Das den inneren Spreewald umgebende Grasland wird heute von großen Traktoren mit gigantischen Mähbalken bearbeitet. In früherer Zeit dürfte das durch Ochsen, Pferde und durch Muskelkraft bewerkstelligt worden sein, oder aber durch direkte Beweidung wie es auch heute noch gemacht wird. Die Rinderherden, die wir beobachten konnten, die durch das Grasland streifen, verleihen der Landschaft einen Hauch von Wild-West-Romantik. Einen Cowboy oder Gaucho haben wir aber nicht gesehen.😉 An einer Stelle werden wir durch Schautafeln darauf hingewiesen, dass dieses Gebiet schon seit mindestens 3000 Jahren von Menschen bewirtschaftet wird. Das belegen archäologische Befunde. Somit ist der Spreewald ein sehr altes von Menschen gestaltetes Kulturland.
An verschiedenen Stellen, fällt uns auf, dass man die Natur sich selbst überlässt. Ein Einheimischer, mit dem wir ins Gespräch kommen, vertritt zu dieser „grünen Haltung“, eine sehr kritische Position. Er argumentiert, dass die Spreelandschaft nur deshalb heute so ist, wie sie ist, weil der Mensch sie über viele Jahrhunderte gestaltet hat. Dass Sich-Selbst-Überlassen hat zur Folge dass sich diese alte Kulturlandschaft zusehends verändert, weil durch die fehlende Kulturpflege sich der Waldbestand nicht mehr verjüngen kann. Er lastet diese Veränderung der dogmatischen Haltung von grünen Politikern an und empfindet deren kompromisslose Haltung als eine Art Heimatverlust. Das ist eine Sichtweise, die sich einem Touristen, der mal für zwei, drei Tage einfliegt bei aller Aufmerksamkeit nicht sofort erschließt. Er empfindet, das was er sieht als schön, Natur pur, als schon immer so gewesen. Es strahlt Idylle und Friedlichkeit aus. Die schleichenden Veränderungen kann der Kurzzeittourist nicht erkennen.
Mir wird wieder einmal deutlich, wie schwierig es in unserer komplexen Welt geworden ist, einen fairen Interessenausgleich zwischen unterschiedlichen Standpunkten und Interessen zu erarbeiten. Und so stellen sich mir beklemmende Fragen, wie z.B.:
Wem gehört eigentlich eine alte Kulturlandschaft?
Wer darf für diese Kulturlandschaft sprechen (und wer nicht)?
Gibt es so etwas wie Heimatrecht? Oder sogar ein Recht auf Heimat? Ist das vielleicht sogar ein Grundrecht?
Gibt es so etwas wie ein Selbstbestimmungsrecht der in einer „Heimat“ lebenden Menschen und der durch sie getragenen Organisationen?
Wo liegt die Grenze zwischen „Mit der Natur leben“ und „Natur ausbeuten“?
Diese Fragen machen uns sehr nachdenklich, zumal uns ähnliche Fragen in touristischen Hotspots wie z.B. in Pisa, Kloster Melk, Dürnstein an der Donau, in der Tourimeile am Tittisee oder in Venedig in ähnlicher Weise begegnet sind. In den genannten Beispielen war Auslöser der überdimensionale und nicht mehr verkraftbare Ansturm der Touristen, der Heimat zerstört.
Hier lernen wir, dass auch politische Dogmen, Heimat zerstören können!