Senftenberg: Eine Urlaubsregion entsteht.

Auf dem Weg vom Spreewald nach Dresden, von wo aus wir ins Elbsandsteingebirge fahren wollen, machen wir einen Zwischenstopp in Senftenberg. Senftenberg liegt im Lausitzer Seenland. Dieses Seenland ist, bzw. wird das größte künstlich geschaffene Seengebiet Europas. Was uns hier erwartet? Keine Ahnung!

Als ahnungsloser Wessi hat man vom Braunkohletagebau gehört. Und dass dieser aus Umweltschutzgründen so schnell wie möglich stillgelegt werden soll, das weiß man auch. Wenn man nicht aus einer Tagebergbauregion kommt, hat man nur eine sehr diffuse Vorstellung, was das für eine Region und ihre Menschen bedeutet. Einen ersten Vorgeschmack auf das, was nach dem Bergbau kommt, haben wir schon in Lübbenau bei einer Radtour in Augenschein nehmen können. Wie eine Renaturierung irgendwann mal aussehen könnte, kann ich mir in Lübbenau aber noch nicht wirklich vorstellen.

Bei einer Radtour rund um den Senftenberger See, können wir uns ein Bild von einer solchen Entwicklung machen. Hier ist man schon einen großen Schritt weiter.

Der geflutete Tagebergbau mit größeren Wasserflächen bietet sich als Freizeitzentrum für Wassersportler an. Denkt man eine Nummer größer, dann lässt sich ein ganz neuer Wirtschaftszweig im Bereich des Tourismus entwickeln. Genau das scheint man hier vor zu haben.

Am Stadtrand ist eine Art Steilufer entstanden, die in Teilen schon fast wie natürlich gewachsen aussieht. Auch der neue Stadthafen ist für Bootssportler attraktiv. Wassersport und Badeangebote haben sich rund um die Liege- und Freizeitwiesen etabliert. Auch zwei Wohnmobilstellplätze sind hier zu finden, die voll belegt sind. Wir sind überrascht wie viel touristisches Treiben hier stattfindet. Immerhin ist keine Schulferienzeit.

Einmal um den Senftenberger See

Wir übernachten auf einem Wohnmobilstellplatz etwas außerhalb. Von dort aus umrunden wir den Senftenberger See mit den Fahrrädern. Hier ist schon ein sehr gutes Radwegenetz entstanden. Das können wir an der guten Ausschilderung erkennen. Abzweigungen sind immer klar erkennbar. Wenn es überall so ist, dann reichen Übersichtskarten vollkommen aus, um sich sicher zu orientieren.

Zunächst führt uns unser Weg in die Stadt. Da wir wieder Proviant auffüllen müssen, freuen wir uns, dass Markttag ist.
Wie schon so häufig im Osten finden wir hier eine Marktstruktur vor, die wir bei uns nicht mehr kennen. In Süddeutschland findet sich eher der „Bauernmarkt“, angereichert mit Ständen weiterer Lebensmittel – von Brot über Honig bis zu Fleisch und Wurstwaren. Bekleidung, Schuhe oder Haushaltswaren sucht man bei uns meist vergeblich. Nicht so hier im Osten. Das erinnert uns sehr an die Wochenmärkte in Italien, wo man wirklich alles bekommen kann, bis auf lizensierte Produkte, wie Tabakwaren oder pharmazeutische Produkte.

Die Markttage bringen Leben in die Stadt. Für uns sind diese immer besonders interessant, denn wir können den Menschen, ohne neugierig zu wirken „aufs Maul“ schauen und den ungezwungenen, typischen Umgang miteinander beobachten. Und bevor wir uns umschauen, sind wir in ein Gespräch mit den Einheimischen verwickelt. WoMoline ist dafür Spezialistin. Sie hat auf diese Weise schon so manchen Insidertipp bekommen. 😊😘💖

Senftenberg hat sich schon zu einem Erholungsort entwickelt. Vieles ist instandgesetzt, aufgehübscht, und neu entstanden – wie zum Beispiel der Stadthafen. Um Senftenberg herum entsteht mit dem Lausitzer Seenland zwischen Berlin und Dresden eine neue Wasserlandschaft. Seit einigen Jahren erhält die ehemalige Tagebaulandschaft ein neues Gesicht mit tiefblauen Farbtupfern. Es entsteht die größte zusammenhängende Seenlandschaft Europas mit insgesamt 23 größeren Seen.

Wir verlassen Senftenberg. Die verschiedenen Seen, die hier entstehen werden mit Kanälen verbunden, sodass ein Wasserstraßennetz entsteht. Wo erforderlich, gibt’s dann auch schon mal einen Bootstunnel.

Etwas weiter ist ein Ferienresort mit Clubcharakter entstanden, das sich wohl stark an der Zielgruppe Familie mit Kindern ausrichtet. Das riesige Areal, im Wald gelegen, bietet sowohl Camping, Mobilheime bzw. Ferienhäuser als auch ein Hotel an. Am Seeufer erinnert der Sandstrand an Klassiker wie Bibione oder Rimini. Es ist alles vorhanden was für einen Familienurlaub nötig ist. Wie für Cluburlaub typisch gilt: Einmal angekommen, braucht man das umzäunte Gebiet nicht mehr zu verlassen.

Es ist ein Touristik Konzept, dessen Vorbild aus Spanien, Italien, Türkei und Anderswo stammt. Nur die Anreise ist kürzer und der südländische Flair fehlt. Und der kilometerlange Strandspaziergang wird durch einen Zaun und ein Verbotsschild nach wenigen 100 Metern unterbunden.

Die Wege führen zum Teil sehr weit entfernt vom Ufer durch den Wald. Geschätzt, weit mehr als die Hälfte des Seeufers darf nicht betreten werden. Zum einen wurden Schutzzonen für Biotope ausgewiesen und zum anderen sind weite Bereiche der Uferzonen wegen instabilen Geländeformationen im Uferbereich abgesperrt. Wirklich attraktiv und abwechslungsreich ist, so weit entfernt vom Wasser, die Fahrt durch den Wald nicht.

Aber dann treffen wir auf ein kleines Areal, das ein Meer oder See-Feeling aufkommen lässt. Die Infrastruktur ist hier ein Toilettenhäuschen mit angeschlossener Imbissbude und so weit wir das beurteilen können drum herum wilde Parkerei an Straßenrand. Das hat schon etwas Nostalgisches und erinnert mich an meine Kindheit. Mit dem Käfer über den Großglockner nach Kärnten an einen See. Imbissbude war schon Luxus. Mehr brauchten wir nicht.

Es wird noch eine lange Zeit brauchen, bis aus diesem Gebiet eine wirkliche Ferienregion wird. Man kann alles Mögliche hinbauen, was für eine solche Ferienregion notwendig ist. Die Menschen aber in dieser Region sind geprägt vom Bergbau und der Energieerzeugung. Es wird sicher ein, zwei Generationen dauern bis die Produktionsmentalität sich in eine Dienstleistungs- bzw. Tourismusmentalität verändert hat. Der Unterschied zu einem traditionellen Tourismusgebiet, wie dem Spreewald, ist auf Schritt und Tritt spürbar. Solche Veränderungen gehen eben nicht von heute auf morgen.

Vielleicht ist es ja auch langfristig von Vorteil, sich nicht an Ballermann und Ischgl zu orientieren.

Kurz vor Beendigung unserer Rundfahrt begegnet uns an einem Campingplatz dieses Wohnwagengespann.

