Camping Anno dazumal – und was daraus geworden ist.

Eigentlich wollte ich mich an der Blogparade von ReisenMobil gar nicht beteiligen, denn zum gestellten Thema „Camping Anno dazumal“ kann ich wirklich nichts beitragen. Ich habe einfach keinerlei Erfahrung aus dieser Zeit. Dafür habe ich aus dieser Zeit noch eine Menge von Vorurteilen und Klischees in meinem Hirn 😉😈. So habe ich zunächst die liebe Einladung von Angelika zur Teilnahme abgelehnt. Doch beim Nachdenken über das gestellte Thema fällt mir auf, dass die Aussensicht auf das Thema, also die Vorurteile und Klischees, auch ein Aspekt des Themas: „Camping Anno dazumal“ ist.

Die Vorurteile und Klischees

Ich bin ein Wirtschaftswunderkind und wie bei vielen in meiner Generation ging es im Elternhaus vor allem darum, die Zeit davor, die dunkle Zeit, möglichst zu vergessen. Pfadfindertum wurde mir als Relikt aus der braunen Vergangenheit nahe gebracht. Freizeiten mit Zeltromantik gehörte in die Ecke zweifelhafter Jugendorganisationen, wie die „HJ“, „Bund deutscher Mädels“ oder das „Deutsche Jungvolk“. Etwas später folgten die langhaarigen, arbeitsscheuen Hippies, die auf griechischen Inseln oder an anderen Stränden wild campten und anstößige Hasch- und (Sex-)Parties feierten, das ging ja schon gar nicht! 😂 Klar, heute können wir darüber lachen, nachdem es einige dieser „wilden“ 68iger sogar schon in Ministerämter geschafft haben.

Ein „ordentlicher“ Urlaub, das war Übernachtung mit Frühstück im Fremdenzimmer, in einer Pension oder, wer es sich leisten konnte, im Hotel. Im Dunstkreis dieser Glaubenssätze und den in Rundfunk, Fernsehen und in der Werbung (von TUI und Neckermann) vermittelten Leitbildern der deutschen Urlaubskultur der 60iger Jahre wuchs ich auf.

Ich möchte keinem eingefleischten Camper zu nahe treten, aber campen hatte damals im prosperierenden Westen auch irgendwie das Image des „Arme-Leute-Urlaubs“.
Ich erinnere mich noch gut an westliche Propagandasendungen im Fernsehen, das dem Wessi die Lebenswirklichkeit im Osten näher bringen (und in Wirklichkeit nur die Überlegenheit des westlichen Wirtschaftssystems demonstrieren) sollte. Da wurde Camping a la DDR auf Rügen vorgestellt mit der DDR-Variante eines Reisemobils. Es war der legendäre Trabbi mit Dachzelt. Kurz gesagt, der entlockte uns Wirtschaftswunderkindern nur ein mitleidiges Lächeln. Etwas zugespitzt gesagt: ein Flieger nach Mallorca war ja wohl das Mindeste!

Als ich dann, mit meiner ersten Freundin und ihren Eltern, auch noch eine äußerst ungute Ersterfahrung in einem VW-Buschen mit Hubdach bei Sturm, Hagel und ungemütlichsten Temperaturen hatte, war das Thema Camping für weitere 30 Jahre abgehakt.

Bissig satirische Filme wie Gerhard Polts „Man spricht deutsch“ Ende der 80iger Jahre, schien den tradierten Vorurteilen noch eines draufzusatteln.

Nichts ließ darauf schließen, dass ich diese Klischees und Vorurteile jemals hinterfragen würde.

Campingvarianten – Camper ist nicht gleich Camper

Dass es heute einen riesigen Unterschied zwischen Campern und Wohnmobilisten gibt, das wurde mir erst vor wenigen Jahren klar.

Der Camper ist an eine gewisse Infrastruktur gebunden, die üblicherweise Campingplatz heißt. Egal ob mit dem Zelt oder Caravan unterwegs, das Reisekonzept geht von einem eher festen Standort aus, von dem, je nach Interessen, die Umgegend erkundet wird. Es entspricht in seiner Struktur letztlich dem Hotel mit dem Unterschied, die „eigenen vier Wände“ dabei zu haben und recht naturnah und eher „minimalistisch“ zu leben.
Davon weichen einige, eher sportlich motivierte Campertypen ab, die z.B. mit Rad, Kajak, Kanu oder einfach nur mit den Wanderstiefeln unterwegs sind. Sie sind als „Streckencamper“ unterwegs, bei denen das tägliche Auf- und Abbauen der Unterkunft (meist ein Iglu-Zelt) mit zum Camper-Alltag gehört. Das sind echte Minimalisten, vor denen ich genau so Respekt habe wie vor den spirituell motivierten Pilgern auf dem Jakobsweg nach Santiago di Compostela.

