Für den Vatikan haben wir uns einen ganzen Tag auf unserer Reise reserviert. Es ist Mittwoch. Woran wir an diesem Tag nicht gedacht haben ist, dass Mittwochs immer die Generalaudienz auf dem Petersplatz stattfindet, sofern der Papst in Rom weilt. Dann ist eine Besichtigung des Petersdoms nicht vor 13 Uhr oder 14 Uhr möglich. Das hatten wir bei unserer spontanen Entscheidung am Morgen nicht auf dem Schirm. Schon in der Metro Menschenmassen ohne Ende. Nach dem Verlassen der U-Bahn werden wir in einem Strom von Besuchern förmlich in Richtung Vatikan geschoben. Mir ist das schon unangenehm. Es gibt keine Chance den Verkäufern von Besichtigungstouren zu entgehen. Zielsicher sprechen diese Verkäufer in der korrekten Muttersprache ihre „Opfer“ an, denen sie einen Exklusivzugang zum Petersdom nach 14 Uhr und zu den Vatikanischen Museen suggerieren – für 120 € versteht sich. Einer der Verkäufer versucht uns sogar weiszumachen, dass die Sicherheitsleute, die den Zugang zum Petersplatz abriegeln, hoffnungslos überlastet seien, aber er uns einen Weg daran vorbei ermöglichen kann.
Ob sich das Angebot lohnt oder nicht kann ich nicht sagen, denn ich hatte schon in meiner Recherche vor Reiseantritt von diesen „Besichtigungstouren“ gelesen. So war ich nicht überrascht und wusste, dass ich auch so nach 14 Uhr in den Petersdom gelangen würde. 120€ gespart! Es kommt aber ganz anders, dazu später mehr.
Die Shopping-Meile im Vaticano International Airport
Nachdem uns der dritte Straßenverkäufer versucht einen solch exklusiven Privatführer unterzujubeln, entschließen wir uns nicht mehr mit dem großen Strom der Menschen mitzulaufen. Wir biegen in eine der Seitenstraßen ab und nehmen erstmal die neueste Priestermode in Augenschein. Hier gibt es alles was das Priesterherz begehrt. Aus den edelsten Stoffen Sultanen, Ausgehkleidung, feinste Hemden, Maßschuhe alles für den modebewussten Priester. Auch das exklusive Reisemessbesteck im edlen Koffer ist für einen erklecklichen Geldbetrag zu haben. Die Kurie war noch nie ein Armenhaus und so finden sich hier Dutzende von Läden die alles anbieten was die Geistlichkeit benötigt. Nur die Namen der Läden tragen nicht die uns sonst so bekannten Namen wie Gucci, Benetton, Armani, Louis Vuitton… sie haben aber die gleichen Preise.
Ziemlich in der Mitte zwischen Engelsburg und Petersdom treffen wir auf die Strasse, die die beiden Gebäudekomplexe verbindet, die Via della Conciliazione. Sicher hat jeder diese Perspektive schon einmal im Fernsehen gesehen. Das ist aber kein Vergleich zu dem realen 3D Eindruck.
Wie staunende kleine Kinder lassen wir dieses Panorama auf uns wirken.
Auch Vaticano Airport erfüllt alle gängigen Sicherheitsstandards im internationalen Flugverkehr
Wir erreichen die Piazza San Pietro – den Petersplatz. Die Kolonnaden werden mittlerweile als Sicherheitsschleuse für den „Vatikano International Airport“ genutzt. Hunderte von zivilen Sicherheitsleuten versuchen den Ansturm der Gläubigen so zu kanalisieren, dass ein geordneter Zugang zur Generalaudienz möglich bleibt. Sie sind darauf bedacht, dass es vor den Durchleuchtungstationen und Metalldedektoren und den Punkten zur Leibesvisitation und zusätzlicher Gepäcksichtkontrolle der Strom von Gläubigen nicht zum Stillstand kommt.
Bleibt man dennoch stehen, um z.B. ein Foto zu schießen wird man sofort von den zivilen Sicherheitskräften aufgefordert weiterzugehen. Stillstand scheint für die Sicherheitsleute ein Anzeichen für „Gefahr“ zu sein.
Die Sicherheitskräfte sind extrem nervös, aber nicht unfreundlich. Im Gegensatz zu anderen Hotspots in Rom sieht man im Vatikanstaat nur italienische Polizei, die auch im Vatikanstaat für Ordnung sorgt. Kein italienisches Militär, wie im „Rest“ von Rom. Das liegt wohl an der staatlichen Souveränität des Vatikanstaats. Dafür gibt es dann wohl die zivilen Sicherheitsleute.
