Senftenberg: Eine Urlaubsregion entsteht.

Auf dem Weg vom Spreewald nach Dresden, von wo aus wir ins Elbsandsteingebirge fahren wollen, machen wir einen Zwischenstopp in Senftenberg. Senftenberg liegt im Lausitzer Seenland. Dieses Seenland ist, bzw. wird das größte künstlich geschaffene Seengebiet Europas. Was uns hier erwartet? Keine Ahnung!

Als ahnungsloser Wessi hat man vom Braunkohletagebau gehört. Und dass dieser aus Umweltschutzgründen so schnell wie möglich stillgelegt werden soll, das weiß man auch. Wenn man nicht aus einer Tagebergbauregion kommt, hat man nur eine sehr diffuse Vorstellung, was das für eine Region und ihre Menschen bedeutet. Einen ersten Vorgeschmack auf das, was nach dem Bergbau kommt, haben wir schon in Lübbenau bei einer Radtour in Augenschein nehmen können. Wie eine Renaturierung irgendwann mal aussehen könnte, kann ich mir in Lübbenau aber noch nicht wirklich vorstellen.

Bei einer Radtour rund um den Senftenberger See, können wir uns ein Bild von einer solchen Entwicklung machen. Hier ist man schon einen großen Schritt weiter.

Der geflutete Tagebergbau mit größeren Wasserflächen bietet sich als Freizeitzentrum für Wassersportler an. Denkt man eine Nummer größer, dann lässt sich ein ganz neuer Wirtschaftszweig im Bereich des Tourismus entwickeln. Genau das scheint man hier vor zu haben.

Am Stadtrand ist eine Art Steilufer entstanden, die in Teilen schon fast wie natürlich gewachsen aussieht. Auch der neue Stadthafen ist für Bootssportler attraktiv. Wassersport und Badeangebote haben sich rund um die Liege- und Freizeitwiesen etabliert. Auch zwei Wohnmobilstellplätze sind hier zu finden, die voll belegt sind. Wir sind überrascht wie viel touristisches Treiben hier stattfindet. Immerhin ist keine Schulferienzeit.

Einmal um den Senftenberger See

Wir übernachten auf einem Wohnmobilstellplatz etwas außerhalb. Von dort aus umrunden wir den Senftenberger See mit den Fahrrädern. Hier ist schon ein sehr gutes Radwegenetz entstanden. Das können wir an der guten Ausschilderung erkennen. Abzweigungen sind immer klar erkennbar. Wenn es überall so ist, dann reichen Übersichtskarten vollkommen aus, um sich sicher zu orientieren.

Zunächst führt uns unser Weg in die Stadt. Da wir wieder Proviant auffüllen müssen, freuen wir uns, dass Markttag ist.
Wie schon so häufig im Osten finden wir hier eine Marktstruktur vor, die wir bei uns nicht mehr kennen. In Süddeutschland findet sich eher der „Bauernmarkt“, angereichert mit Ständen weiterer Lebensmittel – von Brot über Honig bis zu Fleisch und Wurstwaren. Bekleidung, Schuhe oder Haushaltswaren sucht man bei uns meist vergeblich. Nicht so hier im Osten. Das erinnert uns sehr an die Wochenmärkte in Italien, wo man wirklich alles bekommen kann, bis auf lizensierte Produkte, wie Tabakwaren oder pharmazeutische Produkte.

Die Markttage bringen Leben in die Stadt. Für uns sind diese immer besonders interessant, denn wir können den Menschen, ohne neugierig zu wirken „aufs Maul“ schauen und den ungezwungenen, typischen Umgang miteinander beobachten. Und bevor wir uns umschauen, sind wir in ein Gespräch mit den Einheimischen verwickelt. WoMoline ist dafür Spezialistin. Sie hat auf diese Weise schon so manchen Insidertipp bekommen. 😊😘💖

Senftenberg hat sich schon zu einem Erholungsort entwickelt. Vieles ist instandgesetzt, aufgehübscht, und neu entstanden – wie zum Beispiel der Stadthafen. Um Senftenberg herum entsteht mit dem Lausitzer Seenland zwischen Berlin und Dresden eine neue Wasserlandschaft. Seit einigen Jahren erhält die ehemalige Tagebaulandschaft ein neues Gesicht mit tiefblauen Farbtupfern. Es entsteht die größte zusammenhängende Seenlandschaft Europas mit insgesamt 23 größeren Seen.

Wir verlassen Senftenberg. Die verschiedenen Seen, die hier entstehen werden mit Kanälen verbunden, sodass ein Wasserstraßennetz entsteht. Wo erforderlich, gibt’s dann auch schon mal einen Bootstunnel.

Etwas weiter ist ein Ferienresort mit Clubcharakter entstanden, das sich wohl stark an der Zielgruppe Familie mit Kindern ausrichtet. Das riesige Areal, im Wald gelegen, bietet sowohl Camping, Mobilheime bzw. Ferienhäuser als auch ein Hotel an. Am Seeufer erinnert der Sandstrand an Klassiker wie Bibione oder Rimini. Es ist alles vorhanden was für einen Familienurlaub nötig ist. Wie für Cluburlaub typisch gilt: Einmal angekommen, braucht man das umzäunte Gebiet nicht mehr zu verlassen.