Und wenn wir schon beim Versuch einer Camper-Klassifikation sind, dann fällt mir noch eine Gruppe von Sportskanonen ein, die der HippieKultur entwachsen ist und sich oft mit selbst ausgebauten Bussen oder Kleinlastern an den Hotspots der jeweiligen Trendsportarten zusammenfinden. Manche dieser Trend- oder Extremsportlerfahrzeuge erkennt man schon an den auf dem Dach gestapelten Surfbrettern und Masten oder an den aufgeflanschten Kajaks. Andere verbergen ihre Sportgeräte im Innern, wie Kitesurfer, Gleitschirm- oder Drachenflieger. Den meisten ist jedoch gemein, dass ihr Fokus auf der Ausübung ihres Sportes liegt und das Campen nur Mittel zum Zweck ist. Hauptsache, man kann Schlafen und Kaffeekochen, mehr ist an Comfort nicht nötig und man ist unmittelbar am Ort des Geschehens unter Gleichgesinnten. Und ist das Bus-chen gar zu klein, es gibt ja auch mobile Campingtoiletten, die man noch auf den Dachträger schnallen kann. 😉

Und dann gibt es noch die stetig wachsende Gemeinde der echten „Streckencamper“, die ich lieber Wohnmobilisten oder Landyachter nenne, zu denen wir uns zählen. Diese sind aus unserer Sicht meist keine Camper, sondern Reisende im ursprünglichen Sinne eines „Entdeckers“. Sie sind unterwegs entlang einer mehr oder weniger ausgearbeiteten Route, manche folgen auch nur ihrer inneren Stimme. Ihre Freiheit ist die Freiheit des Kommen und Gehens, wann immer ihnen der Sinn danach steht. Früher nannten wir solche Menschen „Zigeuner“. (Da in Deutschland der Begriff als diskriminierend und politisch inkorrekt gilt, nehme ich ihn sofort wieder zurück! 😉😂😉)
Ihr Credo ist nicht die so oft zitierte Freiheit beim Camping, sondern eher die Unabhängigkeit oder Autonomie von zivilisatorischer Infrastruktur, ohne dabei auf einen gewissen Komfortstandard wie Strom, ‚fließend‘ Wasser, (voll und immer) funktionsfähige Küche, ein Bad mit WC und Dusche, die wohlige Wärme einer Heizung und ein „steinhausähnliches“ Wohnraumdesign verzichten zu müssen. Für manche gehört auch noch der Fernseher, die ‚vollintegrierte‘ Nespressomaschiene und Sateliteninternet zu diesem Komfortstandard.

Campen – Damals und Heute: Ein Beispiel

Das was vor 40 oder 50 Jahren als Camping bezeichnet wurde hat sich seitdem so differenziert, dass es das Camping, wie es einmal war, heute wahrscheinlich nur noch für ein paar Puristen und Nostalgiker gibt.

wohnmobil-damals-und-heuteEin Beispiel für Campen damals und heute läuft uns vor wenigen Tagen mitten in Italien über den Weg. Freunde, mit einem fast 50 Jahre alten VW Bus, mit modernem Vorzelt und neuzeitlichem Camping Equipment, kreuzen unseren Weg.
Wir bekommen die Veränderung in den zurückliegenden 50 Jahren nun lebendig vorgeführt. Schon die Volumenunterschiede der beiden Fahrzeuge zeigen die Entwicklung auf.
Wir sind in 15 Minuten „betriebsbereit“. Auf die Keile fahren, Gas an, Boiler und wenn erforderlich Heizung an, Schuhabstreifer, Tisch und Stühle raus, Markise raus, Dachfenster auf – FERTIG.

wohnmobil-umraeumenDie 50 Jahre ältere Version benötigt da schon deutlich mehr Tätigkeiten, um aus dem Fahrmodus in den Wohnmodus zu kommen. Auch wenn alles perfekt durchorganisiert ist und jeder Handgriff sitzt, das ist erst einmal Arbeit 😈. Das ist für uns noch Camping und damit nichts für uns. Erst die moderne Technik schuf die Bedingungen, die uns zum Camping der Unterart Landyachting gebracht hat. Wie wir zu Wohnmobilisten wurden, dies ist aber eine andere Geschichte und ist unter: „über uns – Wie alles begann“ nachzulesen.

Auf Campingplätzen fühlen wir uns nur bedingt wohl, auch wenn wir ab und an die Infrastruktur auf langen Reisen, wie z.B eine Waschmaschine oder eine großzügige Dusche, gerne nutzen. Insbesondere fühlen wir uns auf solchen Plätzen unwohl, wo in den Vorgärten der Dauercamper, der gute alte deutsche Gartenzwerg regiert und die Campingplatzordung zum Heiligtum, einer Art Evangelium, erklärt worden ist. Da geht uns schon zu viel Freiheit wieder verloren. Auf diesen Plätzen können wir nicht gehen oder kommen wann wir wollen. Es gibt Öffnungszeiten, Ruhezeiten, Zeiten für Ein- und Ausfahrt, Melde- und was weiß ich nicht noch für Zeiten. Auch Schwimmbad, Beach-Volleyballplatz, Campingplatzsupermarkt, Campingplatzrestaurant, Gästeanimation und Kinderbespassung brauchen wir nicht.
Wir bevorzugen Wohnmobilstellplätze oder freies Stehen mit allen Vor- und Nachteilen.