Nachdem wir hier, wie zuvor schon im Spreewald, die Erfahrung machen, dass nach dem langen Lockdown die Menschen einfach heiß auf Tapetenwechsel sind, geben wir das Ziel ins Elbsandsteingebirge zu fahren auf. Stattdessen machen wir uns am nächsten Tag auf, in Richtung Weimar und Erfurt.

Unser Kalkül: da, wo die Menschen, die jetzt in den Urlaubsgebieten sind, herkommen (die aus den Städten), dort müsste es doch angenehm ruhig sein. 😊

„Schiffchenkino“ in Lenz bei Malchow

Wir fahren weiter nach Malchow. Den Stellplatz, den wir uns ausgesucht haben, ist voll. Also fahren wir ein paar Kilometer weiter nach Lenz, wo wir einen sehr schönen Platz vorfinden. Direkt am Lenzer Hafen und dem Kanal, der den Plauer See mit dem Fleesensee verbindet.

Die 4 km langenlange Strecke nach Malchow führt über eine Holperstrasse, die mit dem Fahrrad nicht wirklich Spaß macht und in der Nacht sogar gefährlich wird. Diese Holperstrecke ist aber kein Hindernis, um uns Malchow nicht anzusehen. Als manchmal Technikbegeisterter muss ich die Drehbrücke in Malchow in Aktion sehen. Den durch die Öffnung der Brücke für die größeren Schiffe erforderlichen Aufenthalt überbrücken wir mit einem großzügig bemessenen Eis. Als die Schiffe durchfahren, werfen die Skipper oder einer ihrer „Untertanen“, einer alten Tradition gehorchend eine Münze auf die Brücke. Das ist das Dankeschön an den Brückenmeister, der die Straße sperrt und die Brücke öffnet und schließt. Früher musste so manches mit „Muskelkraft“ geschehen sein, doch heute hat der Brückenmeister eine komfortable Fernsteuerung und kann seiner Tätigkeit ganz entspannt nachgehen.

Der Ort selbst ist wieder sehr schön in Stand gesetzt worden. Nur das Kopfsteinpflaster bringt mein Hinterteil langsam zur Verzweiflung, obwohl ich meinem Hinterteil einen Gelsattel gegönnt habe.
Wir fahren weiter, hinüber zum Kloster und zur Klosterkirche, in der ein Orgelmuseum eingerichtet wurde. Beides gibt leider nicht viel her und so begnügen wir uns mit ein paar weiteren optischen Eindrücken vom Ort und dem Malchower Hafen. Hier, wie schon in den anderen Orten, findet sich im Hafen kein einziges Fischerboot mehr. Auch dieser Hafen ist ein reiner Yachthafen mit Landungsbrücke für Ausflugsschiffe der Weißen Flotte.

Auf dem Rückweg gönnen wir uns noch ein Fischbrötchen. Die gibt es hier in allen Variationen. Ob frisch oder geräuchert, frischer geht es nicht. Diesen McPom-Sushi darf man sich nicht entgehen lassen.

Den Rest der drei Tage verbringen wir neben zwei kleinen Radtouren am See entlang mit Dolce Vita und „Kanalschauen“. Ständig versuchen Enten und Schwäne die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und etwas fressbares zu erbetteln. Dazu wackeln sie kokett mit dem Schwanz, putzen sich wie eine Filmdiva vor ihrem Schminktisch, oder führen (und das ist besonders effektiv) ihren Nachwuchs vor. Auch wir werden unseren Bestand an trocken Brot los. 😉

Ständig fahren Boote von links nach rechts und von rechts nach links. Kleine Boote, große Boote, Boote mit posierenden Bikinischönheiten auf dem Vorderschiff und Blondinen auf dem Schoß des Skippers. Ich konnte mir bisher gar nicht vorstellen, wie kurzweilig ein solches Kanalkino sein kann. Und wer unbedingt das Ganze von der Wasserseite aus erleben möchte, kein Problem, überall finden sich Vermieter von führerscheinfreien Booten.
Es ist auch möglich ohne Bootsführerschein eine größere Yacht oder ein Hausboot zu chartern. Lediglich eine etwa 3-stündige Einweisung ist dafür erforderlich. Nun ja, und ganz billig ist dieser Spaß auch nicht. Nähere Auskünfte gibt es bei der Werft oder dem Charterer ihres Vertrauens! Die Fremdenverkehrsämter oder das Internet helfen gerne weiter.

Ab und an sieht man eines von diesen kuriosen Hausbooten, auf denen ein Wohnwagen oder ein Wohnmobil steht. Wer unbedingt im eigenen Bett auf dem Wasser schlafen will;
Geht nicht – Gibt’s nicht!

Wir begnügen uns mit amüsiertem Glotzen in unseren Campingstühlen und einem Cocktail in der Hand.

Und dann noch ein Tipp: Hier in Malchow gibt es im ehemaligen Filmpalast ein Museum zum DDR-Alltag mit viel Kuriosem, das auch die älteren Wessis (die Ossis sowieso) wiedererkennen werden. Ich empfehle selten Museen, aber hier mache ich bei schlechtem Wetter eine Ausnahme ;-).

Anfahrt nach McPom mit Hindernisen

traffic-3460563_640
Bild von Gerhard Gellinger auf Pixabay 

Es ist einer dieser Tage, der irgendwie nicht gut anfängt. Es ist genau der Tag an dem wir nach McPom aufbrechen. Nach 10 Minuten Fahrt an der Auffahrt zur A9 Richtung Berlin – Stau -und keine Chance mehr das Nadelöhr zu umfahren. Die 10 Minuten waren einfach zu kurz um eine Verkehrsmeldung im Radio zu hören. Als wir sie dann hören, ist es zu spät. Die prognostizierte Wartezeit verheißt nichts Gutes. Nun hilft nur noch Geduld – und davon brauchen wir recht lange sehr viel. Auf der Fahrt Richtung Berlin werden noch weitere kleinere Staus an unserer Stimmung knabbern. Aber wir haben ja ein Wohnmobil mit Toilette, einen gefüllten Kühlschrank und die Möglichkeit uns einen Kaffee oder auch mehr zu kochen, wenn gar nichts mehr geht. Wir werden, und das ist schon bald sicher unser Etappenziel nicht mehr vor Einbruch der Dunkelheit erreichen. Deshalb entscheiden wir uns für eine Übernachtung in der Nähe von Potsdam. Genauer gesagt in Werder an der Havel. Der Wohnmobilstellplatz ist voll besetzt, aber am Rande finden wir noch ein nicht als Stellplatz ausgewiesenes freies Fleckchen.

Bevor die Nacht hereinbricht wollen wir uns noch in dem Örtchen umschauen. Beim Ausgehfertigmachen stellt WoMoline eine beängstigende Frage: „Wo ist meine Handtasche?“ Nach kurzem, panisch suchenden Umschauen kehrt langsam die Erinnerung an die Minuten vor der Abfahrt zurück. WoMoline hat ihre Handtasche mit Geld, Scheckkarte und Schlüssel vergessen. Wenn mir das passiert wäre… . Oh Gott , was hätte ich mir alles anhören müssen. Ich hab‘s mit einem süffisanten Lächeln quittiert. Dafür habe ich jetzt ein paar Schrägheiten gut. Also haben wir uns erst einmal eine Bank gesucht, (ich meine natürlich ein Kreditinstitut 🙂 ), um finanziell wieder flüssig zu werden. Aber viel schöner ist: Nun bin ich Herr über alles. Und WoMoline muss nun bei mir betteln und mir aus der Hand fressen!!!
Ja, eine Frau ohne ihre Handtasche… das ist geradezu ein Geschenk für Möchtegern-Machos. J

Werder ist heute wohl ein Ausflugsgebiet der Berliner, die ihre Boote an der Havel bzw. den kleinen Seen liegen haben. Die umliegenden Restaurants und Geschäfte machen den Eindruck, dass sie sich genau auf diese zahlungskräftige Klientel ausgerichtet haben. Ich nenne das mal den „Um die Ecke Tourismus für Großstädter“, zumindest für die, die sich das leisten können.

