Bolsena – ein kleiner Stadtrundgang in Bildern

Bolsena 12 - Piazza MatteottiBolsena ist etruskischen Ursprungs. Durch die Zerstörung 309 v. Chr. durch Konsul Fabius ist davon aber nichts mehr zu sehen. Die heutige Gestalt der Stadt wurde durch Hadrian IV ab 1154 geprägt, der die Stadt mit Türmen versah und zu einer mächtigen Festung ausbaute. In späterer Zeit wurde durch eine italienische Adelsfamilie die Festung restauriert, erweitert und zu einem Schloss umgebaut, ohne allerdings den Festungscharakter zu verändern.

Bolsena 13 - Basilika der heiligen Christina
Basilika am Abend der Festspiele

Neben diesem Wahrzeichen beherbergen die Mauern der Stadt ein weiteres Gebäude von bau-, kunsthistorischer und sakralgeschichtlicher Bedeutung. Die Basilika der heiligen Christina erkunden wir am Sonntag Morgen, genau zwischen der ersten und zweiten Messe. Beide Messen sind sehr gut besucht und es ist kein hoher kirchlicher Feiertag!

Die Basilika ist ein kleines Juwel aus der Renaissance. Der gesamte Gebäudekomplex besteht aus

  • der mittelalterlichen dreischiffigen Basilika, die in der Form eines lateinischen Kreuzes errichtet wurde
  • der Kapelle des Blutwunders, erbaut ab dem Ende des 16. Jahrhunderts und
  • der Gruft der heiligen Christina aus dem 4. Bis 5. Jahrhundert, eine Märtyrerin des christlichen Glaubens.

Ein älterer Herr der so etwas wie ein Museumswärter, Kassierer für die Gruft und Ordner während der Messe zu sein scheint, hat alle Hände voll zu tun, die Touristen an die gebotene Stille und auf die “Bekleidungsvorschriften” hinzuweisen. Obwohl dies durch Piktogramme auf Tafeln an den Eingängen klar ersichtlich ist, scheinen doch etliche Besucher die Piktogrammsymbolik nicht deuten zu können. Etwas amüsiert und mit einer großen Portion Mitleid beobachte ich diesen Herrn, wie er diese Aufgabe mit voller Hingabe wahrnimmt, ohne auch nur ein lauteres Wort, genervte Gestik oder eine finstere Miene zur Durchsetzung seines Auftrags zu nutzen. Letztlich tut das allen Besuchern gut. Die majestätische Stille und die andächtige Stimmung, die durch das Wirken dieses älteren Herrn gewährleistet wird, ermöglicht den Besuchern einen viel intensiveren Zugang zu den Kunstwerken und der spirituellen Aura dieser drei Sakralbauten.

Nächste Station unseres Rundgangs: WoMolines Lieblingsplätzchen.

Hier auf halber Höhe, zwischen See und der Burgfestung könnte sie stundenlang sitzen und das Panorama genießen. Am angenehmsten ist das in den Morgenstunden bis ca. 11 Uhr, wenn die Luft noch nicht „flimmert“ und die Wärme der Sonne und leichte Luftbewegungen noch angenehm die Haut „streicheln“. Hier kann ich WoMoline beruhigt auf der Bank zurücklassen und ein paar Fotos von Bolsena „fangen“ gehen.

Eine kleine Begebenheit am Rande. Ganz in der Nähe der Via De‘ Medici, entdecken wir eine ganz kleine unscheinbare Kirche. Bolsena 40 Via De MediciWir haben schon mehrere dieser “Kleinkirchen” in der Stadt gesehen. Keine war geöffnet. Wir fragen uns, ob diese überhaupt noch genutzt werden, denn das religiöse Leben der Stadt spielt sich eindeutig in der Basilika der Heiligen Christina ab. Abseits der Touristenpfade nähern wir uns vorsichtig der vermeintlichen Zugangstür, um zu erkunden ob denn hier geöffnet ist.

Wie wir ja schon häufiger festgestellt haben, ist das religiöse Leben hier in Mittelitalien viel stärker in den Alltag integriert als bei uns. Da wird schon mal ein schnelles Stoßgebeet zwischen den Marktbesorgungen in der nahen Kirche gen Himmel geschickt oder Bitten für Wohlstand, Reichtum und Gesundheit der “Mutter Maria” unterbreitet.

Auch hier, das Kirchlein ist geschlossen. Wir wollen uns schon wieder zurückziehen, da verfehlt ein Eimer Putzwasser, der gerade aus einem Hausgang fliegt, WoMoline nur um Haaresbreite. Vollkommen aufgelöst und peinlich berührt folgt dem Eimer Wasser eine zu tiefst besorgte ältere Frau, geschätzt so Anfang 70, die sich sogleich wortreich auf italienisch entschuldigt. Wir verstehen ja nichts, aber das ist gar nicht nötig. Die Szenerie, die Intonierung, die Gestik und das besorgte Zugehen auf WoMoline spricht für sich selbst. Ich kann in ihrem markanten faltigen Antlitz das Sinnen nach “Wiedergutmachung” förmlich ablesen. Sie fasst beherzt WoMoline am Arm und geleitet sie zu einer etwa 30 Schritte entfernten Steinbrüstung, wo sie WoMoline wortreich “ihre” Aussicht über die Stadt und den See zeigt. Die Worte ‘bella’ und ‘bello’ und die schweifende Bewegung ihres rechten Arms der zum Horizont deutet weisen eindeutig darauf hin, dass sie diese grandiose Aussicht, die sie vor ihrer Haustür jeden Tag bewundern darf, meint.

Dies ist wieder ein kleines Beispiel, für das, was das Besondere an der italienischen Lebensart ist, die vielfach beschworen aber meist nicht beschrieben wird. Vielleicht lässt sich das auch gar nicht in Worte fassen. Es sind für mich diese Anekdoten, die diese Besonderheit des Lebensgefühls hier illustrieren.


P.S.: Später erfahren wir, dass viele dieser „Kleinkirchen“ heute als Lagerräume oder riesige Abstellkammern genutzt werden. In diesen historisch gewachsenen alten Städten gibt es praktisch keine Ausweichflächen mehr. So ist man gezwungen Ungenutztes einer neuen Verwendung zuzuführen, wenn ein neuer „Flächenbedarf“ entsteht. Dieses Umnutzen macht auch vor ehemaligen Kirchen und Kapellen nicht halt.