Es ist ein Touristik Konzept, dessen Vorbild aus Spanien, Italien, Türkei und Anderswo stammt. Nur die Anreise ist kürzer und der südländische Flair fehlt. Und der kilometerlange Strandspaziergang wird durch einen Zaun und ein Verbotsschild nach wenigen 100 Metern unterbunden.

Die Wege führen zum Teil sehr weit entfernt vom Ufer durch den Wald. Geschätzt, weit mehr als die Hälfte des Seeufers darf nicht betreten werden. Zum einen wurden Schutzzonen für Biotope ausgewiesen und zum anderen sind weite Bereiche der Uferzonen wegen instabilen Geländeformationen im Uferbereich abgesperrt. Wirklich attraktiv und abwechslungsreich ist, so weit entfernt vom Wasser, die Fahrt durch den Wald nicht.

Aber dann treffen wir auf ein kleines Areal, das ein Meer oder See-Feeling aufkommen lässt. Die Infrastruktur ist hier ein Toilettenhäuschen mit angeschlossener Imbissbude und so weit wir das beurteilen können drum herum wilde Parkerei an Straßenrand. Das hat schon etwas Nostalgisches und erinnert mich an meine Kindheit. Mit dem Käfer über den Großglockner nach Kärnten an einen See. Imbissbude war schon Luxus. Mehr brauchten wir nicht.

Es wird noch eine lange Zeit brauchen, bis aus diesem Gebiet eine wirkliche Ferienregion wird. Man kann alles Mögliche hinbauen, was für eine solche Ferienregion notwendig ist. Die Menschen aber in dieser Region sind geprägt vom Bergbau und der Energieerzeugung. Es wird sicher ein, zwei Generationen dauern bis die Produktionsmentalität sich in eine Dienstleistungs- bzw. Tourismusmentalität verändert hat. Der Unterschied zu einem traditionellen Tourismusgebiet, wie dem Spreewald, ist auf Schritt und Tritt spürbar. Solche Veränderungen gehen eben nicht von heute auf morgen.

Vielleicht ist es ja auch langfristig von Vorteil, sich nicht an Ballermann und Ischgl zu orientieren.

Kurz vor Beendigung unserer Rundfahrt begegnet uns an einem Campingplatz dieses Wohnwagengespann.

Nachdem wir hier, wie zuvor schon im Spreewald, die Erfahrung machen, dass nach dem langen Lockdown die Menschen einfach heiß auf Tapetenwechsel sind, geben wir das Ziel ins Elbsandsteingebirge zu fahren auf. Stattdessen machen wir uns am nächsten Tag auf, in Richtung Weimar und Erfurt.

Unser Kalkül: da, wo die Menschen, die jetzt in den Urlaubsgebieten sind, herkommen (die aus den Städten), dort müsste es doch angenehm ruhig sein. 😊

Schon mal was von Tuscia gehört? Wo Italien noch ursprünglich ist!

Bolsena 1 KarteTuscia, ein Schreibfehler? Sollte das nicht Toskana heißen? Nein, Tuscia nennt sich das Gebiet wo Toscana, Umbrien und Latium zusammentreffen. Herzstück des Gebietes ist der Bolsenasee auf dem Gebiet der Region Latium. Der Bolsenasee ist ein alter Vulkankrater. Der sehr dunkle, fast schwarze grobe Sand an den Ufern des Sees lässt an dem vulkanischen Ursprung keine Zweifel aufkommen. Die Orte rund um den See und darüber hinaus sind zwar touristisch erschlossen, aber sanft und sie wirken noch so ursprünglich wie die Toscana vor 35 oder 40 Jahren.

Diese Region hat eine mindestens 1000jährige touristische Tradition. Alle Pilger die nach Rom wollten und aus dem Norden kamen, mussten hier durch. Auch wir haben etliche Pilger auf Schusters Rappen, mit Rucksack und modernen Wanderstöcken, durch Bolsena und Montifiscone wandern und Quartier suchen gesehen.

Aus Montefiascone kommt auch der, bei Weinkennern bekannte Wein „Est!Est!Est!“, der aus einer alten Weinsorte hergestellt wird, die erst wieder seit Anfang der 70iger Jahre angebaut wird. Seit Mitte der 80iger Jahre ist auch der Wein aus diesen Trauben wieder erhältlich. Der Name des Weins geht auf einen deutschen Bischof zurück, der sich um 1111 n.Chr. auf Pilgerreise befand und seinen Diener immer voraus schickte, um die  Herbergen mit den besten Tropfen zu erkunden. Bei diesem Wein war der Diener so begeistert, dass er die Nachricht für seinen Herrn gleich drei mal an die Wand der Herberge schrieb: Est! Est! Est!, was so viel heißt wie: „Hier ist es! Hier ist es! Hier ist es!“

Aber warum ist diese Region noch so ursprünglich geblieben? Ich habe drei Erklärungen anzubieten.

Erklärung 1: Die Region lag lange Zeit abseits der Hotspots der modernen Tourismusentwicklung in der Toskana. Dadurch konnte sich der „moderne“ Tourismus langsamer und organischer entwickeln.

