Senftenberg: Eine Urlaubsregion entsteht.

Auf dem Weg vom Spreewald nach Dresden, von wo aus wir ins Elbsandsteingebirge fahren wollen, machen wir einen Zwischenstopp in Senftenberg. Senftenberg liegt im Lausitzer Seenland. Dieses Seenland ist, bzw. wird das größte künstlich geschaffene Seengebiet Europas. Was uns hier erwartet? Keine Ahnung!

Als ahnungsloser Wessi hat man vom Braunkohletagebau gehört. Und dass dieser aus Umweltschutzgründen so schnell wie möglich stillgelegt werden soll, das weiß man auch. Wenn man nicht aus einer Tagebergbauregion kommt, hat man nur eine sehr diffuse Vorstellung, was das für eine Region und ihre Menschen bedeutet. Einen ersten Vorgeschmack auf das, was nach dem Bergbau kommt, haben wir schon in Lübbenau bei einer Radtour in Augenschein nehmen können. Wie eine Renaturierung irgendwann mal aussehen könnte, kann ich mir in Lübbenau aber noch nicht wirklich vorstellen.

Bei einer Radtour rund um den Senftenberger See, können wir uns ein Bild von einer solchen Entwicklung machen. Hier ist man schon einen großen Schritt weiter.

Der geflutete Tagebergbau mit größeren Wasserflächen bietet sich als Freizeitzentrum für Wassersportler an. Denkt man eine Nummer größer, dann lässt sich ein ganz neuer Wirtschaftszweig im Bereich des Tourismus entwickeln. Genau das scheint man hier vor zu haben.

Am Stadtrand ist eine Art Steilufer entstanden, die in Teilen schon fast wie natürlich gewachsen aussieht. Auch der neue Stadthafen ist für Bootssportler attraktiv. Wassersport und Badeangebote haben sich rund um die Liege- und Freizeitwiesen etabliert. Auch zwei Wohnmobilstellplätze sind hier zu finden, die voll belegt sind. Wir sind überrascht wie viel touristisches Treiben hier stattfindet. Immerhin ist keine Schulferienzeit.

Einmal um den Senftenberger See

Wir übernachten auf einem Wohnmobilstellplatz etwas außerhalb. Von dort aus umrunden wir den Senftenberger See mit den Fahrrädern. Hier ist schon ein sehr gutes Radwegenetz entstanden. Das können wir an der guten Ausschilderung erkennen. Abzweigungen sind immer klar erkennbar. Wenn es überall so ist, dann reichen Übersichtskarten vollkommen aus, um sich sicher zu orientieren.

Zunächst führt uns unser Weg in die Stadt. Da wir wieder Proviant auffüllen müssen, freuen wir uns, dass Markttag ist.
Wie schon so häufig im Osten finden wir hier eine Marktstruktur vor, die wir bei uns nicht mehr kennen. In Süddeutschland findet sich eher der „Bauernmarkt“, angereichert mit Ständen weiterer Lebensmittel – von Brot über Honig bis zu Fleisch und Wurstwaren. Bekleidung, Schuhe oder Haushaltswaren sucht man bei uns meist vergeblich. Nicht so hier im Osten. Das erinnert uns sehr an die Wochenmärkte in Italien, wo man wirklich alles bekommen kann, bis auf lizensierte Produkte, wie Tabakwaren oder pharmazeutische Produkte.

Die Markttage bringen Leben in die Stadt. Für uns sind diese immer besonders interessant, denn wir können den Menschen, ohne neugierig zu wirken „aufs Maul“ schauen und den ungezwungenen, typischen Umgang miteinander beobachten. Und bevor wir uns umschauen, sind wir in ein Gespräch mit den Einheimischen verwickelt. WoMoline ist dafür Spezialistin. Sie hat auf diese Weise schon so manchen Insidertipp bekommen. 😊😘💖

Senftenberg hat sich schon zu einem Erholungsort entwickelt. Vieles ist instandgesetzt, aufgehübscht, und neu entstanden – wie zum Beispiel der Stadthafen. Um Senftenberg herum entsteht mit dem Lausitzer Seenland zwischen Berlin und Dresden eine neue Wasserlandschaft. Seit einigen Jahren erhält die ehemalige Tagebaulandschaft ein neues Gesicht mit tiefblauen Farbtupfern. Es entsteht die größte zusammenhängende Seenlandschaft Europas mit insgesamt 23 größeren Seen.