Volterra – von etruskischen Mauern zur mittelalterlichen Festung

Das touristische Volterra lassen wir hinter uns und wenden uns dem historischen Volterra zu.

Im 4. Jahrhundert v. Chr. entstand das heutige Volterra aus der Verbindung mehrerer kleiner etruskischer Ansiedlungen. Diese können bis ins 7. Jahrhundert v. Chr. zurückverfolgt werden. In dieser Zeit bauten die Etrusker eine etwa sieben Kilometer lange Ringmauer, die in Teilen der heutigen Stadtmauer entspricht. Ein Stadttor aus dieser Zeit, die Porta all’Arco ist bis heute erhalten geblieben.
Das etruskische Volterra war eine der ältesten und größten der zwölf Bundesstädte Etruriens. Nach der Unterwerfung der Etrusker durch die Römer im 1. Jahrhundert n.  Chr. war Volterra eine römische Stadt mit den damals gültigen Stadtrechten. Volterras Lage (mehr als 500m ü.d.M) machte den Ort zu einer starken natürlichen Festung.
Aus der etruskischen Zeit ist nicht mehr viel zu finden, wenn man von Grundmauern und dem erhalten gebliebenen Stadttor absieht. So beginnt unsere Zeitreise im römischen Amphietheater, dem Teatro Romano, dessen Bau in die Zeit des bekannten Kaiser Augustus fällt.
volterra-11-teatro-romanoDie Ausmaße sind mit rund 2000 Sitzplätzen beachtlich. Ein Großteil der damaligen Bevölkerung fand also im Teatro Romano Platz. Angesichts der Tatsache, dass es zu dieser Zeit weder Fernsehen noch Internet gab, war das wohl der „Gemeinschaftsfernsehraum“ für das „Herzkino“ am Sonntagabend.
Unterhalb der teilweise rekonstruierten Bühne liegen die Thermenanlagen, die aus späterer Zeit stammen.

Der obere Zugang zum Theatro Romano liegt an einer Parkanlage von der man zu einer gewaltigen Festungsanlage blickt. volterra-12-festungDiese entstand, soweit wir das recherchieren konnten ab dem 14. Jahrhundert, als Volterra unter die Herrschaft von Florenz kam. Das ist auch die Zeit des Aufstiegs der Medici-Familie. So verwundert es nicht, dass die Festungsanlage auf das Wirken der Medici zurückgeht. In dieser Region für uns inzwischen keine Überraschung mehr.
Am vorangegangenen Wochenende wurde ein Mittelalterfest abgehalten. Vergleichbare Veranstaltungen finden sich zu Hauf zu dieser Jahreszeit in der Region. In irgendeinem Ort in der Umgebung ist immer etwas los. Oft bildet dann ein Feuerwerk den Abschluss oder den Höhepunkt einer solchen Veranstaltung. Doch wir sind zwei Tage zu spät dran.
Wir sehen nur noch die Reste der Veranstaltung im Park. Das macht aber nichts, wir werden noch bei einigen Stationen auf dieser Reise eine Chance bekommen, einem solchen Fest beizuwohnen.volterra-13-1-santa-maria-assunta-aussen

Indes versuchen wir uns das mittelalterliche Leben vorzustellen. Ähnlich wie in Pisa fällt es uns schwer. Dennoch erfreuen wir uns an den restaurierten Gebäuden und kehren noch einmal in das 12. und 13. Jahrhundert zurück als Volterra eine Republik war. Aus dieser Zeit stammen einige der Volterra prägenden Gebäude.volterra-13-santa-maria-assunta

Der Dom Santa Maria Assunta aus dem frühen 12. Jahrhundert mit einer Kassettendecke und mit Granit vortäuschender Stuckverkleidung der Säulen, liegt unscheinbar und etwas versteckt im alten Zentrum. Wir stolpern förmlich in die Kirche hinein. Denn sie liegt eng verwinkelt und versteckt an einem kleinen Platz. Dem Dom gegenüber steht, ähnlich wie in Pisa, eine Taufkirche (Baptisterium). volterra-13-5-santa-maria-assunta-taufkircheAber hier gibt es keine Großzügigkeit. An die Seitenmauern sind z.T. Gebäude angebaut. Topographisch ist der Platz in Volterra begrenzt und daher sehr wertvoll.

volterra-13-3-santa-maria-assunta-beichtstuhlIm Dom gleich zwei Überraschungen.
Zunächst der HeizPilz, den bei uns outdoorfanatische Cafebetreiber in den Wintermonaten für ungetrübtes Biergartenfeeling einsetzen, steht hier neben dem Beichtstuhl. Wir rätseln. Immerhin ist es noch immer August!
Da geht man schon mal gerne in die Kirche, um sich abzukühlen, nicht um sich aufzuheizen. Wir schauen uns um, ob wir einen Beichtvater finden, um näheres zu erfahren. Doch leider: Niemand da.
Wir geben uns mit der Hilfserklärung zufrieden, dass der Beichtvater „Eisbeine“ hat.

Dann die zweite Überraschung.
Wir kennen alle den Marienkult der katholischen Kirche. In Darstellungen sind wir an Maria mit dem Kind auf dem Arm gewöhnt, das sehr häufig Gesichtszüge eines Erwachsenen aufweist (!). Es ist selbstverständlich und unreflektiert. Es ist eben so. volterra-13-4-santa-maria-assunta-vater-u-sohnDahinter stehen natürlich spirituelle Deutungen und Symboliken, doch das ist uns gar nicht mehr so bewusst. Und Vieles wurde in Laufe der Zeit auch umgedeutet, um z.B. den Machtanspruch des Patriarchats zu untermauern und bestimmte Rollenbilder in der Gesellschaft zu etablieren. Das alles, und noch viel mehr, wird uns schlagartig bewusst als wir vor einer Statue stehen die uns darauf hinweist, dass es zu Jesus auch einen weltlichen Vater gibt.
Schlagartig werden uns viele Wiedersprüche in den Wurzeln unserer christlichen Kultur bewusst. Dies nun auszuführen würde das Thema sprengen. Diese Statue mit Jesus Christus auf dem Arm seines leiblichen Vaters Josef – ach ich vergesse, da gibt es ja noch die „unbefleckte Empfängnis“ – initiiert bei uns eine Menge an Reflektion und Diskussion darüber.
Das allein macht den Besuch in Volterra schon wertvoll für uns. In Pisa im Touristengedränge wäre eine solche Erfahrung, solch ein Anstoß undenkbar. Auch wenn in Volterra schon sehr viel touristisch gestylt ist, es gibt noch genügend Ecken in denen man in eine vergangene Kultur, die uns selbst geprägt hat, eintauchen kann – vorausgesetzt, man geht mit offenen Sinnen durch die Welt.