Erklärung 2: Im Gegensatz zur Toskana, insbesondere der Küstenregion hat die Region Tuscia durch die Wallfahrtstradition schon viel länger „Erfahrung“ mit dem Tourismus.

Erklärung 3: In der Toskana hat sehr viel auswärtiges Geld die Entwicklung vorangetrieben. Man kann das in vielen Orten, die sehr gut restauriert sind, sehen. Viele leerstehende Immobilien wurden von Norditalienerin, Florentinern und auch Deutschen aufgekauft und wiederhergerichtet, oder es wurden schmucke Sommerhäuser gebaut, was auch Einkommen in der Toskana geschaffen hat. Es hat aber auch dazu geführt, dass diese Immobilien nicht mehr dauerhaft durch die selben Menschen bewohnt sind. So verändert sich die Nachbarschaftsstruktur nachhaltig. Und das ist für den aufmerksamen „Reisenden“ spürbar.

Bolsena 3 - NachbarschaftIn der Region Tuscia sind vor allem die historischen Innenstädte, so unsere Beobachtung, noch durch Einheimische bewohnt und belebt, was man besonders ab Einbruch der Dunkelheit in den engen Gassen der Orte beobachten kann. Die Menschen treffen sich vor ihren Haustüren zu einem Schwätzchen, trinken vielleicht auch einen Schluck zusammen und bekräftigen so jeden Tag aufs Neue ihre Gemeinschaft. Ganz wichtig sind dabei auch die Allimentaris, Bars, Enotecas und die Tabakläden die immer wieder als Kommunikationsschnittstellen dienen. In den hoch entwickelten Touristen Hotspots ist teilweise diese identitätsstiftende Infrastruktur verloren gegangen, bzw durch effizient arbeitende Touristenangebote ersetzt worden.

Ich glaube es ist eine Kombination aus den drei Erklärungsversuchen, warum wir Tuscia noch so ursprünglich wahrnehmen. Wir hoffen, dass die Erklärungsversuche eins und zwei verhindern, dass die Fehlentwicklungen, die in der Toskana zu beobachten sind, sich hier nicht wiederholen.

Wer die Toscana ursprünglich erleben will, der ist in der Region Tuscia rund um den Bolsenasee gut aufgehoben. Wir sind glücklich, dieses Gebiet gefunden zu haben und verleben eine wunderbar entschleunigte Zeit.

Bei diesem Panorama verweilen wir gern für ein paar Tage.

Bolsena 2 - Seepanorama

Italien ein Land der heißen Quellen

Es wird uns am heutigen Tage bewusst, dass Italien eine geologisch unruhige Region ist. Wir erhalten durch eine SMS die Nachricht, dass sich wieder einmal ein Erdbeben mit mehreren hundert Toten ereignet hat, kaum 150 km von uns entfernt. Unsere Lieben und Bekannten wollen natürlich wissen, wo wir gerade stecken und ob es uns gut geht.

In diesen geologisch unruhigen Regionen mit sich häufenden Erdbeben und mit aktiven Vulkanen (jeder kennt den Vesuv und Stromboli), da finden sich auch immer wieder heiße Quellen.

Wir haben beschlossen, dass wir weiter landeinwärts fahren wollen. Auch wenn die Gefahr von Nachbeben besteht, so wagen wir uns doch in Richtung des Epizentrums des Erdbebens. Auf unserem Weg liegt Saturnia. Die heißen Quellen von Saturnia locken uns. Es geht über zum Teil abenteuerliche Nebenstraßen, die ab und an hochalpinen Charakter haben, ins Landesinnere. richtung-saturniaMit zunehmender Höhe tauchen immer mehr Olivenhaine auf, die sich mit Reihen von Weinstöcken abwechseln. Malerische Orte, die meist auf den Spitzen der Hügel liegen, säumen den Weg. Erwähnenswert auf dem Weg nach Saturnia ist Magliano in Toscana mit seiner imposanten Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert und Montemerano, einem liebevoll renovierten kleinen Ort, in dem sich einige Großstätter ein Feriendomizil geschaffen haben. In der Nebensaison sieht man aber das Dilemma, dass in vielen kleinen Orten der Region besteht. Es heißt: man sieht nur Katzen und ältere Menschen. Die Jungen gehen weg und die Region vergreist. Die Sozialstruktur kann sich nicht mehr erneuern. Die Lebenskultur der Region stirbt und wird nur kurzzeitig im Jahr durch eine Touristenkultur ersetzt.

Wir können und wollen auch gar nicht alle Orte hier vorstellen. Die ihnen eigene Lebensart der Menschen muss man ohnehin selbst erleben. Wir haben aber immer das Gefühl, die verbliebenen Menschen leben hier im Einklang mit der Natur und ihrer Region. Nicht nur die immer wieder zu sehenden italienischen Fahnen zeugen von einem National- und Regionalstolz, der ein tiefes Bekenntniss zu ihrer Heimat ausdrückt. Wir fragen uns: “Wie lange noch?”