Wir fühlen uns wie auf dem Flughafen mit Open Air Abfertigungshalle. So taufen wir den Petersplatz um in: Vaticano International Airport. Das passt doch auch irgendwie und der Stadthalter des lieben Gottes verteilt ganz vorne gerade die Bordkarten für den Flug nach „Himmel“ bei der Generalaudienz. 😁😁😁
Die Terrorgefahr ist allgegenwärtig
Wir haben noch drei Stunden, bis wir den Petersdom besichtigen können. Wir kommen auf die Idee, dass wir doch einmal den Vatikanstaat umrunden könnten. Das Staatsgebiet eines Staates in nur einem Tag zu umwandern, das ist nur bei ganz wenigen Zwergstaaten möglich. Warum eigentlich nicht?
Wir verlassen wieder den Vatikanstaat. Beim Blick zurück richte ich meine Kamera mehrfach in Richtung der postierten Sicherheitsdienste und des Militärs aus. Das war keine gute Idee. Im Laufschritt, mit einer Maschinenpistole im Anschlag, stürmt mir ein italienischer Soldat entgegen und fordert mich in schlechtem englisch unmissverständlich auf alle Bilder zu löschen. Ein zweiter Soldat beobachtet uns mit grimmigem Gesicht aus etwa 30 m Entfernung, während ein Dritter in größerer Entfernung besonders aufmerksam das Geschehen in der Umgebung beobachtet, beide ebenfalls mit Maschinenpistole bewaffnet. Jetzt wird mir endgültig klar in welch angespannter Sicherheitssituation wir uns befinden. Ich bin erinnert an die Zeit der Anschläge der RAF Ende der 70er und in den 80er Jahren. Nervöses Militär, nervöse Polizei, Misstrauen bestimmt die Atmosphäre. Jeder könnte ein böser Zeitgenosse sein – ein Terrorist. Die Angst beherrscht die Sicherheitskräfte, die im Ernstfall als erste zur Zielscheibe werden. Es ist die Angst vor einem unsichtbaren Phantom.
Ich beginne zu verhandeln und zeige den Soldaten meine letzten Bilder, die ihm beweisen sollen, dass ich keine Sicherheitskräfte und Sicherheitsmaßnahmen fotografiert (und auch keine Videos angefertigt) habe. Habe ich aber doch. Noch drei Bilder weiter zurück und meine Speicherkarte wäre wohl gelöscht worden. So hatte ich aber Glück.
Nachdem uns auch in Rom und anderswo (z.B. in Pisa) massivste Polizei und Militärpräsenz aufgefallen war, zeigt uns dieser Vorfall, dass die Zeiten für völlig unbeschwerte Kulturreisen erst mal vorbei sind. Auch wenn uns unsere Politiker immer wieder dazu auffordern, uns vom Terror nicht beeinflussen zu lassen, unsere Lebensweise nicht zu verändern, und trotzig so weiterzumachen wie bisher, kann das nicht darüber hinweg täuschen, das Unbeschwertheit, Lebensfreude, Reisefreiheit und ein positives Lebensgefühl unter dem Terror leiden. Die daraus resultierende „Hab-Acht-Haltung“ in unseren Köpfen lässt auch Barrieren in unseren Zusammenleben entstehen.
Ein bitteres Zwischenfazit unserer Reise, das wir hier ziehen müssen.
Impressionen von Petersplatz und der päpstlichen Generalaudienz
So inszeniert sich eine Weltmacht, die jedem klar macht, „Du bist klein“ und will sagen: „Beuge dein Antlitz vor mir!“. Dies ist ein Statement, das auch durch die Bauten römischer Kaiser beabsichtigt war. Uns wird bewusst, wie grandiose Architektur das eigene Selbstverständnis zum großen Ganzen massivst beeinflusst. Die Mächtigen der Welt haben dies zu jeder Zeit zu nutzen gewusst. Das war bei den Ägyptern so, bei den Griechen, Assyrern, Atzteken, Majas und Chinesen und das ist auch so in der Neuzeit, wie z.B. beim Weißen Haus oder dem Bundeskanzleramt in Berlin – um nur zwei Beispiele zu nennen.
Auch wenn das Procedere der Generalaudienz ganz traditionalistisch abläuft, ganz wird auf Moderne Technik doch nicht verzichtet. Dank Public Viewing auf dem Petersplatz können wir nun auch behaupten: „wir haben den Papst gesehen.“ 😉
Der erste Regen seit drei Monaten
Wir verfolgen weiter unseren Plan, den Vatikanstaat zu umrunden. Es ist zwar der erste wolkenbedeckte Tag seit langem, aber nach Regen sieht das bisher noch nicht aus. Wir bewegen uns außerhalb des Vatikans an der Mauer, die fast den ganzen Vatikan umschließt auf eine Anhöhe. Hinter der Mauer, die den Vatikanstaat umschließt befinden sich die vatikanischen Gärten mit einem Hubschrauberlandeplatz, was wir aus einigen sichtbaren technischen Einrichtungen schlussfolgern können.