Bei unserem weiteren Stadtrundgang stellen wir fest, dass ein Stadtfest in vollem Gange ist. Würde nicht die lange Fahrt mit den Zwangspausen in unseren Knochen stecken, dann wären wir noch zum Mitfeiern gegangen. So aber ziehen wir unsere Koje vor. Die Musik, die auch den Stellplatz beschallt, erschwert zu späterer Stunde das Einschlafen. Da die Band aber richtig gut und nach unserem Geschmack ist, können wir die Ruhestörung leichter ertragen und schwingen in Horizontalposition im Rhythmus der Musik noch ein bisschen mit.

Werder an der Havel 1

McPom’s Seenplatte mit Abstecher zur Ostsee

Wie wir auf die Idee gekommen sind einmal eine Tour zur und durch die Mecklenburgische Seenplatte zu machen, das weiß ich nicht mehr. Der einzige Bezugspunkt den wir haben, sind Bekannte, die dort seit einiger Zeit ein größeres Schiffchen liegen haben und daher sehr viel ihrer Freizeit dort verbringen. Um ganz ehrlich zu sein, über diese Region Deutschlands wissen wir überhaupt nichts.
Neben einem Besuch bei unseren Bekannten ist das Grund genug, uns diese Gegend einmal genauer anzuschauen.

Ursprünglich war geplant, dass wir in einem Zug bis ins Zielgebiet fahren. Ein größerer Stau zwingt uns jedoch in der Nähe von Potsdam, genauer gesagt in Werder an der Havel, einen Zwischenstopp einzulegen.

Quelle: Google Maps – durch Doppelklick öffnet sich Google Maps in einem weiteren Fenster

In die Region hineinschnuppern

Über die Stationen Fürstenberg, Neustrelitz und Neubrandenburg erreichen wir schließlich das Zentrum der mecklenburgischen Seenplatte in Waren an der Müritz. Hier müssen wir uns wegen einem Reifenschaden etwas länger als üblich bei unseren Stopps, aufhalten.

Urlaubsgefühle am Wasser

In Rechlin treffen wir in der Marina unsere Bekannten und dürfen die Mecklenburgische Seenplatte auch ein wenig von der Seeseite aus kennenlernen. Und wir dürfen die Unterschiede des Reisens mit dem Wohnmobil und auf einer Yacht hautnah erleben. Um es vorwegzunehmen, mit einem 17 Tonnen Boot ist man noch deutlich langsamer als mit einem Wohnmobil unterwegs. Auch die Vor- und Nachbereitung einer Fahrt ist bei einem Schiff sehr viel größer und erfordert wesentlich mehr Umsicht. Nicht nur das An- und Ablegen und die Einhaltung von Vorschriften ist aufwendiger als mit dem Wohnmobil, auch die Fahrt selbst erfordert mehr Aufmerksamkeit im Verhältnis zur Geschwindigkeit.

Wir führen unsere Entdeckertour fort

Über Lenz in der Nähe von Malchow führt uns unser Weg nach Plau am See, dann nach Güstrow, nach Teterow und schließlich nach Malchin. Ganz in der Nähe am Kummerower See legen wir ein paar Müßiggangtage ein.

Wir machen eine kleine Sightseeing-Tour die uns über Basedow nach Mirow und schließlich nach Wesenberg führt.

Zurück ins Zentrum des Müritzgebiets

Nun haben wir noch zwei fixe Termine einzuhalten. Zum einen sind wir zum Fischessen mit unseren Freunden in Malchin verabredet. Zum anderen müssen wir noch einen geeigneten Campingplatz finden, denn eine weitere Bekannte möchte uns mit ihrem Freund auf dem Weg zur Ostsee besuchen.

Da wir nicht Campingplatz erfahren sind, haben wir zwei Plätze, die infrage kommen, angeschaut. Der Erste war für uns grauenvoll. Geschätzt 1000 Platzwarte und ebenso viele Dauercamper. Wir werden gleich mit einem übergroßen Hinweis auf die Platzregeln empfangen. Mittagsruhe von 12 Uhr bis 3 Uhr, Hunde an der Leine führen, keine Musikabspielgeräte benutzen, Grillen nur an ausgewiesenen Stellen und blablabla.

Der Empfang ist nicht besetzt und wir sollen drei Stunden warten, um Auskunft zu erhalten. Der barsche Hinweis von einem Gast, dass wir unser Wohnmobil falsch geparkt haben, bestärkt uns in der Ansicht, dass das kein Platz für uns ist.

Der zweite Platz in Alt Schwerin sagte uns zu und so buchten wir auch gleich für uns vier einen Platz. Von dort aus fahren wir zurück zum Yachtclub nach Malchin – unser Ausgangspunkt für unser vereinbartes Fischessen. Frisch gefangener Fisch direkt auf den Tisch oder ins Fischbrötchen das gibt es hier oft und ist kulinarisch gesehen ein Muss.

Von Malchin geht es wieder nach Alt Schwerin. Nachdem wir die ganze Zeit bestes Wetter hatten, werden wir auf dem Campingplatz mit Starkregen im wahrsten Sinne des Wortes zugeschüttet. Unseren Bekannten, die mit einem kleinen Zweimannzelt, wie man es bei einer Fern- oder Radwanderung benutzt, unterwegs sind, geben wir Asyl unter unserer Markise. Ohne diese wären sie, im wahrsten Sinne des Wortes, abgesoffen.

Einen Abstecher an die Ostsee

Nach dem großen Regen und der aufregenden Nacht beschließen wir, unsere Reise gemeinsam fortzusetzen. So fahren wir weiter an die Ostsee und schlagen unser Lager am Salzhaff auf. Neben Seeluft schnuppern, Strandwandern und relaxen erkunden wir von dort aus Wismar und Rostock. Für die Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin, hat es dann leider nicht mehr gereicht. Unser Rückfahrtermin rückt schneller heran als uns lieb ist. Auf der Rückfahrt machen wir noch einen Cappuccino Stopp in Neuruppin um dann wieder in unsere Heimat, nach Franken, zurückzukehren.

Eine kleine Reise ins Mittelalter – Wallenstein-Festspiele in Altdorf

Alle drei Jahre finden sie statt – die Wallensteinfestspiele in Altdorf bei Nürnberg. 2018 ist es wieder so weit; Jedes Wochenende vom 22. Juni bis zum 22. Juli verwandelt sich der historische Stadtkern unweit der Frankenmetropole Nürnberg in eine mittelalterliche Stadt.