Wir erreichen Saturnia. Schon bevor wir etwas sehen können, nehmen wir den „Duft“ der schwefelhaltigen Quellen wahr.

saturnia-1Die 37° heißen Quellen von Saturnia sind frei zugänglich. Da sie schon lange kein Geheimtipp mehr sind, sind sie von Tagestouristen in der Feriensaison überlaufen. Die offiziellen Parkplätze sind tagsüber voll und auf den bergigen Zufahrtsstraßen wird jede noch so kleine Parkmöglichkeit am Straßenrand genutzt. Mit einem Wohnmobil ist man da nicht wirklich wettbewerbsfähig, außer man ergattert einen freien Platz auf einem der beiden WoMo-Stellplätze.

Das ultimative Badeerlebnis im Sommer versprechen sowieso eher die Abend- und Nachtstunden. In den Becken liegen und in das Himmelszelt mit seinen unzählbaren Sternen schauen, dabei das Rauschen des in die Becken hineinstürzenden Wassers genießen, das ist schon eine Wucht! Einzig der etwas penetrante Geruch nach fauligen Eiern, der schwefelhaltige Quellen immer begleitet,“trübt“ etwas das Sinneserlebnis – zumindest für feine Näschen.😊

Einen Tag zu Gast bei den Kitern und Windsurfern in Talomone

talomone-3Wir fahren ein Stückchen weiter Richtung Süden. Wir lassen das Gebiet um Piombino, (hier fahren u.a. die Fähren nach Elba ab), Folonica, Massa Marittima, die nette Kleinstadt Grosseto und das Naturschutzgebiet Parco Regionale della Maremma aus, bis wir in Talamone ankommen. Hier finden wir wieder einmal einen „One Million Dollar View“. Wir stehen direkt am Meer mit Blick auf Talamone, den Monte Argentario mit dem am Fuße liegenden Porto San Stefano. Der Platz ist ein wahrer Hotspot für Surfer und Kiter. Alle warten auf den ultimativen Wind. Doch er kommt nicht. Das sportbegeisterte Publikum ist ein wohltuendes Kontrastprogramm zu den bespaßungshungrigen Urlaubern 150km weiter nördlich.

Unaufgeregt, ja fast gleichmütig warten sie auf den Wind, den sie für ihre Leidenschaft brauchen. Als dann doch der Wind etwas auffrischt wagen sich die ersten aufs Wasser. Doch nach einer halben Stunde schläft der Wind wieder ein und so schnell wie die Surfer und Kiter auf dem Wasser waren, genau so schnell sind sie wieder verschwunden und sitzen am Strand oder hinter ihren Wohnmobilen im Schatten, warten chipsfutternd auf morgen und auf kräftigeren Wind aus der richtigen Richtung.

Das alles ging so schnell, dass ich zu langsam war die Kamera aus dem WoMo zu holen. So gibt es kein einziges Bild von den coolen wagemutigen Helden der Bucht von Talomone.

talomone-2-porto-san-stefanoWir betrachten das Treiben als „Bay Watchers“ und zwischendurch genehmigen wir uns entsprechende Abkühlung im Wasser. Mit der hereinbrechenden Dämmerung werfen wir unseren Grill an. Bei einem grandiosen Abendpanorama verzehren wir unser Gegrilltes. Nun frischt der Wind wieder kräftig auf, doch für die Surfer und Kiter ist es nun zu dunkel. Wir schauen noch bei einer steifen Brise nach Porto San Stefano und nach Talomone, aber noch schöner ist der Blick in den Himmel zu den vielen leuchtenden Sternen.

Ach ja, von hier stammt auch das aktuelle Hauptbild unserer Seite. Im Hintergrund Porto San Stefano.

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Sand-Strand-Laufen nach San Vincenco

marina-di-castagneto-1Zu unserem Übernachtungsplatz in Marina di Castagneto müssen wir durch ein “Villenviertel” fahren. Wir haben schon die Befürchtung, dass wir wieder auf eine Strandparty-Area wie nördlich von Pisa treffen. Unser angestrebter Übernachtungsplatz liegt genau hinter den sandigen Dünen die den Strand vom grünen Hinterland trennen. Nach dem Abstellen des Wohnmobils stellen wir fest: Der Wind frischt immer stärker auf und nimmt in Böhen auch schon mal Sturmstärke an. Wenn dann auch noch einem aufgewirbelter Sand entgegen fliegt, dann heißt es nur noch: Augen zu, Nüstern zu und Mund schließen, sonst knirscht das Gebiss beim Abendbrot.

marina-di-castagneto-5Am nächsten Morgen beschließen wir einen Strandspaziergang nach San Vincenzo zu machen. Schnell zeigt sich, dass unsere Befürchtung einer Partyarea unbegründet ist. Überwiegend freier Strand, unterbrochen von einzelnen “Sonnenschirm-Areas” mit Bar-Anschluss und ein paar Wassersportangeboten. Die überwiegenden Strandbereiche sind aber frei zugänglich und naturbelassen. Das bedeutet aber auch, dass Seetangreste den Uferbereich zieren und was das idyllische Bild mehr stört, ist allerhand Unrat, den das Meer angeschwemmt und auf der Strandfläche verteilt hat. Ab und an zwingt uns das auch mal zum Slalom laufen.

marina-di-castagneto-3Wesentlicher Unterschied zu unserem Strandspaziergang in Camaiore ist aber der Sand. Der Sand ist nicht ganz so fein wie weiter nördlich. Das hat zur Folge, dass der Sand an der Wasserlinie einen nicht so festen Untergrund bildet und das Laufen am Strand mit Fußabkühlung sehr schnell anstrengend wird, weil die Füße immer wieder tief in den Sand einsinken und sehr viel Kraft der Füße im Untergrund „verpufft“. Das Laufen weiter oberhalb der Wasserlinie macht aber auch keinen Spaß, weil hier der Sand so heiß ist, dass man geschlossene Schuhe braucht um sich nicht die Fußsohlen zu verbrennen. Aber auch im heißen Sand ist das Fortkommen nicht weniger beschwerlich. So werden die geschätzten 10 km zur Herausforderung.