Binnen weniger Minuten wird der Himmel bedrohlich dunkel. Zuerst geben die Wolken ein paar Tropfen und dann einen richtig dicken Wasserschwall frei. Wir können uns gerade noch in einen Hauseingang retten um nicht ganz durchgeweicht zu werden. Der erste Regen seit drei Monaten, wie wir vom Hausmeister erfahren. Er gewährt uns Unterschlupf wie auch einigen anderen Passanten. Für die nächsten zweieinhalb Stunden schüttet es wie aus Kübeln. Dazu kräftige Blitze und der Donnerschlag ist auch nicht von schlechten Eltern. Innerhalb weniger Minuten ist aus einem zwar bedeckten aber durchaus freundlichen Sightseeing Tag eine Weltuntergangsstimmung entstanden.
Der Hausmeister, dessen heutiger Arbeitsplan ganz offensichtlich durch den starken Regen außer Kraft gesetzt wird, nimmt sich die Zeit uns viele wertvolle Tipps für unsere Romerkundung zu geben. So wird die erzwungene Regenpause noch zu einer recht kurzweiligen Veranstaltung für uns.
Langsam wird der Regen etwas schwächer. Als wir uns entschließen den Weg in Richtung U-Bahn anzutreten ahnen wir noch nicht, dass wir am Ende an der U-Bahnstation pitschnass ankommen werden. So fällt der restliche Vatikan Besuch an diesem Tag den ersten Regen nach dem Hochsommer zum Opfer.
Was haben wir verpasst?
Doch bei Heinz und Christine, deren Romartikel wir schon im letzten Beitrag vorgestellt haben, können wir nachlesen was uns durch diese Regenunterbrechung entgangen ist untert dem Titel:
Wir machen weiter
Von:
„Was machen wir heute?“ frage ich den Käptn, während ich im Reiseführer blättere. „Ist mir egal!“ und dann schiebt er noch – wie meist – „was du willst“ hinterher.
Ich denke nach: Heute ist Dienstag, der 4. Oktober. Ein ganz normaler Arbeitstag für die Römer. Also stürmen die schon mal nicht die Sehenswürdigkeiten. Alle Museen sind heute geöffnet. Da gehen die Touristen wenigstens nicht verstärkt in die Vatikanischen Museen, die auch montags zugänglich sind. Zudem ist schönes Wetter, da verteilen sich die Besucherströme auf drinnen und draußen. „Vielleicht sollten wir heute mal in den Vatikan gehen?“
Der Käptn ist sofort einverstanden. Schließlich ist die „Schaltzentrale Gottes“ für ihn ein Hauptgrund, Italiens Hauptstadt zu besuchen.
Blick über den Tiber zum Petersdom
Und so machen wir uns nach dem Frühstück auf den langen Weg mit Bus, Bahn und Metro bis zur Station Ottaviano-San Pietro. Tatsächlich ist die Metro A heute nicht ganz so überfüllt wie bei unserem Besuch am Sonntag und der Besucherstrom in Richtung Vatikanstadt ist erträglich. Weiterlesen →
Es wäre schön wenn ihr, liebe Leser/innen, die Seiten von Heinz und Christine besucht und ihnen ein „Like“ schenkt oder eine kleine Anerkennung in ihr Logbuch schreibt. 😉
Das sieht man an Venedig. Zum einen werden immer größere Proteste gegen die Umweltverschmutzung und Zerstörung durch die Touris und die riesigen Kreuzfahrtschiffe laut – zu Recht, wie ich finde. Zum anderen will man aber auch auf das Geld, das die Besucher/innen der Lagunenstadt bringen, nicht verzichten.
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Zum Glück fanden meine drei Romreisen und Besuche des Vaticano International Airport – ein herrlicher „Spitzname“! 😆 – zu einer Zeit statt, als die Angst vor vermeintlichem Terror und die Polizeipräsenz vor Ort noch nicht so bedrückend und hysterisch gewesen ist.