Schwertkampf auf dem Marktplatz -  Geht es um eine Frau oder um die Kriegsbeute?
Schwertkampf auf dem Marktplatz –
Geht es um eine Frau oder um die Kriegsbeute? (2015)

Ungefähr 1000 Darsteller werfen sich an jedem Wochenende in historische Gewänder. Grimmige Landsknechte empfangen die Besucher schon an den Toren der Stadt. Den Marktplatz bevölkern wilde Horden – Musketiere schäkern derb mit Marktfrauen. Studenten „studieren die Wirtschaft“ mit dem Bierbecher und treiben ihren Schabernack. Landsknechte liegen im Lotterbett. Die Holksche Horde haut und sticht mit dem Rapier. Im Zigeunerlager spielt die Musik. Kosaken und Kroaten ziehen marodierend durch die Stadt, im Feldlazarett wird kunstvoll operiert und man kann so manchem altertümlichen Handwerk bei der Arbeit zu sehen. Beim Lagerleben im historischen Stadtkern und vor den Toren gibt es viel zu entdecken und zu beobachten. An jeder Ecke tut sich was. Ein Lagerleben wie im 30jährigen Krieg.

Wallenstein reitet durch Altdorf
Wallenstein reitet durch Altdorf (2015)

Kern der Festspiele sind die Theateraufführungen im malerischen Hof der alten Universität Altdorf: Schillers „Wallenstein“ und das Volksstück „Wallenstein in Altdorf“.

Ganz neben bei: Die ehemalige Universität von Altdorf, an der Wallenstein ein Jahr lang studierte, ist der Urvater der heutigen Universität Nürnberg-Erlangen.

Das besondere an diesen Festspielen ist, dass sich Schauspiel, Rahmenprogramm auf dem Marktplatz und die Zuschauer und Gäste vermischen. Man erhält den Eindruck nicht nur Beobachter eines Theaterstücks oder einer mittelalterlichen Szenerie zu sein; nein, man ist einfach mitten drin. Die Grenzen zwischen Darsteller und Zuschauer verschwimmen in der Stadt.

An jedem Wochenende verändert sich das Programm ein wenig. Daher immer erst auf die Internetseite der Wallensteinfestspiele schauen – oder einfach überraschen lassen.

P.s.: Die Stadt Altdorf bietet den Wohnmobilisten einen kostenfreien WoMo-Stellplatz mit Strom und V/E gegen Gebühr unweit der historischen Altstadt in einem kleinen Gewerbegebiet.

Volterra – die Alabasterstadt in der Toskana

volterra-2Es ist wohl schon mehr als 20 Jahre her, dass ich in Volterra war. In lebhafter Erinnerung ist mir ein Laden mit Alabasterprodukten geblieben der sich direkt am Ortseingang auf einem kleinen Platz befand. Gegenüber, an der durchbrochenen Stadtmauer und dem Wendeplatz für Omnibusse, gibt es einen Punkt mit grandioser Aussicht über die Dächer der Stadt hinein in das weite Land. Soweit ich mich erinnere, ein beliebter Platz für alle Hobbyfotografen.

Auch in Erinnerung geblieben ist mir der Besuch in einer Alabasterschleiferei in der die Produkte und Kunstwerke aus lichtdurchlässigem Gestein hergestellt werden. Damals, vor 20 Jahren, gab es in den Seitenstraßen noch einige dieser Schleifereien. volterra-1Sie sahen etwas unaufgeräumt aus, versteckt in Kellern, Innenhöfen und der Alabasterschleifstaub war überall. Ich bin gespannt darauf, ob sich Volterra heute noch so präsentiert, wie ich diese Stadt in Erinnerung habe.

Der Wohnmobilstellplatz liegt viele Höhenmeter unterhalb des Stadtzentrums. Das heißt wir haben erstmal eine Menge Treppenstufen zu überwinden.

Nach ein paar Metern, oh wie schön, finden wir eine Alabasterschleiferei die individuelle Kunstanfertigungen herstellt. Aber alles top sauber, kein Schleifstaub, eine moderne Staubabsauganlage und einige Exponate schön im Schaufenster dekoriert. Wir können durch das Schaufenster auch zuschauen, wie die Künstlerin an einem Stein arbeitet. Ich denke mir: „Oh, wie schön, es scheint alles noch wie damals zu sein. Nur vielleicht etwas modernisiert“ und ich bin voller Hoffnung, dass wir noch weitere dieser Betriebe bei unserer Besichtigung sehen werden. Doch diese Hoffnung erfüllt sich nicht. Gleich neben an eine weitere „Schauschleiferei“. Es werden die einzigen Schleifereiateliers bleiben, die wir in den alten Stadtmauern finden werden. Dafür finden wir etwas später ein Plakat das, soweit unser italienisch reicht, auf Besichtigungen in einer Schleiferei unten im Tal hinweist. Aber alles in italienisch, dessen wir nicht mächtig sind. Wir hätten gerne noch einen Tag mit einem Besuch dort dran gehängt, aber wenn wir gar nichts verstehen, dann begnügen wir uns mit dem abfotografieren des Plakats.

Nur wenige Meter von den Alabasterschleiferei-Ateliers entfernt treffen wir auf die erste Touristenstraße. Hier reiht sich Souvenirladen an Souvenirladen natürlich in der Alabasterstadt mit allerlei Produkten aus Alabaster. Alabasteraschenbecher, Alabasterelefanten, Alabasterlampen, Schachspiele aus Alabaster, Kugeln, Herzchen, Briefbeschwerer. Es gibt, glaube ich nichts, was man nicht aus Alabaster herstellen kann. Und all das findet sich in den Auslagen der Läden. Kommt man aus dem 5. Laden heraus stellt man fest: alles wiederholt sich. Jeder hat die gleichen Produkte, jeder hat die gleichen Preise, zwar unterschiedlich dekoriert und mit anderen Produkten wie Wein oder Olivenöl kombiniert, aber alles das Gleiche. Der ganz überwiegende Teil sind standardisierte Massenprodukte vermutlich auf computergesteuerten Kopierschleifmaschienen in industriellem Maßstab hergestellt.

Alle Läden können offenbar von dem massigen Touristenstrom leben. Wir müssen lange suchen bis wir Läden finden, die Unikate anbieten, die unter künstlerischen Aspekten „wertvoll“ oder zumindest einzigartig sind. Beim Blick auf die Preisschilder wird das auch sofort deutlich. Der Preisunterschied ist enorm im Vergleich zur der sonst üblichen Massenware. Für den Preis bekommt man dann Unikate, oder wenigstens handgefertigte Exemplare, wie sie wohl in der Schaumanufaktur, an der wir vorbeigekommen sind, hergestellt werden.
Ich kann mir gut vorstellen, dass es nicht jedem dieser Künstler angenehm ist sich über die Schulter schauen zu lassen. Und so vermute ich, dass auch noch etliche dieser Steinschleifer im Verborgenen arbeiten.
Man kann herausragendes Kunsthandwerk finden das diesem Wort gerecht wird. Aber man muss es suchen und muss das nötige Kleingeld mitbringen.

Wir kommen zu dem Platz der mir noch in Erinnerung geblieben ist. Den Laden mit den Alabasterwaren gibt es also noch. Es scheint sich also nicht sehr viel verändert zu haben. Lediglich den Platz vor dem Geschäft hatte ich wesentlich weitläufiger in Erinnerung. In diesem Laden häufen sich die besonderen und teuren Stücke. Es ist einer der Läden, in denen man Unikate und von Künstlern hergestellte Skulpturen, Lampen aber auch Gebrauchsgegenstände finden kann. So entdecke ich schon beim Eintritt in das Geschäft einen nicht zu übersehenden Hinweis: No Photo. Hier soll wohl dem Ideenklau entgegengewirkt werden. Somit ist mal wieder fotografieren aus der Hüfte angesagt ;-).
Dunkel erinnere ich mich, dass ich mich vor 20 Jahren für ein Schachspiel aus Alabaster interessierte, aber mich dann doch nicht zum Kauf eines solchen entschließen konnte. Auch heute entdeckte ich zwei außergewöhnlich gestaltete Schachspiele. Unsere häuslichen Gegebenheiten sind heute andere, wodurch ein solches Exponat keinen angemessenen Platz bekommen würde. Diese wunderschönen Arbeiten in einem Schrank zu verstecken, das wäre ein Frevel. Ich freue mich an den künstlerischen Arbeiten, aber ein Kauf kommt nicht in Frage.