Auf dem Rückweg wird diese Herausforderung, die mit einem kleinen Muskelkater belohnt wird, noch gesteigert. Auf dem Hinweg haben wir noch starken auflandigen Wind von schräg hinten. Das haben wir unterschätzt, denn auf dem Rückweg haben wir Gegenwind von schräg vorne! Das erfordert noch einmal extra Körner!

San Vincenzo selbst ist ein Ort ohne erwähnenswerte Besonderheiten, direkt am Meer gelegen, was in dieser Region eher die Ausnahme ist. Der Ort ist, so unser Eindruck, geprägt von vielen Sommerhäusern, die wahrscheinlich nicht ganzjährig bewohnt sind. Außerhalb der Sommersaisonmonate dürfte dieser Ort in eine Art Winterschlaf verfallen.
marina-di-castagneto-2Die Atmosphäre die wir erleben ist entspannt, dem Kommerz auf ein erträgliches Maß entrückt und die Menschen, die wir auf unserem Spaziergang beobachten, fast ausnahmslos Italiener, wirken zufrieden und entschleunigt. Keiner muss hier etwas, keiner produziert oder inszeniert sich. Die Kinder haben ihren Spaß an Wasser und Sand, rennen mit Schwimmflügelchen oder Schwimmringen ins Wasser und wieder hinaus, probieren ihre Schwimmbretter aus, marina-di-castagneto-4vergnügen sich mit ihren aufblasbaren Badetieren oder bauen im Sand einen Hafen für ihre Spielzeugboote. Ein paar andere sind mit Surfbrettern oder kleinen Segelbooten unterwegs, aber alles ist entspannt. Das ist uns sympatisch und angenehm. Auf der ganzen Strecke sind uns drei oder vier Strandverkäufer begegnet. Das war’s an Kommerz, wenn man von den paar Strandbars einmal absieht.

Hier lässt es sich aushalten – aber bitte den Sonnenschutzfaktor 30 und die Sonnenbrille nicht vergessen!

Wein, Oliven und Zypressenalleen – Toskana pur zwischen Cecina und Piombino

volterra-ruckblickWir verlassen das malerische Volterra und fahren weiter in Richtung Meer. Eine recht steile und enge Straße schlängelt sich den Berg hinunter, die meine ganze Aufmerksamkeit erfordert. An einer Ausweiche noch mal anhalten und einen Blick zurückwerfen… Ciao Volterra.

Wir befinden uns am Nordende der Maremma. Umgangssprachlich wird unter der Maremma die gesamte südliche Toskana und Teile des nördlichen Latiums verstanden. Im engeren Sinne umfasst die Maremma aber nur den flachen, von den Hügelketten der Monti dell’Uccellina unterbrochenen Küstenstreifen zwischen dem Golf von Follonica, den Flussläufen der Bruna und des Ombrone sowie der Lagune von Orbetello am Monte Argentario. Dieses Gebiet war eine zusammenhängende, mit dem Tyrrhenischen Meer verbundene Sumpflandschaft. In der Maremma gelegene Orte führen daher häufig den Beinamen Marittima zum Ortsnamen, auch wenn sie gar nicht am Meer liegen.

Wir wollen nun die Maremma in mehreren Tagesetappen durchqueren bis nach Talamone, das südlich des heutigen Naturparkes Uccellina liegt. Nebenbei bemerkt, Talamone war in der Renaissance der Hafen der freien Stadt Siena.

maremma-1-nordWir fahren Richtung Cecina. Der Talgrund ist kaum besiedelt. Auf Cecina und Cecina Mare haben wir keinen “Bock”. Also biegen wir kurz vor Cecina nach links ab in die erste Hügelkette nach dem Meeresstrand. Kleine, touristisch nahezu unbekannte Orte säumen unseren Weg.

Montescudaio, Guardistallo, Casale Maritimo, Bibbona, Bolgheri oder Castagneto Carducci alle sind sie einen Besuch wert. Auch wenn in den beiden  letzteren Orten der Tourismus inzwischen das Ortsbild beginnt stark zu verfälschen, so sind in der gesamten Hügelkette noch viele “Geheimtipps” verborgen, die mit etwas Zeit und Muse entdeckt werden wollen. Ich war schon mehrfach in den letzen 25 Jahren in dieser Region. maremma-2-nordEs scheint sich kaum etwas zu verändern – als ob die Zeit stehen geblieben ist. Selbst die Schlaglöcher in den Straßen sind gefühlt noch die Gleichen wie damals.