Wir verlassen Senftenberg. Die verschiedenen Seen, die hier entstehen werden mit Kanälen verbunden, sodass ein Wasserstraßennetz entsteht. Wo erforderlich, gibt’s dann auch schon mal einen Bootstunnel.

Etwas weiter ist ein Ferienresort mit Clubcharakter entstanden, das sich wohl stark an der Zielgruppe Familie mit Kindern ausrichtet. Das riesige Areal, im Wald gelegen, bietet sowohl Camping, Mobilheime bzw. Ferienhäuser als auch ein Hotel an. Am Seeufer erinnert der Sandstrand an Klassiker wie Bibione oder Rimini. Es ist alles vorhanden was für einen Familienurlaub nötig ist. Wie für Cluburlaub typisch gilt: Einmal angekommen, braucht man das umzäunte Gebiet nicht mehr zu verlassen.

Es ist ein Touristik Konzept, dessen Vorbild aus Spanien, Italien, Türkei und Anderswo stammt. Nur die Anreise ist kürzer und der südländische Flair fehlt. Und der kilometerlange Strandspaziergang wird durch einen Zaun und ein Verbotsschild nach wenigen 100 Metern unterbunden.

Die Wege führen zum Teil sehr weit entfernt vom Ufer durch den Wald. Geschätzt, weit mehr als die Hälfte des Seeufers darf nicht betreten werden. Zum einen wurden Schutzzonen für Biotope ausgewiesen und zum anderen sind weite Bereiche der Uferzonen wegen instabilen Geländeformationen im Uferbereich abgesperrt. Wirklich attraktiv und abwechslungsreich ist, so weit entfernt vom Wasser, die Fahrt durch den Wald nicht.

Aber dann treffen wir auf ein kleines Areal, das ein Meer oder See-Feeling aufkommen lässt. Die Infrastruktur ist hier ein Toilettenhäuschen mit angeschlossener Imbissbude und so weit wir das beurteilen können drum herum wilde Parkerei an Straßenrand. Das hat schon etwas Nostalgisches und erinnert mich an meine Kindheit. Mit dem Käfer über den Großglockner nach Kärnten an einen See. Imbissbude war schon Luxus. Mehr brauchten wir nicht.

Es wird noch eine lange Zeit brauchen, bis aus diesem Gebiet eine wirkliche Ferienregion wird. Man kann alles Mögliche hinbauen, was für eine solche Ferienregion notwendig ist. Die Menschen aber in dieser Region sind geprägt vom Bergbau und der Energieerzeugung. Es wird sicher ein, zwei Generationen dauern bis die Produktionsmentalität sich in eine Dienstleistungs- bzw. Tourismusmentalität verändert hat. Der Unterschied zu einem traditionellen Tourismusgebiet, wie dem Spreewald, ist auf Schritt und Tritt spürbar. Solche Veränderungen gehen eben nicht von heute auf morgen.

Vielleicht ist es ja auch langfristig von Vorteil, sich nicht an Ballermann und Ischgl zu orientieren.

Kurz vor Beendigung unserer Rundfahrt begegnet uns an einem Campingplatz dieses Wohnwagengespann.

Nachdem wir hier, wie zuvor schon im Spreewald, die Erfahrung machen, dass nach dem langen Lockdown die Menschen einfach heiß auf Tapetenwechsel sind, geben wir das Ziel ins Elbsandsteingebirge zu fahren auf. Stattdessen machen wir uns am nächsten Tag auf, in Richtung Weimar und Erfurt.