Genug Ge-Alabaster-t. Nun ist die Postkartenansicht daran. Wir verlassen den Laden, überqueren den Platz und genießen die toskanische Postkartenansicht zusammen mit vielen anderen Touristen. Sie versuchen entweder, genauso wie wir, dieses schöne Panorama einfach in sich aufnehmen, vielleicht sogar krampfhaft das Bild zusammen mit dem erhebenden Gefühl in ihre Erinnerung fest einzubrennen, oder aber sie warten einfach auf ihren Bus. Für die, die gelangweilt auf einem Stück Stadtmauer sitzen und ihr Lunchpaket in sich hineinmapfen, gilt vermutlich letzteres ;-).

Wir gehen in eines dieser Szenecafés, die man immer häufiger auf den Touristenmeilen finden kann. volterra-8-3-cafe-bar-schauraumDas Café oder die Bar, ich weiß nicht genau wie ich das bezeichnen soll, ist nicht nur ein Ort um schnell mal einen Espresso oder Cappuccino zu trinken, sondern ist gleichzeitig auch Weinhandlung, Olivenölhandlung, es werden feine Schokoladen angeboten, Wildschweinsalami, eingelegte Trüffel und noch so manche weitere Leckerei, die man auch gleich als Bestandteil kleinerer Gerichte probieren und verzehren kann.
Uns hat aber gar nicht das verlockende Angebot zum Einkehren in dieses Lokal bewogen, sonderen dieser putzige Kerl, der Lucaffe, der auf Dosen, Tassen und Plakaten uns von allen Seiten anlächelt. Na klar, diese Kaffeebohnendosen samt Inhalt gibt’s natürlich auch zu kaufen. Bei dezenter, verkaufsfördernder Hintergrundmusik zelebrieren wir italienisches dolce vita.

Mit einem Cappu und einem süßen Teilchen im Bauch setzen wir frisch gestärkt unsere Besichtigung fort.

Gipfeltreffen: D – NL in Italien. Wenn 6 Meter einfach zu lang sind!

verbot-fuer-fahrzeuge-uber-6mWir erreichen Volterra. Schon von weitem erhaschen wir die ersten Blicke auf die Festungsstadt, die auf etruskischen Grundmauern steht. Unser Navigationsgerät hat uns bisher gut geführt. Doch jetzt, wo wir kurz vor unserem nächsten Stellplatz sind, kann ich im rechten Auge gerade noch ein halbüberwuchertes Schild erkennen, das die Länge der Fahrzeuge auf 6 Meter begrenzt. Ja, sogar das neue Navi hat es angezeigt, aber ich schaue ja nicht ständig dort hin. Was der dezente Ton kurz zuvor, den ich vernommen habe, zu bedeuten hat ist mir noch nicht bewusst. Gut, nicht weiter schlimm, wir haben ja auch nur 5,99 m plus Fahrradhalter – aber der zählt nicht. Oder? Zum Umkehren ist es ohnehin schon zu spät. Ich bin schon durch und es wird wirklich eng.

Mir kommt ein holländischer Audi neuester Bauart entgegen. Der Audi und wir mit unserem Wohnmobil, das geht so ohne weiteres nicht aneinander vorbei. Einer muss zurücksetzen. Wir haben ungefähr 10% Gefälle. Wir kommen von oben der Holländer will hinauf. Dem Holländer wird richtig unwohl. Er traut sich nicht ein paar Meter bis in die nächste Einfahrt zurückzusetzen. Ich wiederum blockiere die soeben durchfahrene Spitzkehre und an ein Rückwärtsfahren meinerseits ist angesichts der hinter mir stehenden Fahrzeuge auch nicht mehr zu denken. So inszenieren ein deutsches WoMo und ein holländischer Flachland-Tyroler-Audi einen riesigen Verkehrsstau. Doch die Italiener, die als forsche Autofahrer und als impulsiv gelten, nehmen die Situation mit Gleichmut hin. Ich zirkele millimeterweise unser Womo an den Fahrbahnrand. Doch je weiter ich dem Holländer „auf die Pelle“ rücke, umso ängstlicher wird er und schließlich stellt er jegliche Co-operation ein und bewegt sich nicht mehr von der Stelle. Nicht einmal zum Einklappen seiner Seitenspiegel ist er mehr zu bewegen (oder ist er noch nicht mit allen Schalterchen und Hebelchen vertraut und weiß nicht, wie man bei laufendem Motor die „Ohren anlegt“?). Da ich kein holländisch kann, verkneife ich mir ihm den Tipp zugeben doch mal in der Bedienungsanleitung nachzuschauen. 😋

Irgendwie gelingt es mir, unser Wohnmobil an der Seitenabsperrung der Strasse, einem Baum mit tief hängenden Ästen und dem Holländer vorbei zu manövrieren ohne etwas zu beschädigen. Die wartenden Italiener tun alles, um mir den erforderlichen Rangierraum zu ermöglichen. Das funktioniert hervorragend und reibungslos mit nur ein paar Handzeichen. Auf zwei oder drei Zentimeter genau, mit eingeklappten Seitenspiegeln, bin ich bisher auch noch nicht gefahren. Das Sommerwetter hat mich heute noch nicht zum Schwitzen gebracht, diese 20 Meter rangieren aber schon. 😎

So, und nun ein nicht ganz ernst gemeinter Appel an alle Holländer mit nagelneuem Audi:
1. Bitte, bitte lest eure Bedienungsanleitung bevor ihr losfahrt.
2. Bitte übt Rückwärtsfahren und Anfahren am Berg. Auch in Holland gibt es erhöhte Bahnübergänge, wo man so was üben kann… 😉

(Für alle, die mir nun wieder Rassismus vorwerfen wollen, das ist nur ein sarkastisch-kabarettistische Anmerkung… )

Zu Unrecht steht Lucca im Schatten von Pisa

von-pisa-nach-luccaEtwas enttäuscht verlassen wir Pisa. Die Berühmtheit der Stadt und die Auszeichnung als UNESCO-Welterbe schaffen Erwartungen die weder der schiefe Turm  noch die Basilika oder gar die gesamte Stadt erfüllen kann. So ist das: übersteigerte Erwartungen führen zu Enttäuschungen. 😈

Nach nicht einmal einer halben Stunde Fahrzeit und einer Entfernung von rund 20 km erreichen wir den Stellplatz in Lucca. Er liegt nur ein paar hundert Meter von der Stadtmauer entfernt, die die Altstadt umschließt. Diesmal entscheiden wir uns die Stadt mit den etruskischen Wurzeln nicht mit dem Rad  zu erkunden, sondern zu Fuß die Stadt zu „entdecken“. lucca-1-stadtmauerNach einem kurzen Marsch in sengender Sonne, erreichen wir das Stadttor und sehen uns einer mächtigen Stadtmauer gegenüber, die wir sofort als eine Verteidigungsanlage identifizieren. Sie hat den Charakter eines mittelalterlichen, militärischen Sicherungskomplexes und wurde im Zeitraum von 1504 bis 1645 erbaut. Wer sich solch mächtige Verteidigungsmauern leistet, der hat auch Wertvolles zu verteidigen.