Wie dem auch sei, hier geht Tourismus auf jeden Fall etwas langsamer und etwas stiller vonstatten. Nicht wie in Viareggio, Forte dei Marmi und den anderen mondänen Badeorten weiter nördlich, sondern bedächtig und ruhig, so wie man sich klischeehaft italienische Lebensart vorstellt. Natürlich ist auch hier das Leben von den Marinas die im Sommer aus den Nähten platzen beeinflusst. Halligalli spielt sich aber eher punktuell am Meer ab.

maremma-3-nord-zypressenalle-bolgheriDie wahrscheinlich längste Zypressenallee in der Toskana führt von der Via Aurelia (SS 1) über vier Kilometer ins Landesinnere nach Bolgheri. Für Bolgheri gilt die Beschaulichkeit während der Sommermonate nicht mehr. Fast in jedem Haus gibt es etwas zu essen, Kunsthandwerk zu kaufen oder eine Weindegustation. Von hier kommt der Sassicia, ein Rotwein der zu den Besten der Region zählt. Dieser hat auch seinen Preis. Der Wein besteht überwiegend aus Cabernet Sauvignon Trauben und einem kleinen Anteil Cabernet Franc und wird natürlich im Eichenfass ausgebaut. Die geschützte Bezeichnung Sassicia heißt so viel wie steiniger Boden. Weinliebhaber die sich in dieser Gegend aufhalten, sollten am Abend bei untergehender Sonne sich ein Gläschen davon gönnen. Die italienische Abendatmosphäre in Bolgheri brennt das Geschmackserlebnis des Weines tief in die Gehirnwindungen ein.

Nach weiteren zehn Kilometern erreichen wir Castagneto Carducci, das bis 1907 Castegnato Marittima hieß. Nach dem der Italiener Carlo Carducci 1906 den Literaturnobelpreis erhielt, wurde ein Jahr später sein Heimatort kurzerhand in Castagneto Carducci umbenannt.

Man stelle sich mal vor, in Deutschland wäre Kreuzau in der Rureifel, der Lebensort von Heinrich Böll, bekannter Maßen ebenfalls Literaturnobelpreisträger, einfach in Böll umgetauft worden. Auf so eine Idee ist wahrscheinlich erst gar niemand gekommen. Und wenn doch, dann wäre diese Person geteert und gefedert worden. In Italien scheint so etwas ohne weiteres möglich zu sein, wie wir das ja schon in Viareggio mit dem Stadtteil Torre del Lago Puccini gesehen haben, in dessen Namen der Komponist Puccini verewigt wurde. Andere Kulturen, andere Sitten.

Der auf knapp 200m über dem Meeresspiegel liegende Ort bietet an mehreren Stellen eine wunderbare Aussicht über das Meer. Das Ortsbild wird beherrscht von einem Kastell, das noch heute bewohnt und in Familienbesitz ist und daher auch nicht besichtigt werden kann.

Wir entscheiden uns nun wieder ans Meer nach Marina di Castagneto zu fahren und dort für die nächsten zwei Tage etwas Strandentspannung zu genießen.

Ungewöhnliche Wohnmobile

Gestern entdeckte ich bei Paul von passport-diary.com einen nette Zusammenstellung von ungewöhnlichen Wohnmobilen. Wenn man unterwegs ist entdeckt man immer wieder einmal die eine oder andere Kuriosität. Die Kuriositäten die Paul zusammengestellt hat sind aber schon außergewöhnlich. Viel Spaß beim stöbern.

Nachtrag 2021: Leider führt der Link auf der Web-Seite mittlerweile ins Leere. Auf der Webseite vorbeizuschauen lohnt sich aber trotzdem.

By on 5. Januar 2017

(…)

1. Verrückte Campingbusse: Citroen

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2. Verrücktes Wohnmobil: Trabi Go!

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3. Verrückte Campingbusse: Atomic Camper

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4. Verrücktes Wohnmobil: Flugzeug Camper

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5. Verrückte Campingbusse: VW T2 – Stretchlimo

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6. Verrücktes Wohnmobil: Ape Camper

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7. Verrückte Campingbusse: Oldtimer Camper

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8. Verrücktes Wohnmobil: Vintage Bus

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9. Verrückte Campingbusse: Schiff-Camper

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10. Verrücktes Wohnmobil: Wohnmobil Truck

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11. Verrückte Campingbusse: Schulbus Ausbau

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13. Verrücktes Wohnmobil: GM Futurliners

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14. Verrückte Campingbusse: Extremer Familien Camper

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15. Verrücktes Wohnmobil: Camper Schloss

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16. Verrückte Campingbusse: Motorhome

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17. Verrücktes Wohnmobil: Etagenbulli

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18. Verrückte Campingbusse: Unimog Camper

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Das war die Liste meiner Top 18 der verrücktesten Wohnmobile. Ich habe nicht schlecht gestaunt. (..)

