interessante Alternative, um die Palazzi unangestrengt in Ruhe zu bewundern. Die billigere Alternative heißt: Laufen, laufen und noch einmal laufen. Aber nicht am Canal Grande entlang, das geht nicht, sondern von einer Sackgasse die zum Kanal führt zurück, dann nach rechts oder links, um dann wieder in die nächste Sackgasse einzubiegen.

Wo Meer ist, da ist auch ein Fischmarkt – Venedig: Wo Fische mitten in der Stadt schwimmen

Venedig 27 Venedig FischmarktWir haben nicht nach dem Fischmarkt gesucht, aber er hat uns gefunden. Es sieht alles fangfrisch wie aus der Adria aus, doch das Bild täuscht. Die Verkäufer sind Venezianer, die Kunden sind meist venezianische „Haus“frauen (man sehe mir diese Frauendiskriminierung nach). Aber die Fische kommen meist nicht von der venezianischen Küste oder aus der Lagune, so klärt man uns auf. Wie in vielen Großstädten Europas, kommen Tintenfische, Krebse, Langusten und allerlei anderes exotisches Wassergetier aus Asien fangfrisch auf den Tisch.

Das Treiben auf dem Fischmarkt, das ist typisch venezianisch. Es lässt sich nicht wirklich beschreiben. Das Beraten und Verkaufen, das Feilschen und Bedienen hat seinen ureigenen regionalen Charme, ähnlich wie in München auf dem Viktualienmarkt oder in Wien auf dem Naschmarkt. Es ist eine Oase unverfälschten Stadtlebens.

Uns hat hier auch einiges angemacht, doch wir wollen den frischen Fisch nicht durch Venedig tragen um dann am Ende des Tages nach Fischereihafen zu stinken. So lassen wir das und genehmigen uns in einer nahegelegenen Bar einen Cappuccino.

 

Venedig: Hinter die Kulissen geschaut

Der H&M schärft meinen Blick für den Alltagsbetrieb. Jede Flasche Wein, jeder Schinken, das ganze Baumaterial für den Erhalt der Gebäude (und überall wird restauriert und in Stand gesetzt), muss übers Wasser. Mir fallen einige Serviceleute mit riesigen „Sackkarren“ auf, die so konstruiert sind, dass man mit ihnen auch die Treppen der Brücken über die Kanäle überwinden kann. Einer hat, der Kartonaufschrift nach zu urteilen, einen Kühlschrank aufgeladen, Ein anderer transportiert Bierfässer, offensichtlich für die Schankanlage eines Restaurants oder einer Bar. Venedig 33 Venedig Logistikschiff Canal GrandeAm Canal Grande entdecke ich das Pendant: Lastkähne gefüllt mit Stückgut und einem Mann davor, der ständig telefoniert. In einiger Entfernung das gleiche Bild: Lastkahn mit telefonierendem Mann. Ich entschließe mich, dem Treiben etwas zuzusehen. Mir ist aufgefallen, dass die Sackkarrenschieber ohne Beladung ebenfalls telefonieren, vielleicht sogar während sie etwas transportieren, dann eben mit Head-Set. Die scheinen so etwas wie Zusteller oder Postboten zu sein, die Waren ausliefern und dann via Telefon zum nächsten Abholort geschickt werden. Während ich zuschaue ist auf jeden Fall keiner der Sackkarrenschieber ohne Beladung zum oder vom Lastkahn gefahren.

Strom und Wasser, das ist eine gefährliche Kombination. Das lernt der Elektriker-AZUBI schon in den ersten Stunden. Um so mehr fasziniert mich die abenteuerliche Verkabelung in Venedig. Jeder deutsche Elektrikermeister würde wahrscheinlich einem doppelten Herzschlag erliegen, wenn sein Geselle den Platz seines Arbeitseinsatzes so verließe:

Wir haben noch wildere Verkabelungen gefunden, nachdem uns bewusst wird, dass dies hier zum Standard gehört, wollte ich das fotografieren. Aber wir haben die Orte nicht mehr wiedergefunden.

Venedig 22 Wäsche troknenWie schon erwähnt, es gibt in Venedig keine Keller. Der bei uns bekannte Waschkeller wäre viel zu häufig überflutet. So muß man sich auch was für das Wäschetrocknen einfallen lassen. So werden auch schon mal öffentliche Plätze mit Tischdecken Bettlaken, Socken und Unterhosen geschmückt.

Handel war schon immer die Domäne der Venezianer: Schaufenster, Galerien und H&M

Murano Glaskunsthändler gegenüber vom Dogenpalast am Markusplatz
Murano Glaskunsthändler gegenüber vom Dogenpalast am Markusplatz

Vom Markusplatz bewegen wir uns ohne genauen Plan Richtung Rialtobrücke. In den Gassen und an den kleinen Plätzen entdecken wir immer wieder Schaufenster, die unsere Neugierde wecken.