Unweit des Doms führt unser Weg zwangsläufig am Hauptplatz der Stadt, der Piazza dei Priori vorbei. Hier steht der älteste erhaltene Kommunalpalast der Toskana, der Palazzo dei Priori. Weitere „Sehenswürdigkeiten“ wie Privatpaläste und Wohntürme aus dem 12. und 13. Jahrhundert, wie der Palazzo Pretorio, der als Gefängnis dienende Torre del Porcellino oder der prachtvolle Palazzo Incontri-Viti säumen unseren Weg.

Volterra – die Alabasterstadt in der Toskana

volterra-2Es ist wohl schon mehr als 20 Jahre her, dass ich in Volterra war. In lebhafter Erinnerung ist mir ein Laden mit Alabasterprodukten geblieben der sich direkt am Ortseingang auf einem kleinen Platz befand. Gegenüber, an der durchbrochenen Stadtmauer und dem Wendeplatz für Omnibusse, gibt es einen Punkt mit grandioser Aussicht über die Dächer der Stadt hinein in das weite Land. Soweit ich mich erinnere, ein beliebter Platz für alle Hobbyfotografen.

Auch in Erinnerung geblieben ist mir der Besuch in einer Alabasterschleiferei in der die Produkte und Kunstwerke aus lichtdurchlässigem Gestein hergestellt werden. Damals, vor 20 Jahren, gab es in den Seitenstraßen noch einige dieser Schleifereien. volterra-1Sie sahen etwas unaufgeräumt aus, versteckt in Kellern, Innenhöfen und der Alabasterschleifstaub war überall. Ich bin gespannt darauf, ob sich Volterra heute noch so präsentiert, wie ich diese Stadt in Erinnerung habe.

Der Wohnmobilstellplatz liegt viele Höhenmeter unterhalb des Stadtzentrums. Das heißt wir haben erstmal eine Menge Treppenstufen zu überwinden.

Nach ein paar Metern, oh wie schön, finden wir eine Alabasterschleiferei die individuelle Kunstanfertigungen herstellt. Aber alles top sauber, kein Schleifstaub, eine moderne Staubabsauganlage und einige Exponate schön im Schaufenster dekoriert. Wir können durch das Schaufenster auch zuschauen, wie die Künstlerin an einem Stein arbeitet. Ich denke mir: „Oh, wie schön, es scheint alles noch wie damals zu sein. Nur vielleicht etwas modernisiert“ und ich bin voller Hoffnung, dass wir noch weitere dieser Betriebe bei unserer Besichtigung sehen werden. Doch diese Hoffnung erfüllt sich nicht. Gleich neben an eine weitere „Schauschleiferei“. Es werden die einzigen Schleifereiateliers bleiben, die wir in den alten Stadtmauern finden werden. Dafür finden wir etwas später ein Plakat das, soweit unser italienisch reicht, auf Besichtigungen in einer Schleiferei unten im Tal hinweist. Aber alles in italienisch, dessen wir nicht mächtig sind. Wir hätten gerne noch einen Tag mit einem Besuch dort dran gehängt, aber wenn wir gar nichts verstehen, dann begnügen wir uns mit dem abfotografieren des Plakats.

Nur wenige Meter von den Alabasterschleiferei-Ateliers entfernt treffen wir auf die erste Touristenstraße. Hier reiht sich Souvenirladen an Souvenirladen natürlich in der Alabasterstadt mit allerlei Produkten aus Alabaster. Alabasteraschenbecher, Alabasterelefanten, Alabasterlampen, Schachspiele aus Alabaster, Kugeln, Herzchen, Briefbeschwerer. Es gibt, glaube ich nichts, was man nicht aus Alabaster herstellen kann. Und all das findet sich in den Auslagen der Läden. Kommt man aus dem 5. Laden heraus stellt man fest: alles wiederholt sich. Jeder hat die gleichen Produkte, jeder hat die gleichen Preise, zwar unterschiedlich dekoriert und mit anderen Produkten wie Wein oder Olivenöl kombiniert, aber alles das Gleiche. Der ganz überwiegende Teil sind standardisierte Massenprodukte vermutlich auf computergesteuerten Kopierschleifmaschienen in industriellem Maßstab hergestellt.

Alle Läden können offenbar von dem massigen Touristenstrom leben. Wir müssen lange suchen bis wir Läden finden, die Unikate anbieten, die unter künstlerischen Aspekten „wertvoll“ oder zumindest einzigartig sind. Beim Blick auf die Preisschilder wird das auch sofort deutlich. Der Preisunterschied ist enorm im Vergleich zur der sonst üblichen Massenware. Für den Preis bekommt man dann Unikate, oder wenigstens handgefertigte Exemplare, wie sie wohl in der Schaumanufaktur, an der wir vorbeigekommen sind, hergestellt werden.
Ich kann mir gut vorstellen, dass es nicht jedem dieser Künstler angenehm ist sich über die Schulter schauen zu lassen. Und so vermute ich, dass auch noch etliche dieser Steinschleifer im Verborgenen arbeiten.
Man kann herausragendes Kunsthandwerk finden das diesem Wort gerecht wird. Aber man muss es suchen und muss das nötige Kleingeld mitbringen.

Wir kommen zu dem Platz der mir noch in Erinnerung geblieben ist. Den Laden mit den Alabasterwaren gibt es also noch. Es scheint sich also nicht sehr viel verändert zu haben. Lediglich den Platz vor dem Geschäft hatte ich wesentlich weitläufiger in Erinnerung. In diesem Laden häufen sich die besonderen und teuren Stücke. Es ist einer der Läden, in denen man Unikate und von Künstlern hergestellte Skulpturen, Lampen aber auch Gebrauchsgegenstände finden kann. So entdecke ich schon beim Eintritt in das Geschäft einen nicht zu übersehenden Hinweis: No Photo. Hier soll wohl dem Ideenklau entgegengewirkt werden. Somit ist mal wieder fotografieren aus der Hüfte angesagt ;-).
Dunkel erinnere ich mich, dass ich mich vor 20 Jahren für ein Schachspiel aus Alabaster interessierte, aber mich dann doch nicht zum Kauf eines solchen entschließen konnte. Auch heute entdeckte ich zwei außergewöhnlich gestaltete Schachspiele. Unsere häuslichen Gegebenheiten sind heute andere, wodurch ein solches Exponat keinen angemessenen Platz bekommen würde. Diese wunderschönen Arbeiten in einem Schrank zu verstecken, das wäre ein Frevel. Ich freue mich an den künstlerischen Arbeiten, aber ein Kauf kommt nicht in Frage.