Kurioses: Slow Travel mit dem Wohnmobil

So manch einer erinnert sich noch an die Blogparade von 1 Thing To Do zum Thema „Slow Travel“. Viele interessante Artikel über das Reisen an sich und über das langsame Reisen kamen zusammen. Auch wir hatten uns daran beteiligt mit dem Artikel „Slow Travel: Wider den To-Do-Listen“ oder: „Meine Reise ist nicht Deine Reise“

Zum Thema Slow Travel mit dem Wohnmobil machte ich gestern einen Fund im Netz. Ich bin mir sicher, es wäre eine riesige Herausforderung für die europäischen Hersteller von Wohnmobilen eine Slow Travel Variante wie diese zu entwickeln. 😄😄😄

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Besonders der Alkoven hat es uns angetan. Dieses Slow Travel Mobil hat den großen Vorzug, dass man sich den Fahrradträger spart. Es ist also nicht nur ein Slow Travel Mobil es ist auch ein Sparmobil! 😂😂😂

 

Die Wandzeitung lebt!

Ich habe immer geglaubt, Wandzeitungen seien eine Erfindung der Kommunisten und berühmt geworden durch Mao Zedong. Er leitete mit seiner ersten Wandzeitung 1966 in China seine „Kulturrevolution“ ein. Mit dem Niedergang des Kommunismus sei, so glaubte ich, die Wandzeitung ebenfalls wieder verschwunden.
Doch schon in mehreren Orten in der Toskana, wie auch hier in Volterra stolpern wir geradezu über diese „Wandzeitungen“ Mit einem Blick in Wikipedia zeigt sich jedoch, dass auch schon im Nationalsozialismus die Wandzeitung zur Verbreitung von Informationen (damals war es eher Propaganda) genutzt wurde. Das war mir nicht bewusst.

volterra-10-wandzeitungDoch hier in dieser Region gibt es sie noch: die Wandzeitung. Groß und breit sind an dafür vorgesehenen Tafeln, die an großen Mauerflächen angebracht sind, vor allem die Todesanzeigen ausgehängt. Wir haben schon bei unserer letzten Italientour von einem Erlebnis auf einem Friedhof berichtet. Da war uns aufgefallen, dass die Toten nicht auf einem Friedhof „weggesperrt“ werden, sondern, dass der Friedhof die Begegnungsstätte der Lebenden mit den Ahnen ist. Diese Begegnungen sind ganz selbstverständlich in das Alltagsleben integriert. Wir sehen diese Wandzeitung als ein weiteres Indiz, dass das Werden und Vergehen in diesen Lokalgesellschaften viel präsenter und bei Weitem nicht so tabuisiert ist, wie bei uns.

Wir haben diese Wandzeitungen nun schon mehrfach entdeckt, und so nehmen wir an, dass dies eine gute alte gepflegte Tradition in dieser Region ist. Da bei dieser Art Zeitung der Platz stark begrenzt ist findet man hier nur die wirklich wichtigen Dinge in einem Ort. Wer ist neu dazugekommen, wer ist in die Ewigkeit eingegangenen und was für Veranstaltungen finden in nächster Zeit statt, die den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken. Keine große Weltpolitik, keine letztlich unwichtigen Dramen der modernen Gesellschaft. Die haben hier keinen Platz. Das ist eine sympathische Tradition, wie wir finden. Wir sollten vielleicht einmal darüber nachdenken ob wir diese Tradition bei uns nicht auch übernehmen sollten. Für uns wäre es zumindest ein praktisches Beispiel für kulturelle Bereicherung.

Volterra – von etruskischen Mauern zur mittelalterlichen Festung

Das touristische Volterra lassen wir hinter uns und wenden uns dem historischen Volterra zu.

Im 4. Jahrhundert v. Chr. entstand das heutige Volterra aus der Verbindung mehrerer kleiner etruskischer Ansiedlungen. Diese können bis ins 7. Jahrhundert v. Chr. zurückverfolgt werden. In dieser Zeit bauten die Etrusker eine etwa sieben Kilometer lange Ringmauer, die in Teilen der heutigen Stadtmauer entspricht. Ein Stadttor aus dieser Zeit, die Porta all’Arco ist bis heute erhalten geblieben.
Das etruskische Volterra war eine der ältesten und größten der zwölf Bundesstädte Etruriens. Nach der Unterwerfung der Etrusker durch die Römer im 1. Jahrhundert n.  Chr. war Volterra eine römische Stadt mit den damals gültigen Stadtrechten. Volterras Lage (mehr als 500m ü.d.M) machte den Ort zu einer starken natürlichen Festung.
Aus der etruskischen Zeit ist nicht mehr viel zu finden, wenn man von Grundmauern und dem erhalten gebliebenen Stadttor absieht. So beginnt unsere Zeitreise im römischen Amphietheater, dem Teatro Romano, dessen Bau in die Zeit des bekannten Kaiser Augustus fällt.
volterra-11-teatro-romanoDie Ausmaße sind mit rund 2000 Sitzplätzen beachtlich. Ein Großteil der damaligen Bevölkerung fand also im Teatro Romano Platz. Angesichts der Tatsache, dass es zu dieser Zeit weder Fernsehen noch Internet gab, war das wohl der „Gemeinschaftsfernsehraum“ für das „Herzkino“ am Sonntagabend.
Unterhalb der teilweise rekonstruierten Bühne liegen die Thermenanlagen, die aus späterer Zeit stammen.