Unser Kalkül: da, wo die Menschen, die jetzt in den Urlaubsgebieten sind, herkommen (die aus den Städten), dort müsste es doch angenehm ruhig sein. 😊

7 Gedanken zu “Senftenberg: Eine Urlaubsregion entsteht.

  1. Wir waren 2016 auch dort mit dem WoMo und waren von den Radwegen begeistert. Alles so schön neu 👍😀 Aber für mehr als 3 Tage war zu wenig geboten. Bis diese Region mit der Müritzer Seenplatte mithalten kann, dauert es noch …. Deine Fotos haben Erinnerungen wach gerufen. LG Sigrid

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    • Alles neu, alles durchdacht, alles durchgeplant, da bleibt ein wenig das Unerwartete, das Überraschende auf der Strecke. Das ist uns auch aufgefallen. Es fehlen irgendwie die Kuriositäten und besonderen Blickwinkel die in der Erinnerung wach bleiben. In der Sprache von Fotokünstlern oder Malern ausgedrückt, würde ich sagen, es fehlt noch der goldene Schnitt.

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  2. Ich habe vor der Wende tatsächlich ein paar Jahre in Senftenberg gelebt. In diesem Sinne wieder herzlichen Dank für die Bilder. Ich war echt lange nicht dort.
    Ich denke, dass es dort schon so weit vorangeschritten ist mit der Rekultivierung, liegt wohl daran, dass man schon damals angefangen hatte, das Baggerloch volllaufen zu lassen. Den Zeltplatz gab es schon. Und die Firma, für die mein Vater gearbeitet hat, hatte an dem See schon ein Kinderferienlager. Ich denke, das waren gute Startbedingungen. Trotzdem finde ich es toll, dass Du es so positiv sehen konntest. Das ist gut für die Menschen dort und für alle, die in der Nähe Erholung suchen.
    Ob man die „Schmuddelecken“ zeigen sollte, weiß ich auch nicht. Aber ich würde sagen, da sie jede Stadt hat, warum nicht. Andererseits ist es ja auch die Frage, was man damit bezweckt. Prinzipiell würden sie (aus meiner Sicht) zu einem abgerundeten Bild dazugehören.

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    • Na so ein Zufall, dass du dort sogar einmal gelebt hast. Ich denke du hast das Eine oder Andere wiedererkannt.
      Für mich ist es immer wieder interessant, meine Erinnerungen mit der Realität zu vergleichen, wenn ich in einer Region oder Stadt komme, in der ich lange Zeit nicht gewesen bin. Dabei bin ich immer wieder überrascht, wie gut ich mich dort wieder zurecht finde, obwohl sich sehr vieles verändert hat.

      So eine Renaturierung dauert sehr sehr lange. So ein vollgelaufenes Baggerloch ist ja zunächst einmal nur ein totes lebensfeindliches Gewässer – eine schwarze, saure, stinkende Brühe. Daraus wieder einen ansprechenden Lebensraum zu machen, das ist schon eine Generationenaufgabe – und Gott sei Dank, die Natur hilft dabei kräftig mit, indem sie sich zerstörten Lebensraum zurückholt.

      Was du über die „Schmuddelrcken“ sagst, sehe ich grundsätzlich genauso. Es hätte aber in diesem Fall, die Anerkennung der Wieder-Aufbauleistungen entwertet. Das empfand ich für nicht angemessen.

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      • Ja, vermutlich ist das mit den Schmuddelecken dann immer auch eine intuitive Entscheidung. Ein knapper Hinweis reicht dann ja auch. Warum muss man auch alles immer in Bildern festhalten.
        Volllaufenlassen reicht nicht, das stimmt wohl. Ich erinnere mich, dass es anfangs Diskussionen gab, weil das Wasser wohl zu sauer war uns einige davon Ausschläge bekamen. Da ich nicht so die Bademaus bin, war ich zwar dran, aber nicht drin. Also weiß ich es nicht aus eigener Erfahrung.
        Und ja, ich habe einiges wiedererkannt. Dort auf dem Markt, da war an der Ecke ein Frisör. Da ich so selten hingehe, hatte sich das wohl besonders eingebrannt ***lach***

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    • Es gibt in Senftenberg auch ein paar andere Ecken. Ich bin da immer im Zweifel, ob ich dies darstellen soll oder nicht.
      Einerseits möchte ich die Anstrengungen und Leistungen würdigen und zeigen, andererseits will ich die Schattenseiten auch nicht verschweigen.
      Diesen Fall habe ich mich fürs Weggelassen entschieden. 😉
      LG

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