Genug Ge-Alabaster-t. Nun ist die Postkartenansicht daran. Wir verlassen den Laden, überqueren den Platz und genießen die toskanische Postkartenansicht zusammen mit vielen anderen Touristen. Sie versuchen entweder, genauso wie wir, dieses schöne Panorama einfach in sich aufnehmen, vielleicht sogar krampfhaft das Bild zusammen mit dem erhebenden Gefühl in ihre Erinnerung fest einzubrennen, oder aber sie warten einfach auf ihren Bus. Für die, die gelangweilt auf einem Stück Stadtmauer sitzen und ihr Lunchpaket in sich hineinmapfen, gilt vermutlich letzteres ;-).

Wir gehen in eines dieser Szenecafés, die man immer häufiger auf den Touristenmeilen finden kann. volterra-8-3-cafe-bar-schauraumDas Café oder die Bar, ich weiß nicht genau wie ich das bezeichnen soll, ist nicht nur ein Ort um schnell mal einen Espresso oder Cappuccino zu trinken, sondern ist gleichzeitig auch Weinhandlung, Olivenölhandlung, es werden feine Schokoladen angeboten, Wildschweinsalami, eingelegte Trüffel und noch so manche weitere Leckerei, die man auch gleich als Bestandteil kleinerer Gerichte probieren und verzehren kann.
Uns hat aber gar nicht das verlockende Angebot zum Einkehren in dieses Lokal bewogen, sonderen dieser putzige Kerl, der Lucaffe, der auf Dosen, Tassen und Plakaten uns von allen Seiten anlächelt. Na klar, diese Kaffeebohnendosen samt Inhalt gibt’s natürlich auch zu kaufen. Bei dezenter, verkaufsfördernder Hintergrundmusik zelebrieren wir italienisches dolce vita.

Mit einem Cappu und einem süßen Teilchen im Bauch setzen wir frisch gestärkt unsere Besichtigung fort.

Gipfeltreffen: D – NL in Italien. Wenn 6 Meter einfach zu lang sind!

verbot-fuer-fahrzeuge-uber-6mWir erreichen Volterra. Schon von weitem erhaschen wir die ersten Blicke auf die Festungsstadt, die auf etruskischen Grundmauern steht. Unser Navigationsgerät hat uns bisher gut geführt. Doch jetzt, wo wir kurz vor unserem nächsten Stellplatz sind, kann ich im rechten Auge gerade noch ein halbüberwuchertes Schild erkennen, das die Länge der Fahrzeuge auf 6 Meter begrenzt. Ja, sogar das neue Navi hat es angezeigt, aber ich schaue ja nicht ständig dort hin. Was der dezente Ton kurz zuvor, den ich vernommen habe, zu bedeuten hat ist mir noch nicht bewusst. Gut, nicht weiter schlimm, wir haben ja auch nur 5,99 m plus Fahrradhalter – aber der zählt nicht. Oder? Zum Umkehren ist es ohnehin schon zu spät. Ich bin schon durch und es wird wirklich eng.

Mir kommt ein holländischer Audi neuester Bauart entgegen. Der Audi und wir mit unserem Wohnmobil, das geht so ohne weiteres nicht aneinander vorbei. Einer muss zurücksetzen. Wir haben ungefähr 10% Gefälle. Wir kommen von oben der Holländer will hinauf. Dem Holländer wird richtig unwohl. Er traut sich nicht ein paar Meter bis in die nächste Einfahrt zurückzusetzen. Ich wiederum blockiere die soeben durchfahrene Spitzkehre und an ein Rückwärtsfahren meinerseits ist angesichts der hinter mir stehenden Fahrzeuge auch nicht mehr zu denken. So inszenieren ein deutsches WoMo und ein holländischer Flachland-Tyroler-Audi einen riesigen Verkehrsstau. Doch die Italiener, die als forsche Autofahrer und als impulsiv gelten, nehmen die Situation mit Gleichmut hin. Ich zirkele millimeterweise unser Womo an den Fahrbahnrand. Doch je weiter ich dem Holländer „auf die Pelle“ rücke, umso ängstlicher wird er und schließlich stellt er jegliche Co-operation ein und bewegt sich nicht mehr von der Stelle. Nicht einmal zum Einklappen seiner Seitenspiegel ist er mehr zu bewegen (oder ist er noch nicht mit allen Schalterchen und Hebelchen vertraut und weiß nicht, wie man bei laufendem Motor die „Ohren anlegt“?). Da ich kein holländisch kann, verkneife ich mir ihm den Tipp zugeben doch mal in der Bedienungsanleitung nachzuschauen. 😋

Irgendwie gelingt es mir, unser Wohnmobil an der Seitenabsperrung der Strasse, einem Baum mit tief hängenden Ästen und dem Holländer vorbei zu manövrieren ohne etwas zu beschädigen. Die wartenden Italiener tun alles, um mir den erforderlichen Rangierraum zu ermöglichen. Das funktioniert hervorragend und reibungslos mit nur ein paar Handzeichen. Auf zwei oder drei Zentimeter genau, mit eingeklappten Seitenspiegeln, bin ich bisher auch noch nicht gefahren. Das Sommerwetter hat mich heute noch nicht zum Schwitzen gebracht, diese 20 Meter rangieren aber schon. 😎

So, und nun ein nicht ganz ernst gemeinter Appel an alle Holländer mit nagelneuem Audi:
1. Bitte, bitte lest eure Bedienungsanleitung bevor ihr losfahrt.
2. Bitte übt Rückwärtsfahren und Anfahren am Berg. Auch in Holland gibt es erhöhte Bahnübergänge, wo man so was üben kann… 😉

(Für alle, die mir nun wieder Rassismus vorwerfen wollen, das ist nur ein sarkastisch-kabarettistische Anmerkung… )

