
Loreto ist ein Wallfahrtsort. Dementsprechend fließt viel Geld in die Gemeinde und der Ort hat sich auch entsprechend herausgeputzt. Alles renoviert, alles tip top sauber, eben so, wie man Gäste begrüßen möchte. Dabei geht allerdings der etwas morbide Charme einer belebten italienischen Stadt verloren, wo es dazu gehört, dass auch mal die Farbe von den Fensterläden abblättert, oder schon etwas Putz aus der Fassade herausgebrochen ist, wo sich schon mal lautstark quer durch die Gassen unterhalten wird, oder wo sich die Bambini auch noch um halbzehn Uhr abends ein Wettrennen mit ihren Sitzrollern liefern.
Um das tägliche Leben hier in dieser Region zu erleben, muss man sich einen der umliegenden Hügel aussuchen und möglichst an einem Markttag besuchen. Das tun wir. Wir fahren in den Ort Osimo, der in Sichtweite zu Loreto liegt.
Wir finden recht schnell, in unmittelbarer Nähe zum historischen Stadtkern, einen geeigneten Parkplatz für unser Wohnmobil. Von dort müssen wir noch ein Stück den Berg hinauf und betreten die historische Kernstadt. Bald sind wir inmitten des Markttagtrubels angelangt. Wir genießen das Treiben und schwimmen sozusagen auf dieser Welle der Geschäftigkeit durch die Stadt. So spült es uns auch in mehrere Kirchen. Dabei überrascht uns, wie viele Menschen während des Markttreibens die Kirche betreten und im stillen Gebet Zwiesprache mit etwas Höheren halten.
So schnell mal ein „Vater Unser“ in den Himmel schicken, zwischen dem Einkauf von einem Brot und ein paar Socken. Religiöses Leben ist hier im Alltag noch präsent. Es ist genau so präsent wie die Gebetszeiten in muslimischen Staaten wo der Muezin zum Gebet ruft. Hier geschieht das mehr in Eigenverantwortung und ohne sozialen Gruppendruck. Aber die Bedeutung spiritueller Rituale im öffentlichen Leben erscheint mir hier ähnlich bedeutungsvoll zu sein, wie in so manchem fundamentalistisch geprägten islamischen Land.
Das ist für mich ein deutliches Indiz, dass die Menschen hier nicht in dieser nordeuropäischen Nüchternheit leben, sondern sich vielmehr als einen Teil von einem größeren Ganzen betrachten. Auch in den anderen Kirchen, in die wir hineinschauen,wird uns das bewusst.
Andächtig betrachten wir die Kunstschätze, als sich ein Geistlicher zu uns gesellt, der, als er entdeckt, dass wir keine Einheimischen und zum Gebet eingetreten sind, uns unter seine Fittiche nimmt. Er spricht kein deutsch, er spricht kein Englisch, er spricht nur italienisch, dessen wir nicht mächtig sind. Doch er schafft es mit seiner liebevollen Art, uns all die Informationen zu „seiner Kirche“ zu vermitteln in der er, wie wir erfahren, seit bald 40 Jahren „Dienst“ tut. Dabei zieht er alle Register. Von Zeichensprache über seine Muttersprache, durch Zeigen und Benennen, bringt er erstaunlich viel Information herüber. Er geht auf in dieser Aufgabe, seine Kirche zu erklären. Dort wo es nun wirklich sprachlich nicht mehr weitergeht, springt er mit einem „uno momento“ quer durch das Anwesen und kehrt kurze Zeit später wieder mit einer übersetzten Beschreibung für deutsche Touristen zurück.
Nach weit mehr als einer dreiviertel Stunde verlassen wir die Kirche wieder, mit einem ganz persönlichen Segen des Partre, den er uns mit auf unseren weiteren Reiseweg gibt.
Das ist das Kontrastprogramm zu Loreto, dass wir noch häufiger auf unserer nun beginnenden Rückfahrt über die Hügel Richtung Norden erleben werden. Das ist das Italien, dass in keinem Reiseführer beschrieben steht. Das ist das wirkliche Italien, nicht das Klische-Italien, wie es in Rimini oder Bibione und anderen Touristenorten zelebriert wird. Wir sind dankbar, dass wir uns in den nächsten Tagen noch mehr von dieser Lebensfreude, von dieser Lebensenergie und dieser Verbundenheit anstecken lassen dürfen. Wir „atmen“ diese Lebenszufriedenheit ganz tief ein, in der Hoffnung, davon ganz viel mit nach Hause nehmen zu können.
Wie freundlich von dem Padre, das war bestimmt ein schönes Erlebnis Und nun fahrt ihr mit seinem Segen und Lebensfreude im Gepäck weiter und wir dürfen daran teilhaben. Dankeschön dafür, eure Beschreibungen und Fotos sind sehr schön.
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So einen Segen sollte man nie ablehnen, man weiß nie wofür man ihn braucht😉. Im ernst, der Padre war wirklich lieb und menschenzugewandt.
Und Danke für das Lob…
LG WoMolix
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