Nachdem wir das Stadttor passiert haben, sehen wir was zu verteidigen war. Die Stadt muss eine sehr reiche Stadt gewesen sein, deren Reichtum wohl auf die Textilverarbeitung und den Textilhandel zurückgeht. Dies bezeugen zumindest einige bildliche Darstellungen in der Kirche San Michele und in der Kathedrale San Martino. Dieser Reichtum schafft Neider, die sich diesem Reichtum gerne bemächtigt hätten. lucca-2-2In der Tat, Lucca war neben Florenz und Pisa einer der wichtigen Metropolen in dieser Region im Mittelalter und ein „Gegenspieler“ von Pisa. Die Geschichte ist kompliziert und zum Teil auch verworren, erfordert gar ein halbes Geschichtsstudium. Aber ein Name fällt immer wieder bei Freund und Feind: „Medici“ und „Florenz“. Diese Familie aus Florenz, das werden wir noch im Verlauf der weiteren Reise immer wieder sehen, sind nicht nur sehr erfolgreiche Kaufleute und Politiker gewesen, nein, sie haben mit ihrem Wirken einen ganzen Kulturkreis über lange Zeit geprägt. Auch die Franzosen, die Habsburger, die reichen norditalienischen Provinzen, Könige, Kaiser und die Kurie haben den geschichtlichen Verlauf dieser Stadt direkt oder indirekt beeinflusst und zu einer bewegten und wechselvollen Geschichte werden lassen

lucca-2-1Wir wenden uns erst einmal dem historischen Stadtkern zu und schlendern eher etwas ziellos eine Straße entlang. Im Gegensatz zu Pisa, wo wir eine Belebtheit nur um den schiefen Turm herum wahrnehmen konnten, vor allem durch Touristen, finden wir in Lucca eine Belebtheit der Stadt, die wir angesichts des Datums, Ende August, nicht erwartet hätten. Wir waren der Meinung, alles was Beine hat und nicht vor Ort unbedingt gebraucht wird, versammelt sich irgendwo an der Küste. Ja, auch in Lucca sind einige kulturhistorisch interessierte Touristen aus aller Welt unterwegs. Aber wir beobachten auch ein ganz normales alltägliches Leben in dieser Stadt mit Menschen die hier leben, mit Menschen die hier arbeiten, mit Menschen die einkaufen, mit Menschen die es sich in den Cafés und Bars gut gehen lassen und mit sehr vielen Studenten, denn Lucca ist auch eine Universitätsstadt. Trotz der hohen Temperaturen von weit über 30 Grad ein sehr angenehmes Flair, wenn man im Schatten sitzt. 😉

lucca-3

Wir schlendern durch die Stadt und kommen leicht vom geraden Weg ab. Eigentlich haben wir nach einem Kaffee gesucht und nun stehen wir unvermittelt vor einer Kirche die unsere Aufmerksamkeit erregt. Wir halten es zunächst für die Kathedrale San Martino. Doch nach einer Überprüfung unseres Standortes auf der kleinen Karte, die es am Stellplatz kostenlos gab,  stellen wir fest, dass wir vor der Kirche San Michele in Forno stehen.
In dem gleißenden Licht fällt es uns zunächst gar nicht auf. Ein Blick in Richtung Himmel tut richtig weh in den Augen und so weist uns der kleine Stadtplan darauf hin, das wir vor einer Engelskirche stehen. Hoch oben auf dem First des Kirchenschiffs kann man das eher schemenhaft erkennen. Doch der Zoom holt für uns den Engel heran. – Also, so stellten sich die Menschen im Mittelalter einen Engel vor. Der weicht doch stark von den Engelsdarstellungen des „Kitsch- Barock“ mit Puttenengel & Co. ab. 😉 . So heißt es dann auch in der Bibel bei Engelserscheinungen: „Fürchtet Euch nicht, …“ Man stellte sich damals einen Engel wohl eher als eine kraft- und machtvolle Figur vor.

Wie von Geisterhand werden wir zu einem weiteren Platz geführt. Ein altes römisches Amphitheater bildete die Grundlage für die Piazza dell’anfiteatro. Ohne Reiseführer wäre uns das überhaupt nicht aufgefallen. Heute ist es einfach einen großer Platz in der Stadt und wenn man genau hinschaut so erkennt man auch noch Reste des alten Theaters, die in die heutigen Gebäude integriert wurden. lucca-6-eisAngesichts der Hitze kommt uns ein Eis gerade recht. Die Gelati-Tradition Italiens geht meines Wissens nach auf die Römer zurück. Sie ließen vor 2000 Jahren Schnee- und Eisblöcke im Apennin „ernten“ und nach Rom bringen, wo diese in der „römischen Unterwelt“ den Katakomben gelagert wurden, bis sie, bzw das was noch nicht weggeschmolzen war, zu einem Vorläufer des heutigen Gelato verarbeitet wurden.
Bei diesen Temperaturen ist eine solche Erfrischung immer willkommen 😉

Nun aber zur Kathedrale San Martino. Auch hier sind wir beeindruckt von der Schönheit und der reichen künstlerischen Ausgestaltung der Kirche.

Wir verlassen San Martino, seitlich des Ausgangs an der Wand auf einmal das:

lucca-7-8-kathedrale-san-martino-labyrinthEin eindeutiger Bezug zum „Labyrinth von Chartres“. Wäre es nicht so heiß und wir so müde, dann wären wir noch einmal zurückgegangen, um gezielt nach weiteren Bezügen zu suchen.
Es ist schon früher Nachmittag und inzwischen unerträglich heiß. Wir entschließen uns zurück zu gehen, und das zu tun, was die Italiener um diese Uhrzeit üblicherweise auch tun – ein kühles Plätzchen suchen und möglichst nichts tun.

Es ist ca. 19 Uhr und das Leben ist längst in die Stadt zurückgekehrt, da überkommt uns die „Pizza Lust“. Wir haben auf unserem Rückweg einen kleinen Pizza-To-Go Laden ganz in der Nähe des Stellplatzes entdeckt. Unsere Erwartung ist nicht groß. Doch nach dem die Pizza auf unseren Campingtisch liegt und wir die ersten Bissen vertilgt haben, sind wir uns einig: so eine gute Pizza „Togo“ hatten wir noch nie gegessen und zu einem Preis, den ich angesichts der hohen Qualität für unmoralisch niedrig halte.

lucca-8-1-lucca-bei-nachtFrisch gestärkt schwingen wir uns auf unsere Drahtesel. Langsam beginnt die Dämmerung herein zu brechen und wir haben vor, auf der Stadtmauer mit unseren Fahrrädern die Stadt zu umrunden. Ja, das geht, denn die Stadtmauer ist eigentlich eine Doppelmauer. Der dazwischen liegende Raum ist mit Erde aufgefüllt und so ergibt sich ein großer Rundweg um die historische Altstadt mit einer durchschnittlichen Breite von etwa 15 bis 30 Meter. Das suggeriert dem Betrachter von außen eine sehr dicke Stadtmauer (erkennbar z,B. an den langen Durchgängen der vier Stadttore) die, mit den Augen des Mittelalters betrachtet, uneinnehmbar erscheint. lucca-8-2-lucca-bei-nachtDieser Rundweg um die Stadt ermöglicht einem Einblicke und Perspektiven, die sonst bei diesen historischen Stadtkernen meist nicht möglich sind. Die angelegten Grünanlagen auf der Stadtmauer dienen vielen Studenten als „Lesesaal“ zum studieren von Büchern oder Informationen auf ihren Tablets oder zum chillen. Eine friedlich junge Atmosphäre die wir auf der Stadtmauer wahrnehmen. Einzelne Gebäude an oder ‚auf‘ der Stadtmauer dienen heute als Bar oder Restaurant, wo man zum Abschluss des Tages noch einen Rotwein aus der Region oder auch mehr bei angenehmen 27 Grad im leichten Sommerkleid genießen kann. Das machen wir auch und fallen dann gegen Mitternacht in unsere Kojen.