Zu Unrecht steht Lucca im Schatten von Pisa

von-pisa-nach-luccaEtwas enttäuscht verlassen wir Pisa. Die Berühmtheit der Stadt und die Auszeichnung als UNESCO-Welterbe schaffen Erwartungen die weder der schiefe Turm  noch die Basilika oder gar die gesamte Stadt erfüllen kann. So ist das: übersteigerte Erwartungen führen zu Enttäuschungen. 😈

Nach nicht einmal einer halben Stunde Fahrzeit und einer Entfernung von rund 20 km erreichen wir den Stellplatz in Lucca. Er liegt nur ein paar hundert Meter von der Stadtmauer entfernt, die die Altstadt umschließt. Diesmal entscheiden wir uns die Stadt mit den etruskischen Wurzeln nicht mit dem Rad  zu erkunden, sondern zu Fuß die Stadt zu „entdecken“. lucca-1-stadtmauerNach einem kurzen Marsch in sengender Sonne, erreichen wir das Stadttor und sehen uns einer mächtigen Stadtmauer gegenüber, die wir sofort als eine Verteidigungsanlage identifizieren. Sie hat den Charakter eines mittelalterlichen, militärischen Sicherungskomplexes und wurde im Zeitraum von 1504 bis 1645 erbaut. Wer sich solch mächtige Verteidigungsmauern leistet, der hat auch Wertvolles zu verteidigen.

Nachdem wir das Stadttor passiert haben, sehen wir was zu verteidigen war. Die Stadt muss eine sehr reiche Stadt gewesen sein, deren Reichtum wohl auf die Textilverarbeitung und den Textilhandel zurückgeht. Dies bezeugen zumindest einige bildliche Darstellungen in der Kirche San Michele und in der Kathedrale San Martino. Dieser Reichtum schafft Neider, die sich diesem Reichtum gerne bemächtigt hätten. lucca-2-2In der Tat, Lucca war neben Florenz und Pisa einer der wichtigen Metropolen in dieser Region im Mittelalter und ein „Gegenspieler“ von Pisa. Die Geschichte ist kompliziert und zum Teil auch verworren, erfordert gar ein halbes Geschichtsstudium. Aber ein Name fällt immer wieder bei Freund und Feind: „Medici“ und „Florenz“. Diese Familie aus Florenz, das werden wir noch im Verlauf der weiteren Reise immer wieder sehen, sind nicht nur sehr erfolgreiche Kaufleute und Politiker gewesen, nein, sie haben mit ihrem Wirken einen ganzen Kulturkreis über lange Zeit geprägt. Auch die Franzosen, die Habsburger, die reichen norditalienischen Provinzen, Könige, Kaiser und die Kurie haben den geschichtlichen Verlauf dieser Stadt direkt oder indirekt beeinflusst und zu einer bewegten und wechselvollen Geschichte werden lassen

lucca-2-1Wir wenden uns erst einmal dem historischen Stadtkern zu und schlendern eher etwas ziellos eine Straße entlang. Im Gegensatz zu Pisa, wo wir eine Belebtheit nur um den schiefen Turm herum wahrnehmen konnten, vor allem durch Touristen, finden wir in Lucca eine Belebtheit der Stadt, die wir angesichts des Datums, Ende August, nicht erwartet hätten. Wir waren der Meinung, alles was Beine hat und nicht vor Ort unbedingt gebraucht wird, versammelt sich irgendwo an der Küste. Ja, auch in Lucca sind einige kulturhistorisch interessierte Touristen aus aller Welt unterwegs. Aber wir beobachten auch ein ganz normales alltägliches Leben in dieser Stadt mit Menschen die hier leben, mit Menschen die hier arbeiten, mit Menschen die einkaufen, mit Menschen die es sich in den Cafés und Bars gut gehen lassen und mit sehr vielen Studenten, denn Lucca ist auch eine Universitätsstadt. Trotz der hohen Temperaturen von weit über 30 Grad ein sehr angenehmes Flair, wenn man im Schatten sitzt. 😉

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Wir schlendern durch die Stadt und kommen leicht vom geraden Weg ab. Eigentlich haben wir nach einem Kaffee gesucht und nun stehen wir unvermittelt vor einer Kirche die unsere Aufmerksamkeit erregt. Wir halten es zunächst für die Kathedrale San Martino. Doch nach einer Überprüfung unseres Standortes auf der kleinen Karte, die es am Stellplatz kostenlos gab,  stellen wir fest, dass wir vor der Kirche San Michele in Forno stehen.
In dem gleißenden Licht fällt es uns zunächst gar nicht auf. Ein Blick in Richtung Himmel tut richtig weh in den Augen und so weist uns der kleine Stadtplan darauf hin, das wir vor einer Engelskirche stehen. Hoch oben auf dem First des Kirchenschiffs kann man das eher schemenhaft erkennen. Doch der Zoom holt für uns den Engel heran. – Also, so stellten sich die Menschen im Mittelalter einen Engel vor. Der weicht doch stark von den Engelsdarstellungen des „Kitsch- Barock“ mit Puttenengel & Co. ab. 😉 . So heißt es dann auch in der Bibel bei Engelserscheinungen: „Fürchtet Euch nicht, …“ Man stellte sich damals einen Engel wohl eher als eine kraft- und machtvolle Figur vor.

Wie von Geisterhand werden wir zu einem weiteren Platz geführt. Ein altes römisches Amphitheater bildete die Grundlage für die Piazza dell’anfiteatro. Ohne Reiseführer wäre uns das überhaupt nicht aufgefallen. Heute ist es einfach einen großer Platz in der Stadt und wenn man genau hinschaut so erkennt man auch noch Reste des alten Theaters, die in die heutigen Gebäude integriert wurden. lucca-6-eisAngesichts der Hitze kommt uns ein Eis gerade recht. Die Gelati-Tradition Italiens geht meines Wissens nach auf die Römer zurück. Sie ließen vor 2000 Jahren Schnee- und Eisblöcke im Apennin „ernten“ und nach Rom bringen, wo diese in der „römischen Unterwelt“ den Katakomben gelagert wurden, bis sie, bzw das was noch nicht weggeschmolzen war, zu einem Vorläufer des heutigen Gelato verarbeitet wurden.
Bei diesen Temperaturen ist eine solche Erfrischung immer willkommen 😉

Nun aber zur Kathedrale San Martino. Auch hier sind wir beeindruckt von der Schönheit und der reichen künstlerischen Ausgestaltung der Kirche.

