Neustrelitz – Eine spätbarocke Stadtanlage

Auf dem Weg zum Wohnmobilstellplatz durchfahren wir die Stadt und uns fällt, wie schon in Fürstenberg, die Pflasterung mit „Flusssteinen“ auf. Wenigstens die Fahrwege wurden davon verschont. Für Fußgängerinnen ist das aber ein absoluter High-Heel-Killer.

Flusssteinpflaster

Auch unser Wohnmobil mag das gar nicht. Der gerade erst reparierte rechte Seitenspiegel lässt uns das deutlich wissen: er quietscht wieder, wie vor der Reparatur. 😉 Das (mit den Flusssteinen) mag vielleicht dem historischen Vorbild sehr nahe kommen oder entsprechen – wie wir finden, passt dies aber nicht mehr in die heutige Zeit, Denkmalschutz hin oder her. Wir fahren ja heute auch nicht mit einem Ochsengespann auf den Markt-Platz am Freiburger Münster, bloß weil es dem historischen Bild näher kommt als die heute üblichen Transportfahrzeuge wie Fiat Ducato, Mercedes-Sprinter und Co.
Hier wurde unsinniger Weise viel Aufbau-Ost-Geld, im wahrsten Sinne des Wortes, im Boden versenkt. Das hätte sinnvoller angelegt werden können.

Wenigstens hat man hier in Neustrelitz auf den Fahrbahnen auf die Flusssteine verzichtet.

Der Stadthafen ist ein Schmuckstück geworden

Der Stadthafen am Zierker See ist das Tor zur Havelwasserstraße und in die Seenplatte. Hier liegt auch der Wohnmobilstellplatz, der, wie die Bootsliegeplätze, vom Hafenmeister betreut werden. Eingerahmt ist der alte Stadthafen von alten Speicherhäusern. Es ist das erste Mal, dass mir bewusst auffällt, das eine alte Industriebrache, die es in der ehemaligen DDR noch zuhauf gibt, liebevoll restauriert und einer neuen Nutzung zugeführt wurde. (Zugegeben, es sind keine Industriebauten aus der DDR-Zeit sondern aus der Gründerzeit der Stadt und damit eher ein kulturhistorisches Erbe.) Aus den Speicherhäusern wurde ein Hotel und Wohnungen, die von Einheimischen und nicht von Geld-Wessis bewohnt werden. Der Stadthafen dient heute als Anlegestelle für Hausboot -Touristen, von denen wiederum die umliegenden Hafenrestaurants und Cafés profitieren.

Ausflug in die nähere Umgebung

Wir machen eine Fahrradtour am See entlang. Hier finden wir alsbald Industriebrachen jüngeren Datums, um die sich offensichtlich keiner kümmert. Eine Hinterlassenschaft der Wende, die wir immer wieder im Osten gesehen haben. In Gesprächen mit Ortskundigen, die wir darauf ansprechen, wird uns erklärt, dass so manches Grundstück immer noch brach liegt, weil Eigentumsverhältnisse nicht geklärt sind.  Und das 30 Jahre nach der Wiedervereinigung? Ich mag das fast nicht glauben – aber es scheint, vielleicht nicht bei allen (Industrie-)Brachen, so zu sein. Sicher gibt es auch noch andere Gründe, wie der rabiate „Kahlschlag-Umbau“ von Kanzler Kohl der zu blühenden Landschaften führen sollte. Ja, es gibt diese „blühenden Landschaften“ wenn man bei der Reise durch die Blühenden Landschaften immer im rechten Moment ein Nickerchen macht! – Dann, wenn man an den abgewickelten Betrieben vorbei fährt.

Unterwegs begegnen uns aber auch ehemals herrschaftliche Villen, die von früherem Reichtum künden.

Eine Illusion lässt uns inne halten

Und dann bleiben wir vor einem Hotel verdutzt stehen und trauen unseren Augen nicht. Mitten in der eher trist wirkenden Umgebung eine Hofeinfahrt zu einem idyllisch wirkenden mittelalterlichen Hotelanlage…
… oder doch nicht – ist das alles nur eine Illusion?

Wir müssen schon drei mal hinschauen, bevor wir Illusion und Wirklichkeit von einander unterscheiden können.
Auf jeden Fall haben die Macher des Fachwerk-Graffiti ihr Ziel erreicht: Sie haben die Aufmerksamkeit der Vorbeikommenden auf ihr Werk und damit auf das Hotel gezogen, wo sonst der Blick einfach vorbei gerauscht wäre.

Zurück in die Zukunft des Spätbarock

Auf dem Rückweg fahren wir durch die Stadt und verbotener Weise durch den Schlossgarten. Die frühere Residenzstadt der Herzöge von Mecklenburg-Strelitz wurde im Spätbarock gegründet. Dem entsprechend herrscht in der weitgehend erhaltenen historischen Bausubstanz die Architektur und Gartenkunst des 18. und 19. Jahrhunderts vor. Sehenswert sind die Schlosskirche und die Orangerie, ein schöner klassizistischer Gartensalon, der heute als Restaurant genutzt wird.

Einen Tag Seele baumeln lassen

Wir sind ja nicht auf der Flucht – also dürfen wir auch mal einen Tag nichts tun, so meint es zumindest WoMoline. Die Gelegenheit ist günstig, denn einen solchen mustergültigen WoMoStellplatz findet man nicht jeden Tag. Sogar mit „begrüntem Vorgarten“. Hier hat man tatsächlich ca. 3 m breite Parkbuchten für die Wohnmobile geschaffen an denen, durch Bordsteine getrennt, Rasenflächen mit etwa doppelter Markisenbreite angrenzen. Und diese werden auch regelmäßig gemäht. Herzlichen Dank an die Verantwortlichen der Stadt.

Zu einem Relaxingtag gehört natürlich auch etwas Gutes zum Essen. Und das hat WoMoline aus den Resten im Kühschrank gezaubert:
frisches Pfifferlings-Zucchini-Ragout mit selbst gemachten Semmelknödeln.

Eine Begebenheit zum Schmunzeln

Auf dem Wohnmobilstellplatz, der gut besucht ist, steht ein älteres Wohnmobil mit etwas derben Bewohnern und einem nervig, dauerkläffenden Hund. Dieser Hund verbellt alles was vorbei kommt – ob Nachbarn, andere Hunde, Enten, einfach alles. Die Besitzer werden dem Gekläff einfach nicht Herr und machen aus der Not eine Tugend. Sie feuern das Gekläff auch noch an, was wiederum zu umliegendem Kopfschütteln führt. Einige stellen sich sogar in Sichtweite der Hundebesitzer auf und drücken mit verschränkten Armen und starrem Blick ihr Missfallen aus. Das führt aber zu keinerlei Reaktion. Angesprochen hat die Hundebesitzer aber auch niemand. Manchmal muss man solche Zeitgenossen ertragen, oder den Standort wechseln. Das haben wir auch am nächsten Tag getan.