Der obere Zugang zum Theatro Romano liegt an einer Parkanlage von der man zu einer gewaltigen Festungsanlage blickt. volterra-12-festungDiese entstand, soweit wir das recherchieren konnten ab dem 14. Jahrhundert, als Volterra unter die Herrschaft von Florenz kam. Das ist auch die Zeit des Aufstiegs der Medici-Familie. So verwundert es nicht, dass die Festungsanlage auf das Wirken der Medici zurückgeht. In dieser Region für uns inzwischen keine Überraschung mehr.
Am vorangegangenen Wochenende wurde ein Mittelalterfest abgehalten. Vergleichbare Veranstaltungen finden sich zu Hauf zu dieser Jahreszeit in der Region. In irgendeinem Ort in der Umgebung ist immer etwas los. Oft bildet dann ein Feuerwerk den Abschluss oder den Höhepunkt einer solchen Veranstaltung. Doch wir sind zwei Tage zu spät dran.
Wir sehen nur noch die Reste der Veranstaltung im Park. Das macht aber nichts, wir werden noch bei einigen Stationen auf dieser Reise eine Chance bekommen, einem solchen Fest beizuwohnen.volterra-13-1-santa-maria-assunta-aussen

Indes versuchen wir uns das mittelalterliche Leben vorzustellen. Ähnlich wie in Pisa fällt es uns schwer. Dennoch erfreuen wir uns an den restaurierten Gebäuden und kehren noch einmal in das 12. und 13. Jahrhundert zurück als Volterra eine Republik war. Aus dieser Zeit stammen einige der Volterra prägenden Gebäude.volterra-13-santa-maria-assunta

Der Dom Santa Maria Assunta aus dem frühen 12. Jahrhundert mit einer Kassettendecke und mit Granit vortäuschender Stuckverkleidung der Säulen, liegt unscheinbar und etwas versteckt im alten Zentrum. Wir stolpern förmlich in die Kirche hinein. Denn sie liegt eng verwinkelt und versteckt an einem kleinen Platz. Dem Dom gegenüber steht, ähnlich wie in Pisa, eine Taufkirche (Baptisterium). volterra-13-5-santa-maria-assunta-taufkircheAber hier gibt es keine Großzügigkeit. An die Seitenmauern sind z.T. Gebäude angebaut. Topographisch ist der Platz in Volterra begrenzt und daher sehr wertvoll.

volterra-13-3-santa-maria-assunta-beichtstuhlIm Dom gleich zwei Überraschungen.
Zunächst der HeizPilz, den bei uns outdoorfanatische Cafebetreiber in den Wintermonaten für ungetrübtes Biergartenfeeling einsetzen, steht hier neben dem Beichtstuhl. Wir rätseln. Immerhin ist es noch immer August!
Da geht man schon mal gerne in die Kirche, um sich abzukühlen, nicht um sich aufzuheizen. Wir schauen uns um, ob wir einen Beichtvater finden, um näheres zu erfahren. Doch leider: Niemand da.
Wir geben uns mit der Hilfserklärung zufrieden, dass der Beichtvater „Eisbeine“ hat.

Dann die zweite Überraschung.
Wir kennen alle den Marienkult der katholischen Kirche. In Darstellungen sind wir an Maria mit dem Kind auf dem Arm gewöhnt, das sehr häufig Gesichtszüge eines Erwachsenen aufweist (!). Es ist selbstverständlich und unreflektiert. Es ist eben so. volterra-13-4-santa-maria-assunta-vater-u-sohnDahinter stehen natürlich spirituelle Deutungen und Symboliken, doch das ist uns gar nicht mehr so bewusst. Und Vieles wurde in Laufe der Zeit auch umgedeutet, um z.B. den Machtanspruch des Patriarchats zu untermauern und bestimmte Rollenbilder in der Gesellschaft zu etablieren. Das alles, und noch viel mehr, wird uns schlagartig bewusst als wir vor einer Statue stehen die uns darauf hinweist, dass es zu Jesus auch einen weltlichen Vater gibt.
Schlagartig werden uns viele Wiedersprüche in den Wurzeln unserer christlichen Kultur bewusst. Dies nun auszuführen würde das Thema sprengen. Diese Statue mit Jesus Christus auf dem Arm seines leiblichen Vaters Josef – ach ich vergesse, da gibt es ja noch die „unbefleckte Empfängnis“ – initiiert bei uns eine Menge an Reflektion und Diskussion darüber.
Das allein macht den Besuch in Volterra schon wertvoll für uns. In Pisa im Touristengedränge wäre eine solche Erfahrung, solch ein Anstoß undenkbar. Auch wenn in Volterra schon sehr viel touristisch gestylt ist, es gibt noch genügend Ecken in denen man in eine vergangene Kultur, die uns selbst geprägt hat, eintauchen kann – vorausgesetzt, man geht mit offenen Sinnen durch die Welt.

Unweit des Doms führt unser Weg zwangsläufig am Hauptplatz der Stadt, der Piazza dei Priori vorbei. Hier steht der älteste erhaltene Kommunalpalast der Toskana, der Palazzo dei Priori. Weitere „Sehenswürdigkeiten“ wie Privatpaläste und Wohntürme aus dem 12. und 13. Jahrhundert, wie der Palazzo Pretorio, der als Gefängnis dienende Torre del Porcellino oder der prachtvolle Palazzo Incontri-Viti säumen unseren Weg.