Wir verlassen San Martino, seitlich des Ausgangs an der Wand auf einmal das:

lucca-7-8-kathedrale-san-martino-labyrinthEin eindeutiger Bezug zum „Labyrinth von Chartres“. Wäre es nicht so heiß und wir so müde, dann wären wir noch einmal zurückgegangen, um gezielt nach weiteren Bezügen zu suchen.
Es ist schon früher Nachmittag und inzwischen unerträglich heiß. Wir entschließen uns zurück zu gehen, und das zu tun, was die Italiener um diese Uhrzeit üblicherweise auch tun – ein kühles Plätzchen suchen und möglichst nichts tun.

Es ist ca. 19 Uhr und das Leben ist längst in die Stadt zurückgekehrt, da überkommt uns die „Pizza Lust“. Wir haben auf unserem Rückweg einen kleinen Pizza-To-Go Laden ganz in der Nähe des Stellplatzes entdeckt. Unsere Erwartung ist nicht groß. Doch nach dem die Pizza auf unseren Campingtisch liegt und wir die ersten Bissen vertilgt haben, sind wir uns einig: so eine gute Pizza „Togo“ hatten wir noch nie gegessen und zu einem Preis, den ich angesichts der hohen Qualität für unmoralisch niedrig halte.

lucca-8-1-lucca-bei-nachtFrisch gestärkt schwingen wir uns auf unsere Drahtesel. Langsam beginnt die Dämmerung herein zu brechen und wir haben vor, auf der Stadtmauer mit unseren Fahrrädern die Stadt zu umrunden. Ja, das geht, denn die Stadtmauer ist eigentlich eine Doppelmauer. Der dazwischen liegende Raum ist mit Erde aufgefüllt und so ergibt sich ein großer Rundweg um die historische Altstadt mit einer durchschnittlichen Breite von etwa 15 bis 30 Meter. Das suggeriert dem Betrachter von außen eine sehr dicke Stadtmauer (erkennbar z,B. an den langen Durchgängen der vier Stadttore) die, mit den Augen des Mittelalters betrachtet, uneinnehmbar erscheint. lucca-8-2-lucca-bei-nachtDieser Rundweg um die Stadt ermöglicht einem Einblicke und Perspektiven, die sonst bei diesen historischen Stadtkernen meist nicht möglich sind. Die angelegten Grünanlagen auf der Stadtmauer dienen vielen Studenten als „Lesesaal“ zum studieren von Büchern oder Informationen auf ihren Tablets oder zum chillen. Eine friedlich junge Atmosphäre die wir auf der Stadtmauer wahrnehmen. Einzelne Gebäude an oder ‚auf‘ der Stadtmauer dienen heute als Bar oder Restaurant, wo man zum Abschluss des Tages noch einen Rotwein aus der Region oder auch mehr bei angenehmen 27 Grad im leichten Sommerkleid genießen kann. Das machen wir auch und fallen dann gegen Mitternacht in unsere Kojen.

Lucca hat uns sehr gut gefallen und entschädigt uns für unsere Enttäuschung in Pisa. Rückblickend betrachtet, hätten wir uns noch mehr Zeit für Lucca nehmen sollen und so steht fest: „Lucca wir kommen wieder!“

Vom Fluch und Segen des Schiefen Turm zu Pisa

pisa-3-turmWer kennt ihn nicht, den schiefen Turm?

Es gibt noch mehr schiefe Türme in Italien, wenn man genau hinsieht.
Richtig, der in Pisa dürfte eigentlich gar nicht mehr stehen, er müsste längst umgefallen sein. Und doch, er steht – allen Wissenschaftlern und Bausachverständigen zum Trotz – immer noch.

Als ein italienischer Minister, damals zuständig für die Förderung und Entwicklung des beginnenden modernen Urlaubstourismus, den schiefen Turm zum Logo seiner PR-Aktivitäten kürte, da war es um Pisa geschehen. Keiner konnte damals ahnen, dass diese Entscheidung aus dem schiefen Turm einen Mega-Hot-Spot des internationalen Tourismus machen würde. Heute steht der Schiefe Turm zu Pisa fast synonym für Italien, so wie der Eifelturm für Paris und die Tower Bridge für London steht. Das brachte und bringt natürlich einiges Geld in die Stadt und darüber freut man sich auch.

Man baute einen großen Parkplatz ganz in der Nähe zum Schiefen Turm, damit die Touristen bequem und schnell zu ihrem heiß ersehnten „Must See“ gelangen können. Zwischen Parkplatz und Schiefen Turm positionierten sich die inzwischen legendär gewordenen „fliegenden“ afrikanischen Souvenierhändler als „unüberwindliche Barriere“.

Am Rande des Platzes und in den Straßen zum Arno sind die Restaurants, Trattorias, die Sandwich- und Tabakverkäufer ansässig, die ihr Geschäft machen, während die Touristen auf ihre Einlassuhrzeit für den Turm oder den Duomo Santa Maria Assunta warten.

pisa-8-arnoufer-in-pisaBis auf die andere Seite des Arnos schaffen es nur noch ein Bruchteil der Touristen.

Das ist der Fluch des Schiefen Turms. Pisa wird bei der ganz überwiegenden Mehrheit der Touristen auf den Turm und vielleicht noch den Duomo und die Taufkirche (die im übrigen die größte Taufkirche der Welt ist), reduziert. Und so schnell die Touristen gekommen sind, so schnell sind sie auch wieder weg. Dabei hat Pisa noch einiges mehr zu bieten. Aber dafür müssten die Touristen in ihrem (vorgegebenen) Zeitplan mehr Zeit haben.