Lucca hat uns sehr gut gefallen und entschädigt uns für unsere Enttäuschung in Pisa. Rückblickend betrachtet, hätten wir uns noch mehr Zeit für Lucca nehmen sollen und so steht fest: „Lucca wir kommen wieder!“

Vom Fluch und Segen des Schiefen Turm zu Pisa

pisa-3-turmWer kennt ihn nicht, den schiefen Turm?

Es gibt noch mehr schiefe Türme in Italien, wenn man genau hinsieht.
Richtig, der in Pisa dürfte eigentlich gar nicht mehr stehen, er müsste längst umgefallen sein. Und doch, er steht – allen Wissenschaftlern und Bausachverständigen zum Trotz – immer noch.

Als ein italienischer Minister, damals zuständig für die Förderung und Entwicklung des beginnenden modernen Urlaubstourismus, den schiefen Turm zum Logo seiner PR-Aktivitäten kürte, da war es um Pisa geschehen. Keiner konnte damals ahnen, dass diese Entscheidung aus dem schiefen Turm einen Mega-Hot-Spot des internationalen Tourismus machen würde. Heute steht der Schiefe Turm zu Pisa fast synonym für Italien, so wie der Eifelturm für Paris und die Tower Bridge für London steht. Das brachte und bringt natürlich einiges Geld in die Stadt und darüber freut man sich auch.

Man baute einen großen Parkplatz ganz in der Nähe zum Schiefen Turm, damit die Touristen bequem und schnell zu ihrem heiß ersehnten „Must See“ gelangen können. Zwischen Parkplatz und Schiefen Turm positionierten sich die inzwischen legendär gewordenen „fliegenden“ afrikanischen Souvenierhändler als „unüberwindliche Barriere“.

Am Rande des Platzes und in den Straßen zum Arno sind die Restaurants, Trattorias, die Sandwich- und Tabakverkäufer ansässig, die ihr Geschäft machen, während die Touristen auf ihre Einlassuhrzeit für den Turm oder den Duomo Santa Maria Assunta warten.

pisa-8-arnoufer-in-pisaBis auf die andere Seite des Arnos schaffen es nur noch ein Bruchteil der Touristen.

Das ist der Fluch des Schiefen Turms. Pisa wird bei der ganz überwiegenden Mehrheit der Touristen auf den Turm und vielleicht noch den Duomo und die Taufkirche (die im übrigen die größte Taufkirche der Welt ist), reduziert. Und so schnell die Touristen gekommen sind, so schnell sind sie auch wieder weg. Dabei hat Pisa noch einiges mehr zu bieten. Aber dafür müssten die Touristen in ihrem (vorgegebenen) Zeitplan mehr Zeit haben.

Die Zeit hätten sie während der Wartezeit bis zum Einlass auch. Statt dessen beschäftigen sich viele Touristen damit, ein oder mehrere Fotos zu kreieren, bei dem die Liebste oder gar die ganze Reisegruppe das Umstürzen des Turms verhindern. 😈

pisa-7-2-menschenmassenDie Menschenmassen sind einfach überdimensional. Die Aura und die Energie des Platzes oder die im Duomo ist nicht mehr zu erfassen oder zu erfühlen. Während in vielen anderen Städten, die einstmals großzügige Raumaufteilung um diese gewaltigen Sakralbauten herum im Laufe der Jahrhunderte zugebaut wurde, blieb in Pisa diese Großzügigkeit erhalten. Wir haben das „Must See“ abgearbeitet ;-). Es war der verzweifelte Versuch diese Einmaligkeit eines großzügig angelegten mittelalterlichen Ensembles rational wie emotional und spirituell zu erfassen und in seiner ganzen Großartigkeit wahrzunehmen. Das Bild dieser Großzügigkeit ist in unseren Köpfen gespeichert. Ein Gefühl können wir aber, aufgrund der Menschenmassen, nicht damit verbinden. Wir haben es gesehen. Mehr war beim besten Willen nicht möglich und insgeheim haben wir auch nicht mehr erwartet aber touristisch naiv erhofft. – Und nun ist gut!

Den „Rest“ von Pisa haben wir mit dem Rad erkundet. In den verschlungenen Gassen kann man zum Teil nur erahnen wie mächtig diese Stadt einmal war. Eine sehr alte Stadt in der sich Baustile verschiedenster Epochen erhalten haben. Manchmal nebeneinander, manchmal sogar in ein und dem selben Gebäude. Immer wieder wurde angebaut, umgebaut oder erweitert.

Beim Betrachten der Fassaden kommt mir der Gedanke, dass hier nie großflächig umgestaltet wurde. Was noch zu gebrauchen war, wurde weiter genutzt. So haben sich über die Jahrhunderte unermessliche Kunstschätze in dieser Stadt angesammelt, die an und in Gebäuden und in diversen Museen bewundert werden können.

Einen kleinen „spirituellen“ Eindruck vom Duomo erhält man, wenn man zur „Mini-Ausführung“ der Kirche Santa Maria del Spina am Arnoufer fährt. Da hier kaum Touristen sind, bekommt man die Ruhe und die Zeit, um die filigranen Steinmetzarbeiten auf sich wirken zu lassen.

Das entschädigt zwar ein bisschen für den Rummel am Schiefen Turm und im Duomo, aber unser Fazit für Pisa fällt trotzdem enttäuschend aus. Pisa stellt alles was wir an UNESCO Welterbestätten gesehen haben negativ in den Schatten. Wenn das, was hier abgeht, der Preis für diesen UNESCO-Titel ist, dann sollten diese UNESCO-Auszeichnungen sofort wieder abgeschafft werden. Denn dann ist dieser Titel ein geschickt eingefädeltes Marketinginstrument zur Ausbeutung, Entweihung und Kommerzialisierung von Kulturgütern. Das ist nicht Aufgabe der UNO und dafür finanzieren wir auch die UNO nicht mit unseren Steuerbeiträgen!.

pisa-11-aquaeduktAuf der Rückfahrt zu unser Wohnmobil fahren wir ein gutes Stück an einer alten römischen Wasserleitung entlang. Wir sind irgendwie von der gesellschaftlichen Schaffenskraft der alten Römer fasziniert. Was für uns selbstverständlich ist, Frischwasser aus der Wasserleitung, das war zu dieser Zeit eine ingenieurtechnische Meisterleistung. Hut ab! Hier bleiben wir staunend stehen. Auch wenn der Aquädukt heute nicht mehr in Betrieb ist, so erscheint doch vor unserem geistigen Auge ein Bild des Lebens vor mehr als 1000 Jahren. Solch ein „Eintauchen“ in die goldene Zeit der Römer war uns den ganzen  Tag über in Pisa nicht vergönnt. Diese Erfahrung ist für uns ein weiteres Indiz,  dass solche „Auszeichnungen“ wie UNESCO-Welterbestätte eher Fluch als Segen sind und ihr Nutzen dringend hinterfragt werden muss.