Jedem Tierchen sein Pläsierchen!

Dann begegnet uns noch eine Campingvariante der besonderen Art. Omnibus mit 3-stöckigem Caravan = Schlafanhänger mit 14 x 3 Schlafkojen und Küchenfahrzeug (nicht im Bild), der auch diesen MonsterWohnwagen zieht. Diese Campingvariante mit „Kuschelfaktor“ nennt sich Rotel.

rotel

 

Was hat sich in all den Jahren nicht verändert? – Das Lebensgefühl!

Wir erleben auf dem Campingplatz mit unseren Freunden (sie brauchen ja die sanitäre Infrastruktur) drei schöne gemeinsame Tage mitten in Italien, mit Kulturprogramm, Radausflug, Grillen, Vino, Käse, Trauben, langen Gesprächen, Lachen und viel Spaß bis spät in die Nacht.

Trotz aller Veränderungen in den letzten 50 Jahren gibt es mit Sicherheit nach wie vor dieses Lebensgefühl, das heute wie damals als eine Freiheit empfunden wird, die es im Alltag meist nicht gibt. Die Formen, wie dies gelebt wird, sind, auch Dank der modernen Technik, vielfältiger und individueller geworden.
Und so ist die Gemeinde auch stetig gewachsen.

Wir sehen uns. Irgend wo und irgend wann, mit einem Glas Rotwein in der Hand, sonnigem Gemüt und der Freude am Reisen und Entdecken.

 

7 Gedanken zu “Camping Anno dazumal – und was daraus geworden ist.

  1. Das Foto vom betagten Bulli neben eurem modernen Wohnmobil ist herrlich! 🙂
    Eben weil meine Eltern von der braunen Vergangenheit, die sie ja als Kinder noch am eigenen Leben, auch mit Vertreibung und Flucht, mitbekommen hatten, die Nase gestrichen voll hatten, kam Camping für uns nie in Frage. Aber leider auch kein Hotel bzw. Pension. Wir pflegten unsere Ferien im Ausland in Bungalowdörfern zu verbringen… 😉
    Einmal mit einem Wohnmobil auf eine lange Reise gehen – das ist seit sehr langer Zeit schon ein großer Wunschtraum. Aber als Single ist das halt dann doch eine recht gewichtige Kostenfrage. 😉
    Herzliche Grüße!

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    • Ja, die Erziehung und die Randbedingungen der eigenem Kindheit prägen mehr als wir uns oft bewusst machen.
      Wenn dein Wunsch auch mit einem Wohnmobil auf eine lange Reise zu gehen besteht, so musst du dir ja nicht gleich eines kaufen oder mieten. Es gibt inzwischen sehr viele Alleinfahrer (innen), die froh wären für eine gewisse Zeit eine(n) Mitfahrer zu haben.
      Da kann man sich die Kosten teilen und jemand mit WoMo-Erfahrung ist am Anfang auch nicht zu verachten. Wäre das eine realisierbare Alternative?

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    • Ja, wie die beiden Schätzchen so neben einander standen, haben wir uns alle herzlich amüsiert. Die Kinnlade runtergefallen ist uns aber beim betrachten des Rotels.
      LG WoMolix

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  2. Das kommt mir doch alles irgendwie bekannt vor….diese leidigen Vorurteile.
    Zum Glück habe ich dieses, wie du es beschreibst, Lebensgefühl schon relativ früh kennengelernt.
    Eine Jugendliebe von mir hatte einen ausgebauten Bulli, herrlich. Wobei ich lange Autofahrten hasste, so dass ich mit einer Freundin z.b. nach Korsika flog, während die Jungs mit dem Bulli fuhren.
    Das wohnen in Zelten und dem Bulli war einfach herrlich, die nächtlichen Diskussionen beim Rotwein und cooler Musik ebenfalls….
    Dennoch wäre ich keine typische Camperin, ein bissel Komfort darf es ruhig sein 😉

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    • Es ist wie bei so vielem. Wir werden ohne Vorstellungen Werte, Vorlieben usw geboren. Dann stürzt eine Welt von Meinungen, Erfahrungen, Vorlieben und Abneigungen auf uns ein und prägt uns. Wir werden ohne es zu wissen in das Familien und Umfeldsystem quasi hineinmanipuliert. Wenn man dann später mal seine eigenen Wertvorstellungen, Vorurteile und Meinungen reflektiert, dann stellt man oft fest, dass vieles unreflektiert übernommen ist und auf den Prüfstein gehört.

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