Die Zeit hätten sie während der Wartezeit bis zum Einlass auch. Statt dessen beschäftigen sich viele Touristen damit, ein oder mehrere Fotos zu kreieren, bei dem die Liebste oder gar die ganze Reisegruppe das Umstürzen des Turms verhindern. 😈

pisa-7-2-menschenmassenDie Menschenmassen sind einfach überdimensional. Die Aura und die Energie des Platzes oder die im Duomo ist nicht mehr zu erfassen oder zu erfühlen. Während in vielen anderen Städten, die einstmals großzügige Raumaufteilung um diese gewaltigen Sakralbauten herum im Laufe der Jahrhunderte zugebaut wurde, blieb in Pisa diese Großzügigkeit erhalten. Wir haben das „Must See“ abgearbeitet ;-). Es war der verzweifelte Versuch diese Einmaligkeit eines großzügig angelegten mittelalterlichen Ensembles rational wie emotional und spirituell zu erfassen und in seiner ganzen Großartigkeit wahrzunehmen. Das Bild dieser Großzügigkeit ist in unseren Köpfen gespeichert. Ein Gefühl können wir aber, aufgrund der Menschenmassen, nicht damit verbinden. Wir haben es gesehen. Mehr war beim besten Willen nicht möglich und insgeheim haben wir auch nicht mehr erwartet aber touristisch naiv erhofft. – Und nun ist gut!

Den „Rest“ von Pisa haben wir mit dem Rad erkundet. In den verschlungenen Gassen kann man zum Teil nur erahnen wie mächtig diese Stadt einmal war. Eine sehr alte Stadt in der sich Baustile verschiedenster Epochen erhalten haben. Manchmal nebeneinander, manchmal sogar in ein und dem selben Gebäude. Immer wieder wurde angebaut, umgebaut oder erweitert.

Beim Betrachten der Fassaden kommt mir der Gedanke, dass hier nie großflächig umgestaltet wurde. Was noch zu gebrauchen war, wurde weiter genutzt. So haben sich über die Jahrhunderte unermessliche Kunstschätze in dieser Stadt angesammelt, die an und in Gebäuden und in diversen Museen bewundert werden können.

Einen kleinen „spirituellen“ Eindruck vom Duomo erhält man, wenn man zur „Mini-Ausführung“ der Kirche Santa Maria del Spina am Arnoufer fährt. Da hier kaum Touristen sind, bekommt man die Ruhe und die Zeit, um die filigranen Steinmetzarbeiten auf sich wirken zu lassen.

Das entschädigt zwar ein bisschen für den Rummel am Schiefen Turm und im Duomo, aber unser Fazit für Pisa fällt trotzdem enttäuschend aus. Pisa stellt alles was wir an UNESCO Welterbestätten gesehen haben negativ in den Schatten. Wenn das, was hier abgeht, der Preis für diesen UNESCO-Titel ist, dann sollten diese UNESCO-Auszeichnungen sofort wieder abgeschafft werden. Denn dann ist dieser Titel ein geschickt eingefädeltes Marketinginstrument zur Ausbeutung, Entweihung und Kommerzialisierung von Kulturgütern. Das ist nicht Aufgabe der UNO und dafür finanzieren wir auch die UNO nicht mit unseren Steuerbeiträgen!.

pisa-11-aquaeduktAuf der Rückfahrt zu unser Wohnmobil fahren wir ein gutes Stück an einer alten römischen Wasserleitung entlang. Wir sind irgendwie von der gesellschaftlichen Schaffenskraft der alten Römer fasziniert. Was für uns selbstverständlich ist, Frischwasser aus der Wasserleitung, das war zu dieser Zeit eine ingenieurtechnische Meisterleistung. Hut ab! Hier bleiben wir staunend stehen. Auch wenn der Aquädukt heute nicht mehr in Betrieb ist, so erscheint doch vor unserem geistigen Auge ein Bild des Lebens vor mehr als 1000 Jahren. Solch ein „Eintauchen“ in die goldene Zeit der Römer war uns den ganzen  Tag über in Pisa nicht vergönnt. Diese Erfahrung ist für uns ein weiteres Indiz,  dass solche „Auszeichnungen“ wie UNESCO-Welterbestätte eher Fluch als Segen sind und ihr Nutzen dringend hinterfragt werden muss.

Schweinedurchfahrtverbot

viareggio-13-durchfahrtsverbotZunächst war uns das gar nicht aufgefallen. Erst bei der nachträglichen Bildbearbeitung entdeckten wir ein Schweinedurchfahrtverbot in Viareggio.

viareggio-11-durchgang-fuer-schweine-verbotenWir fragen uns was es damit auf sich hat?

Bis jetzt haben wir noch keine sinnfällige Idee. 😴😰 Weit und breit kein Bauernhof, keine Schweine, nichts was auf Schweine hinweisen würde. Rund um diesen Markt: Straßen mit Wohnbebauung, Sommerhäusern und Appartements.

Kann uns jemand auf die Sprünge helfen?

 

Wo Marmor scheinbar aus der Erde wächst

Wir verlassen La Spezia in Richtung der Via Aurelia, die auch mit dem Kürzel SS1 bezeichnet wird. An alten Häusern findet man noch oft diese Bezeichnung die früher, bevor es Autobahnen hier gab, den Reisenden auf dem Weg in Richtung Rom Orientierung boten. Wir fahren über Carrara, Massa, Querceta und Pietrasanta an den Hängen der Apuanischen Alpen entlang.

Wir bestaunen die Hänge, die steil aufragen. Jede einigermaßen ebene Stelle scheint bebaut zu sein. Leider gibt es keine eigenen Bilder. Wir haben zu Hause noch eine Möglichkeit geschaffen, die Kamaraaccus auch mit Solarstrom bzw über die Bordbatterie laden zu können, doch was hilft das, wenn man die Kamara nicht anschließt??? Null Komma Nichts 😉 Daher müssen wir auf Fremdbilder zurückgreifen 😕

Carrara und die Marmor-Steinbrüche. Im Vordergrund ein steinverarbeitender Betrieb
Carrara : Von Myrabella – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7902887

An diesigen Tagen, wenn die Sonne einen scheinbar ständig blendet, dann weis man beim Blick in die Steilhänge nicht genau, ob das „Weiße“ dort oben weiße Marmorwände der Steinbrüche sind oder kleine Wolken, die sich in das Blickfeld des Bergpanoramas hineingeschoben haben. Wenn man einmal einen dieser rohen Marmorblöcke auf einem Lagerplatz oder auf einem Lastwagen, so wie sie aus den Bergen ins Tal transportiert werden, gesehen hat, dann wird klar, dass das exakte Herausschneiden und das Hinuntertransportieren auf steilen Strassen ein Knochenjob ist. Auch heute noch.