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Vielleicht führt das wieder dazu, dass die Menschen nicht nur zu den touristischen Top-High-Lights reisen, sondern auch wieder die versteckten Perlen auf der Welt suchen gehen. 😉
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Und vielleicht erkennen die Menschen in Rom, Venedig und an anderen touristischen „Brennpunkten“ alsbald, dass sie sich mit einer solchen Hysterie letztendlich gewaltig ins eigene Fleisch schneiden. 😉
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Ich glaube, das erkennen schon sehr viele, insbesondere die, die von der Touristenflut nicht profitieren und die Nachteile ausbaden müssen. Doch auch die haben keine überzeugenden Ideen, wie man aus dem Dilemma von ökonomischen Zwang, es leben ja auch sehr viele Menschen von den Touristen, und Bewahrung der Heimat und Lebensart wieder herauskommt.
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Es stimmt, dass in Rom sehr viel Polizei und auch Militär zu sehen ist. Wir wohnten in einem Hotel, in dessen näherer Umgebung mehrere Botschaften heimisch waren. Dort stand überall Militär (??) und/oder auch Polizei herum. Wir fühlten uns recht sicher dort in dieser Umgebung.
Und doch, es stimmt schon, dass man mit so einer Besichtigungstour an einem anderen Eingang durch die Sicherheitsschleuse muss. Wir haben ungefähr 70 Euro bezahlt – gebucht von Deutschland aus. Uns hat ein Mann erwartet am Petersplatz, uns bis zu den Sicherheitsleuten gebracht (vorbei an allen anderen), dort dahinter wartete bereits unsere Fremdenführerin auf uns, die uns sehr lange und ausführlich durch den Petersdom begleitete. Die Führung war äußerst informativ und der Preis hat sich gelohnt! Während wir in 5 Minuten durch die Sicherheitsschleuse waren, standen auf dem Petersplatz ellenlange Schlangen und warteten auf Einlass. Außerdem erfährt man viel mehr über den Petersdom mit so einer gut informierten Vatikankennerin.
Übrigens hatten wir dasselbe Schicksal, was den Regen angeht. Wir hatten so tolles Wetter in Rom – im März – und ausgerechnet an dem Tag schüttete es wie aus Kübeln, so dass wir schon pitschnass am Petersplatz ankamen. Die Hosen konnten wir gar nicht weit genug hochkrempeln, der Schirm nützte nichts. Nach der Besichtigung gingen wir in ein Café gleich nebenan. Dort habe ich mittels Fön in der Damentoilette versucht, meine Klamotten einigermaßen trocken zu bekommen. Werde ich nie vergessen.
Beste Grüße,
Sigrid
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Solche Führungen sind sicherlich schon ganz okay. Ich persönlich mag sie aber eher nicht, weil mir das spielerische Entdecken bei diesen ausgearbeiteten und durchgestylten Fremdenführungen einfach zu kurz kommt. Um das Thema Zahlen, Daten, Fakten kommt man manchmal nicht ganz herum. Aber viel wichtiger ist mir die Aura, die Gefühle die sich in mir Regen oder auch nicht. Ich versuche viel lieber die Atmosphäre, die sich mir bietet, einzuatmen.
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Ein interessanter und nachdenklicher Artikel… das unbeschwerte Reisen in aller Herren Länder gehört wohl der Vergangenheit an. Auch wenn die Sicherheitsleute mit Gewehr im Anschlag eigentlich Sicherheit geben sollen, so habe ich bei ihrem Anblick eher ein mulmiges Gefühl…
Zum Glück gibt es noch genügend Flecken auf der Erde, die wir unbeschwert bereisen können und hoffentlich haben unsere Kinder auch noch diese Möglichkeiten.
In diesem Sinne, weiterhin tolle Eindrücke auf euren Reisen
Sabine
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So geht es uns auch. Ich will und werde mich nicht daran gewöhnen nur noch unter den Augen der Sicherheitskräfte vermeintlich sicher reisen zu können. Viel mehr stört mich das Misstrauen, das die Terrororganisationen unter uns im Abendland und sonstwo auf der Welt sähen. SIe vergiften damit ein positives und aufgeschlossenes Klima unter den Menschen. Deshalb der Hinweis auf die RAF vor 40 Jahren. Dieses ungute Gefühl des Misstrauens hatte ich damals – und ich entdecke in mir wieder das gleiche Gefühl wie damals. Heute weiß ich allerdings, dass wir mit unserer hegemonistischen, oberlehrerhaften und durch Wirtschafts- und Profitinterressen getriebene Politik, die wir ja alle mehrheitlich lange unterstützt und durch Wahlen legitimiert haben, die Entwicklung dieser menschenverachtenden Organisationen mit verursacht und wie im Falle IS sogar gefördert haben.
So stimmt es sicher, das es noch eine Reihe von Flecken auf der Erde gibt, die man noch unbeschwert bereisen kann, doch der Virus des Misstrauens verbreitet sich mit jedem Anschlag, mit jeder Erfahrung mit Sicherheitsmaßnahmen usw, weiter.
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