Venedig 19 Schaufenster Alimentari Schinken
Alimentari Venezia

Vom einfachen Alementari, der die die Bedürfnisse der Einwohner nach Schinken, Mortadella und Panini deckt, über Läden mit Glasschmuck, venezianischen Masken, Galerien, bis zum Designer-Möbelladen. Alles dabei!

 

Venedig 21b Schaufenster KleidungWir kommen an einen kleinen Platz. Vor uns Klamottendesignerläden der üblichen Verdächtigen – von Luis Vitton bis Puma und… ein H&M ist auch dabei. Mitten in der Altstadt! H&M ist nun nicht gerade eine Boutique die vom Verkauf von ein oder zwei teuren Teilchen pro Tag leben kann. Hier müssen Volumen an Waren umgeschlagen werden. Mir stellt sich die Frage, wie bekommen die Venezianer das mit er Logistik hin. Angesichts der schmalen Gassen, Durchgänge, Brücken und der schmalen Kanäle ist das eine Herausforderung. Die Läden liegen ja nicht am Canal Grande. Hier kann kein Sattelschlepper mal eben auf der Rückseite von H&M an die Rampe fahren und ein paar Tonnen Klamotten im Keller des Kaufhauses verschwinden lassen. Keller? Oh, die gibt es aufgrund der hohen Wasserlinie nicht! Ja, und wo wird die Ware zwischengelagert? Das verblüfft mich.

WoMoline verblüfft das nicht. Sie will wissen, ob es in Venedig die gleichen Sachen gibt wie in Nürnberg, Stuttgart oder München oder endlich italienischen Chick. Typisch Frau schleppt sie mich in den H&M mit dem Argument hinein, dass sie noch eine weiße Leinenhose brauchen würde. Ich sage nur ganz leise, damit es niemand hört: „Holzauge sei wachsam…“
WoMoline stellt anschließend enttäuscht fest: NIX italienischer Chick – internationaler Einheitsbrei.

Markusplatz und Dogenpalast. Venedig ohne – geht nicht!

Venedig 29 Venedig Markusplatz - CampanileEs ist schon etwas Betrieb in der unmittelbaren Umgebung des Markusplatzes. Wir passieren den Dogenpalast und sind erstaunt, dass wir den Markusplatz noch weitestgehend leer zu Gesicht bekommen. Die meisten Touristen kommen über die Brücke Ponte della Libertà, die die Lagunenstadt mit dem Festland verbindet, oder sie kommen von den Kreuzfahrtschiffen.
Bahnhof und Hafen liegen genau auf der anderen Seite von Venedig.
Venedig 29 Venedig Markusplatz - San MarcoWie wir später feststellen, liegen drei Kreuzfahrer im Hafen und wir können am Bahnhof an den Menschenmassen, die dieser ausspuckt, erkennen, dass auch viele Tagestouristen den Sonnentag für einen Ausflug nach Venedig nutzen. Wir haben mit unserem Ausgangsort, Punta Sabbioni, für unseren Besuch in Venedig, alles richtig gemacht, denn wir sind am Markusplatz vor dem großen Ansturm und unser „Rundgang“ verläuft überwiegend gegen den Ansturm der Touristenströme.

Wer wissen möchte wie es jetzt aktuell vor dem Dogenpalast aussieht der schaut auf der LIVEWebCam Markusplatz mit Blickrichtung Canal Grande nach.

Wer nach Venedig fährt, der kommt an dem Must-See Markusplatz mit Dogenpalast, Campanile und Seufzerbrücke, der imposanten Biblioteca Marciana (eine der größten Bibliotehken Italiens) gegenüber vom Dogenpalast, und dem Markusdom nicht vorbei. Ein Besuch in Venedig ohne dieses Must See wäre wie eine Betrachtung der Nofretete ohne Kopf.

Venedig 30 Venedig Markusplatz - San Marco vormittagWir erleben diesen Platz wohl anders als die meisten Tagestouristen. Wir sehen noch die Tauben oder Möven (?) die einfliegen und wieder ausschwärmen. Das ist am Abend anders. Dann sind ermüdete Touristenbeine, abgeschlaffte Reisegruppen und Chinesen mit Krampf im Fotoaparatauslösefinger, die den Platz beherrschende Klientel. Wir lassen den Platz einfach auf uns wirken. Venedig 30 Venedig Markusplatz - San Marco vormittag 2Die grandiose Architektur, der zur Schau gestellte Reichtum, der Campanile und die Weite des Platzes selbst, lassen uns immer kleiner fühlen, immer unwichtiger. Das beabsichtigten die Erbauer wohl auch. Sie wollten ihren Gästen zeigen wer hier residiert und bei den Gästen ein ehrfürchtiges Gefühl hinterlassen. Die Venezianer waren Händler und sie wussten genau, dass es sich aus einer Position der Stärke besser verhandeln lässt. Dieser Gedanke kommt uns an diesem Tag noch mehrfach in den Sinn.