Wir fahren an einem aufgelassenen Steinbruch, nein, Marmorbruch, vorbei. Dort stehen heute Verarbeitungsbetriebe. Wir sehen die aus den Berg herausgeschnittenen Marmorblöcke oder die schon zu Marmorplatten zersägten Blöcke in den Betrieben links und rechts der SS1. Zu Michelangelos Zeiten wurden daraus Marmorsäulen, Marmorverkleidungen für Gebäude und natürlich lebensechte Statuen für Gebäude-, Kirchen- und Gartenausgestaltungen gefertigt. Heute ist das nicht anders. Nur die modernen Marmorküchenplatten sind hinzugekommen. Da sie durch natürliche Farbstoffe leicht verfärben, sind sie für diesen Einsatzzweck eigentlich nicht die erste Wahl. Der Markt verlangt es aber trotzdem und sichert so, so manchem Steinbrucharbeiter und Mitarbeitern der Verarbeitungsbetriebe Einkommen und das täglich Brot.

Marmorwekstatt (in Pietrasanta)
Von Serpens – Serpens, Bild-frei, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=270181

Hat sich Michelangelo hier oder vielleicht doch dort nach dem weißesten und reinsten Marmorblock für seine Kunstwerke umgeschaut? Wir wissen es nicht, aber wir können es uns gut vorstellen.

Pietrasanta hat sich zum Zentrum der Marmorverarbeitung entwickelt. So finden sich in dem kleinen Ort viele Künstler ein, die in dem Ort nach „DEM“ Marmorblock suchen und ihn dann auch, wie Michelangelo, bearbeiten. Zahlreiche Ausstellungen und Events zeugen davon. In diesen Orten dreht sich natürlich alles um den Marmor. Unten am Meer sind die Häfen, von denen aus diese Carraramarmorsteinblöcke in die ganze Welt verschickt werden.

Von hier aus fahren wir hinunter zum Meer zu den Marinas und Lidos. Früher dominierte dort das Hafengeschehen und der Fischfang die Szenerie. Alles andere war einfach nur Sandstrand, wenn man von den alten „Kurorten“ für die feine und vor allem adelige Gesellschaft, wie Forte dei Marmi und Viareggio einmal absieht. Am Meer erwartet uns das ultimative Kontrastprogramm 😊😉.

Toscana, wir kommen!

Wir fahren nach Parma, in die Stadt des gleichnamigen Schinkens und des wahrscheinlich größten industriellen Nudelherstellers in Italien. Schon von der Autobahn aus ist der Schriftzug dieses „Spagetthi-Produzenten“ zu sehen – Barilla! . Wir greifen auch immer wieder mal auf die Produkte dieses Herstellers zurück, wenn wir aber in Italien sind, dann sind die Nudeln aus den Nudel- und Tortelinimanufakturen, die in traditioneller Handwekskunst hergestellt und frisch über die Ladentheke gehen, für uns die erste Wahl.

parma-la-spezia-1-gewitterWir hatten vier Stellplätze identifiziert. Wir müssen aber feststellen, dass die Stadtverwaltung an den alten Plätzen Hinweisschilder auf den vierten Platz, den „Neuen“ angebracht hat. An dem vierten Platz angekommen, stellen wir fest, dass dieser Übernachtungsplatz direkt hinter der Lärmschutzwand einer vielbefahrenen Stadtautobahn liegt. Zudem scheint sich eine größere Gewitterfront in der Poebene aufzubauen. So entscheiden wir uns für die Weiterfahrt nach La Spezia, das manchmal auch als das Tor zur Toskana bezeichnet wird.parma-la-spezia-4-hoehe Warum, das wird uns bald deutlich. Von etwa 50 m ü.d.M steigt unsere Fahrstrecke erst einmal auf fast 750 m an, um dann noch steiler wieder auf Meereshöhe abzufallen. Wir fahren dabei zunächst an Reisfeldern vorbei, später prägen Mais und Korn die Landschaft. parma-la-spezia-3-1-landschaftNachdem wir einige Höhenmeter hinter uns gebracht haben geht es durch ein „wildes“ Tal und eine eher dünn besiedelte Region. Atemberaubende Ausblicke bieten sich uns. Die sehr enge Autobahn verlangt meine ganze Konzentration, so dass es zu photo-graphischen Exzessen nicht kommt, zumal Parkplätze auch Mangelware sind. Am frühen Abend kommen wir im Hafen von La Spezia an. Ein nicht sehr attraktiver Übernachtungsplatz erwartet uns dort. Aber das ist uns egal, dieser Ort soll ja nur der Ausgangspunkt unserer Tour sein. Wir verzichten sogar auf eine kleine Erkundungsfahrt mit den Rädern. Es ist uns einfach nicht nach Industrie- und Militärhafenromantik.

Erst mal Einstimmen auf Italien.

Die Anfahrt bei wechselhaftem aber trockenen Wetter verläuft problemlos. Wie bei unserer letzten Tour nach Italien kommen wir bis Rovereto, etwa auf Höhe des nördlichen Endes des Gardasees. roveretoWir treffen gegen 17 Uhr ein und machen sofort die Fahrräder bereit, um noch eine kleine Stadttour zu machen. Rovereto ist ein kleines, oberitalienisches Städtchen, dass stark in seiner historischen Bausubstanz vom venezianischen Einfluss geprägt ist, aber trotzdem seine alpenländische Tradition nicht verbirgt. Die Stadt kann kann nicht wirklich mit kulturhistorischen oder kunsthistorischen Besonderheiten aufwarten. Zu erwähnen wäre ein altes Kastell und ein militärhistorisches Museum, das interessiert uns aber nicht. Ein Streifzug durch die alten Gassen ist der Ort aber allemal wert.

Die Stadt beginnt sich nach der sommerlichen Mittagsruhe gerade wieder wiederzubeleben. Straßencafes und die typisch italienischen Bar’s füllen sich von Viertelstunde zu Viertelstunde immer mehr und die Bedienungen beeilen sich, einen Aperitivo nach dem anderen, zu servieren. Genau das richtige Ambiente, um sich in die italienische Lebensart wieder hinein zu finden. ☺

Rovereto2Die Nacht ist etwas unruhig, was entweder an dem Vollmond, an dem starken Regen in der Nacht, (der kräftig auf unser WoMoDach hämmert) oder an den vorbeidonnernden Güterzügen liegen kann. Die Vorfreude auf die nun kommenden 4 Wochen in Italien vertreibt die verbliebene Restmüdigkeit am nächsten Morgen sehr schnell. ☺