Die längste Partymeile Europas – und ihre Schattenseite

Es ist Wochenenende und noch immer August (wo sich scheinbar ganz Italien am Strand trifft). Wir hätten es uns denken können. Alle Stellplätze in Meernähe sind belegt. Nun ist alles klar, es wird eng mit den WoMo-Übernachtungsplätzen.

Doch in Lido di Camaiore haben wir Glück. Auf dem offiziellen Stellplatz ist zwar alles belegt, doch direkt nebenan befindet sich ein Parkplatz für Pkws an der Rückseite eines 5 Sterne Hotels. Hier stehen schon einige Wohnmobile, die wohl auch vor verschlossener Schranke standen und hierher ausgewichen sind. An der Einfahrt befindet sich der Hinweis „No Camping“ dies  scheint aber niemanden zu stören. Uns nun auch nicht. Wir werden bald erfahren warum die Polizei, wenn sie vorbeifährt, immer in die andere Richtung schaut. 😉

lido-di-camaiore-1
Lido di Camaiore – „Strandpromenade“

Zunächst aber erst einmal ans Meer! An der Uferstraße reihen sich die Bagnos (Strandbäder) auf wie Perlen auf einer Schnur. Egal in welche Richtung wir uns bewegen, ein Blick aufs Meer ist nur schwer zu erhaschen. Jetzt zur Nachmittagszeit scheint hier alles noch verschlafen zu sein. Die Parkplätze sind zwar gut gefüllt, doch der Verkehr an der Promenade hält sich in Grenzen. Anders an der Grenzlinie zwischen Meer und Strand. So weit das Auge reicht: Horizont, Wasser, Sand und Menschen. Das was Italiener im Augusto so lieben. Frühestens um 10 Uhr an den Strand, braten und chillen im Bagno unter Sonnenschutz-einrichtungen, ab und an einen Strandspaziergang machen und wenn es gar zu heiß wird, den Body im Meer abkühlen. Wem das zu langweilig ist, der geht am nächsten Tag in ein anderes Bagno, in dem die Gäste mit gutem Essen, Strandbarromantik oder mit sportlichen Wasser- und Land-Bespaßungsangeboten unterhalten werden. Die, die dafür noch keinen Animateur brauchen, sieht man dann auch schon mal in Joggingschuhen und Jogging-Dress die Strandpromenade bei 35 Grad+ hinauf und hinunterhetzen. Natürlich, wie es sich für einen Italienet gehört, immer mit Knopf im Ohr und I-Phone mit Fitnesssensor am Oberarm mit Gummiband fixiert.😂

Der Bär beginnt erst zu toben, wenn sich die Sonne wieder dem Horizont nähert. Dann aber richtig.

viareggio-7-strandleben
Viareggio – Seaside: Sand, Wasser, Menschen

Am frühen Abend verschwinden die Strandschönheiten für kurze Zeit, um sich aufzubrezeln. Dann werden die Ferraris, Masseratis und Lamborghinis aus den Garagen für den nächtlichen Showcorso geholt und die Auspuffanlagen werden schon einmal vorgeröhrt und -geglüht. Je dunkler es wird um so mehr (meist Italiener) sind auf den Beinen. Mit Kind und Kegel, so scheint es.

Gut, ich übertreibe ein bisschen. Das ist eher der Standard in Viareggio. In abgespeckter Form gilt es aber für die gesamten 40km, die sich allabendlich in den Sommermonaten zur längsten Partymeile Europas verwandeln.

Und nun die Schattenseite:

Die Aufbrezelzeit ist vorbei und die uns umgebenden Italiener sind schon längst auf dem Catwalk unterwegs. Mehrere uralt PKWs, mit den noch ganz alten schwarzen italienischen Autokennzeichen, fahren auf den Parkplatz. Dass diese Dinger überhaupt noch fahren, grenzt an ein Wunder. Bei diesen mindestens 30-40ig Jahre alten Vehikeln gilt wohl die alte VW-Käfer-Regel: was nicht dran ist, das kann auch nicht kaputt gehen.

lido-di-camaiore-2-fluechtlings-womosSie stellen sich in die verbliebenen Zwischenräume die die Wohnmobile noch frei gelassen haben und die Insassen beginnen nach und nach den Fahrzeuginhalt auszuräumen. Es sieht so aus, als ob sie ihre gesamte Habe aus dem hinteren Teil des Fahrzeugs in den vorderen umräumen oder im nahen Gebüsch verstecken. Und tatsächlich die Fahrzeuginsassen richten sich improvisierte Schlafkojen ein. Sie sind von Erscheinungsbild her Nordafrikaner. Man hat sich ja schon an die meist illegalen Strandverkäufer von Sonnenbrillen, Hüten, Schals, Strandbekleidung und inzwischen auch „Selfy Sticks“ gewöhnt, die kennt man schon seit 30ig Jahren. Doch das sind meist Schwarzafrikaner. Diese scheinen mir eher Lybier, Ägypter, Algerier oder Marokkaner zu sein. Flüchtlinge?

Menschen, die vor zwei oder drei Jahren noch die Insel Lampedusa und die italienischen Küsten „überschwämmten“? Damals erklärte unsere Regierung das, mit dem Verweis auf  „europäische Verträge“, zum inneritalienischen Problem, bevor auf einen Schlag mehr als 900 Menschen an einem Tag im Mittelmeer versanken. Sind das diese Menschen?

Mir erscheint das so. Es sind, wie sich später herausstellt, Menschen die ihre Hilfsdienste in den Strandbetrieben anbieten und für einen Hungerlohn versuchen, sich existentiell über Wasser zu halten. Die, die jetzt Party machen, können das nur, weil es auf der anderen, der unsichtbaren Schattenseite, diese Menschen gibt, die die Drecksarbeit machen und dann noch in völlig ungeeigneten Fahrzeugen auf dem Parkplatz „wohnen“. Sie kochen dort mit CampingGaz-Kochern, breiten ihren Gebetsteppich aus, gehen dort ihren religiösen Ritualen nach und nutzen die Infrastruktur des gegenüber liegenden Wohnmobilstellplatzes für rudimentäre Körperhygiene und zur Verrichtung ihrer Notdurft.

Nun ist uns klar, warum die Polizei, immer wenn sie vorbeikommt – und das tut sie während unserer Anwesenheit oft – immer „zufällig“ zur anderen Straßenseite schaut. Diese armen Menschen sind schon zu bedeutend für das perfekt funktionierende Bespaßungssystem vorne am Strand geworden. Auch dort am Strand ist der Preis ein bedeutendes Wettbewerbsargument. Wenn an der Preisschraube nicht mehr gedreht werden kann, dann kann der Profit nur durch drücken der (Lohn-)kosten noch erhöht oder erhalten werden. Und damit sich an der „schönen heilen Welt“ auch ja nichts ändert, wird eben auch „offiziell“ weggeschaut!

viareggio-6-promenade
Viareggio – Strandpromenade

Die meisten dort vorne auf der Partymeile ahnen nicht einmal etwas von dem, was sich an den versteckten Plätzen in der dritten oder vierten Straßenreihe, abseits der Strandpromenade, abspielt. Und die, die doch etwas mitbekommen, wie so manche unserer Parkplatznachbarn, die wollen das vielleicht auch gar nicht so genau wissen. Es ist ja schließlich Urlaubszeit und zu der passen keine Probleme, die man durch den eigenen Hunger nach Party irgendwie vielleicht auch selbst ein wenig mit verursacht hat.